Herr Lutter, mit welcher Botschaft treten Sie den Aktionären auf der Hauptversammlung entgegen?
Ludwig Lutter: Im Mittelpunkt steht ganz klar das Geschäft. Wir wollen aus Intershop wieder ein echtes Produktunternehmen machen und die Servicelastigkeit verringern. In diese Richtung marschieren wir und hier haben wir zuletzt auch bereits schöne Erfolge verzeichnet. Und um diesen Weg weiter zu voran zu schreiten, brauchen wir die Aktionäre. Das heißt: Wir wollen uns einen Kapitalrahmen über bis zu 7,5 Millionen Euro genehmigen lassen.
Die Maßnahme stößt nicht überall auf Verständnis. Das Aktionsbündnis HV-Initiative – es vertritt immerhin elf Prozent des Grundkapitals – lehnt die Schaffung eines neuen Genehmigten Kapitals ab.
Ich kann die Situation der langjährigen Privataktionäre durchaus nachvollziehen. Sie sehen in den Plänen eher die Gefahr einer Verwässerung und nicht in erster Linie die Chance, um das Geschäft weiter nach vorn zu bringen. Aber: Nur wenn wir unsere Wachstumsstrategie umsetzen können, bekommen wir auch die Börsenbewertung hin, die einige unserer Wettbewerber haben.
Ist Ihrer Meinung nach denn vorab klar rübergekommen, wofür Intershop die Mittel benötigt?
Solche Pläne lassen sich nur schwer über die Medien oder in Einzelgesprächen kommunizieren. Das geeignete Podium, um diese Dinge zu besprechen, ist nun mal die Hauptversammlung. Aber wir haben hier nachgebessert und beispielsweise „Fragen und Antworten“ zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt auf unsere Homepage gestellt. Doch ich bleibe dabei: Die geballte Ladung an Informationen soll auf der Hauptversammlung rüberkommen. Das ist der richtige Ort dafür.
Und wie stehen Sie zu dem Wunsch einiger Aktionärsgruppen nach einer Sonderprüfung, um die Geschäfte mit Ebay noch einmal zu beleuchten?
Den Gedankengang kann ich schon nachvollziehen. Wenn ein Unternehmen mit dem größten Gesellschafter Geschäfte macht, wird man hellhörig – gar keine Frage. Und natürlich respektieren wir auch den Wunsch unserer Aktionäre. Nur: Gerade weil wir mit unserem Großaktionär Geschäfte machen, haben uns wir uns stets ganz besonders auf die Finger gucken lassen. Um zu schauen, ob alles mit rechten Dingen zuging, haben drei unabhängige Prüfer die Geschäftsbeziehung überprüft – und dann noch einmal die Begutachtung im Rahmen der Jahresabschlussprüfung. Wenn die Aktionäre nun noch einmal eine Sonderprüfung wollen, müssen sie sich auch fragen, wie realistisch es denn ist, dass nach all den Prüfungen ein vierter Gutachter zu ganz neuen Ergebnissen kommt. Die Wahrscheinlichkeit dafür sehe ich bei nahe Null. Zudem sollten Anleger bedenken, dass diese Prüfung locker einen sechsstelligen Betrag kostet und viele Kapazitäten in dem Unternehmen bindet. Aus diesem Grund wollen wir unsere Anteilseigner davon überzeugen, dass dieser Antrag unnötig ist. Ich glaube, wir haben gute Argumente auf unserer Seite.
Andererseits kann man es aber auch so sehen, dass Sie sich gegen eine nochmalige Überprüfung Ihrer Arbeit sperren.
Zunächst einmal bezieht sich die Prüfung auf Vorgänge ab Jahresanfang 2009 – also auf einen Zeitraum, wo der jetzige Vorstand noch gar nicht im Amt war. Aber das sei mal dahingestellt. Natürlich stehe auch ich voll hinter den Verträgen. Am Ende entscheidet der Aktionär.
Hand aufs Herz: Haben Sie wirklich das Gefühl, dass alles komplett richtig läuft mit Ebay?
Zu 100 Prozent. Was das angeht, mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Die ursprüngliche Erwartungshaltung an das Engagement von Ebay war aber doch eine andere. Nicht wenige behaupten, dass die Amerikaner Intershop als verlängerte Werkbank für eigene Zwecke missbrauchen.
