Wer bei der Aktie von IBU-tec advanced materials für zwölf Monate die Augen geschlossen hatte, dürfte meinen, dass in dieser Zeit nicht viel passiert sei. Immerhin kostet der Anteilschein des Spezialchemie-Unternehmens mit knapp 34 Euro derzeit nahezu exakt so viel wie im März 2022. Tatsächlich hätte der Chartverlauf volatiler kaum sein können, immerhin war die Notiz im Zuge der Energiekrise, rasant steigender Rohstoffpreise und der drohenden Rezession Ende September 2022 bis auf 15,50 Euro gerutscht. Doch die Börsianer haben sich auch bei IBU-tec wieder auf ein weit weniger dramatisches Szenario eingestellt und setzen auf die sich weiterhin bieten Chancen im Bereich der Glasbeschichtung sowie – noch viel wichtiger – im Geschäft als Zulieferer für Batteriesysteme.
Zumindest was die Resultate für das vergangene Jahr angeht, hat die Gesellschaft mit Hauptsitz in Weimar die selbstgesteckten Erwartungen im Wesentlichen erfüllt. Lediglich der Umsatz blieb mit einem Zuwachs von 22 Prozent auf 53,9 Mio. Euro knapp hinter der ursprünglichen Prognose von 55 bis 57 Mio. Euro zurück. „Wir hatten uns ein bisschen mehr vorgenommen“, räumt Jörg Leinenbach, Co-CEO von IBU-tec advanced materials, auf dem virtuellen Investoren-Call ein. Allerdings hatten sich die Rahmenbedingungen – etwa im Bereich der Lohnfertigung – im zweiten Halbjahr zum Teil so deutlich verschlechtert, dass er mit dem erzielten Erlös durchaus zufrieden ist. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) kam derweil von 5,5 auf 6,7 Mio. Euro voran und liegt innerhalb der Planungen. Für das laufende Jahr peilt Jörg Leinenbach Umsätze zwischen 62 bis 64 Mio. Euro sowie ein weitgehend konstantes EBITDA zwischen 6,5 und 6,8 Mio. Euro an. Wenig spektakulär die Vorschau. Darin enthalten sind allerdings zusätzliche Investitionen von rund 1 Mio. Euro für die Forcierung der Aktivitäten im Batteriebereich.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 16,81 | 46,57 | 48,45 | 32,96 | 44,09 | 53,94 | 48,23 | |
EBITDA1,2 | 2,66 | 6,91 | 7,12 | 6,98 | 5,53 | 6,69 | 2,96 | |
EBITDA-Marge3 | 15,82 | 14,84 | 14,70 | 21,18 | 12,54 | 12,40 | 6,14 | |
EBIT1,4 | 0,30 | 2,55 | 1,95 | 2,08 | 0,94 | 1,94 | -1,79 | |
EBIT-Marge5 | 1,78 | 5,48 | 4,03 | 6,31 | 2,13 | 3,60 | -3,71 | |
Jahresüberschuss1 | 0,17 | 2,33 | 0,87 | 1,00 | -0,24 | 1,29 | -2,49 | |
Netto-Marge6 | 1,01 | 5,00 | 1,80 | 3,03 | -0,54 | 2,39 | -5,16 | |
Cashflow1,7 | 0,78 | 3,31 | 4,23 | 4,47 | -1,13 | -3,27 | 2,41 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,04 | 0,35 | 0,22 | 0,25 | -0,05 | 0,27 | -0,52 | |
Dividende8 | 0,13 | 0,20 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Eine gute Expertise hat sich IBU-tec mit seinem LFP-Material bereits im Nutzfahrzeugsektor erarbeitet, Leuchtturmprojekt ist hier der Ende 2022 an Land gezogene Entwicklungsauftrag mit einem großen internationalen Nutzfahrzeughersteller. Aber auch im Bereich der stationären Energiespeicherung sieht CEO Ulrich Weitz enormes Potenzial. Im E-Mobility-Bereich des privaten Automobils kommt LFP tendenziell eher bei auf den Stadtverkehr zugeschnittenen Fahrzeugen zum Einsatz. Wird also extrem spannend, welcher Bereich für das Unternehmen langfristig die größte Bedeutung gewinnen wird. Noch erfindet sich der europäische Batteriemarkt allerdings gerade neu, was freilich zu Verzögerungen und anderen Reibungsverlusten führt.
Mehr denn je kristallisiert sich aber heraus, dass IBU-tec nur dann eine Chance als ernstzunehmender Player hat, wenn die Gesellschaft auch in der Lage ist, die nötigen Mengen zu liefern. Galt der Ausbau der Produktionskapazität von derzeit 4.000 Tonnen Richtung 10.000 Tonnen lang Zeit als eine Art Komfortzone, spricht das Vorstandsteam für den Zeitraum 2025 bis 2027 längst über eine Ausweitung Richtung 25.000 Tonnen. Um die dafür nötigen Investitionen von vermutlich einem niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag überhaupt stemmen zu können, laufen bereits erste Gespräche mit staatlichen Förderbanken. Die Entwicklung ist also hoch dynamisch. Die Nachfrage der Kunden ist definitiv vorhanden. „Wenn man sieht, wie sich der Probenversand entwickelt – das ist schon enorm“, sagt Ulrich Weitz. Und auch Co-CEO Jörg Leinenbach verrät auf der Investoren-Konferenz: „Wir führen derzeit viele anbahnende Gespräche mit Zellherstellern und OEMs.“
Trotz des sich weiterhin sehr robust entwickelnden Geschäfts im Bereich Glas-Coating und der erfolgreichen Restrukturierung der Produktionstochter BNT in Bitterfeld-Wolfen: Am Ende hängt der langfristige Erfolg von IBU-tec advanced materials an der Entwicklung im Batteriematerial. Dabei muss die Gesellschaft alles in die Waagschale werfen, um überhaupt eine Chance zu haben. Das ist Chance und Risiko zugleich. Entsprechend eignet sich der Titel auch nur für spekulativ orientierte Investoren, selbst wenn das Unternehmen an sich einen konservativen und geerdeten Eindruck macht. Der aktuelle Börsenwert beträgt knapp 160 Mio. Euro. Bis 2025 will IBU-tec auf Erlöse zwischen 102 und 130 Mio. Euro kommen und dabei eine EBITDA-Marge von mehr als 20 Prozent erzielen. Im Mittel würde das auf ein EBITDA von etwa 25 Mio. Euro hinauslaufen. Erreicht der Scale-Pionier dieses Ziel, wäre die aktuelle Bewertung noch immer sehr moderat. Die Augen für zwölf Monate schließen, würde boersengefluester.de als Investor aber besser nicht. Wir bleiben daher am Ball und werden über die weitere operativen Entwicklung berichten.
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