Ich glaube, da haben in der Vergangenheit ein paar Leute Stimmung gemacht, um bestimmte Ziele zu erreichen. Das entspricht schlicht nicht der Realität. Was ebenfalls dagegen spricht: Gerade amerikanische Konzerne habe ich in der Vergangenheit mit Blick auf die Einhaltung von Gesetzen immer als besonders korrekt kennengelernt. Ebay ist ein renommierter US-Konzern, der ganz sicher alles dafür tut, Recht und Gesetz einzuhalten – schon, um nicht in schlechte Schlagzeilen zu geraten.
Dennoch: An der Börse hat man sich von dem Pakt mit Ebay mehr versprochen.
Das ist sicherlich richtig. Aber so ist es nun mal im Geschäftsleben. Manchmal erfüllen sich Erwartungen eben nur zum Teil. Insgesamt handelt es sich aber um eine sehr fruchtbare Beziehung.
Intershop gilt als einer der letzten „unabhängigen“ E-Commerce-Softwareanbieter. Mit Blick auf Ebay: Gilt diese Aussage tatsächlich?
Das ist definitiv so. Ebay redet uns überhaupt nicht ins Geschäft.
Zurück zu dem möglichen Kapitalbedarf. Was hat Intershop genau vor?
Wir haben noch einen Kapitalrahmen in Höhe von 7,5 Mio. Euro. Der läuft 2016 allerdings aus. Nun wollen wir uns weitere 7,5 Mio. Euro bewilligen lassen. Ich hatte anfangs gesagt, dass wir aus Intershop wieder ein Produktunternehmen machen wollen. Dafür brauchen wir Geld. Und wie unsere Wettbewerber gezeigt haben, bedarf das sogar einer ganzen Menge Geld. Dafür wird man am Ende des Tages dann aber auch mit einer wirklich hohen Marktkapitalisierung belohnt. Dafür sind wir angetreten.
Klingt nach einer größeren Maßnahme.
Wir wollen uns einfach die größtmögliche Flexibilität sichern. Welchen Weg wir genau gehen, werden wir später entscheiden. Hier sind die Gespräche noch nicht konkret genug, um eine Entscheidung zu präsentieren. Noch können wir also nicht sagen, wann und in welchen Tranchen wir an den Markt gehen. Denkbar ist auch, dass wir uns ein oder zwei größere Investoren an Bord holen. Letztlich hängt aber viel von den Ergebnissen der Hauptversammlung ab. Wünschenswert wäre aber auf jeden Fall, dass es noch im laufenden Jahr zu einer Umsetzung kommt.
Der Aktienkurs von Intershop hat sich zuletzt nicht gerade berauschend entwickelt. Gibt es einen Mindestpreis, ab dem eine Kapitalerhöhung für Sie überhaupt erst in Betracht kommt?
Bitte haben Sie Verständnis. Da möchte ich mich nicht festlegen.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass die Investitionsoffensive die erhoffte Wirkung zeigt?
Das sind verschiedene Punkte: 1) Wir sind der einzig verbliebene unabhängige Anbieter. So etwas wie uns gibt es nicht mehr. Und viele Unternehmen möchten sich nicht in die Abhängigkeit der ganz Großen begeben. Davon profitieren wir momentan, wie die jüngsten Abschlüsse mit Neukunden – vor allen aus dem mittleren und kleineren Segment – zeigen. Salopp gesagt: Kunden können mit unserer Plattform von S bis XXL wachsen. 2) Wir weiten unsere Partnerschaften aus – hier ist etwa die Zusammenarbeit mit Adobe ein schönes Beispiel. 3) Die Refokussierung auf das Produktgeschäft trägt bereits Früchte. Die Summe dieser Punkte stimmt mich derzeit vorsichtig optimistisch.
Ludwig Lutter ist Finanzvorstand (CFO) der Intershop Communications AG. Daneben verantwortet er die Bereiche Mergers & Acquisitions und Investor Relations sowie die Abteilungen Operations, Recht und Personal. Zuletzt war er CFO der Eleven GmbH, einem E-Mail-Sicherheitsanbieter mit Sitz in Berlin. Zuvor war er Finanzvorstand der Astaro AG aus Karlsruhe sowie bei der früheren Neuer-Markt-Gesellschaft Poet Holdings.