Fast genau auf den Tag vor einem Jahr – am 28. Juni 2021 – erreichte der Aktienkurs von IBU-tec advanced materials mit 60,40 Euro sein bisheriges Rekordhoch. Seitdem hat sich die Notiz des Spezialchemie-Unternehmens um 60 Prozent ermäßigt und den Börsenwert auf nur noch 114 Mio. Euro gedrückt, was gerade einmal dem Doppelten des Buchwerts entspricht. Zum weiteren Vergleich: Beim Börsengang Ende März 2017 – IBU-tec war damals die erste echte Neuemission im Handelssegment Scale – erreichte die Kapitalisierung 66 Mio. Euro, also knapp halb so viel wie momentan. Dabei ist es außer Zweifel, dass das Team um CEO Ulrich Weitz die Gesellschaft in den vergangenen fünf Jahren vom reinen Lohnfertiger hin zum Anbieter eigener Produkte grundlegend neu aufgestellt hat und IBU-tec im Normalfall vor einer richtig guten Zukunft steht. Davon konnte sich boersengefluester.de beim Besuch der beiden Werke im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen jetzt einen Eindruck verschaffen.
Der Brandschaden bei der Tochter BNT ist längst wieder behoben und es wird weiter investiert. „Wir werden in den nächsten Jahren sehr profitabel sein bei BNT“, sagt Ulrich Weitz. Insbesondere das Glascoating-Produkt, mit dem Flaschen haltbarer gemacht werden, ist eine wachsende Säule – zumal BNT der einzige Anbieter in Europa ist und die Zeit quasi auf seiner Seite hat. Der eigentliche Kern der Investmentstory von IBU-tec bleibt aber die Positionierung als Anbieter von Kathodenmaterial für Batterien. Größter Treiber hier ist die Elektromobilität. Dabei setzt das Unternehmen auf die LFP-Batterietechnik. Dieser Batterietyp ist aufgrund seiner Leistungs- und ökologischen Eigenschaften insbesondere für E-Autos geeignet, die überwiegend auf kürzeren Strecken unterwegs sind und nicht unbedingt Beschleunigungsrekorde aufstellen sollen. Eine robuste und vergleichsweise preiswerte Technik, die auch bei Tesla & Co. für die Standardmodelle erste Wahl sein wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 16,81 | 46,57 | 48,45 | 32,96 | 44,09 | 53,94 | 48,23 | |
EBITDA1,2 | 2,66 | 6,91 | 7,12 | 6,98 | 5,53 | 6,69 | 2,96 | |
EBITDA-Marge3 | 15,82 | 14,84 | 14,70 | 21,18 | 12,54 | 12,40 | 6,14 | |
EBIT1,4 | 0,30 | 2,55 | 1,95 | 2,08 | 0,94 | 1,94 | -1,79 | |
EBIT-Marge5 | 1,78 | 5,48 | 4,03 | 6,31 | 2,13 | 3,60 | -3,71 | |
Jahresüberschuss1 | 0,17 | 2,33 | 0,87 | 1,00 | -0,24 | 1,29 | -2,49 | |
Netto-Marge6 | 1,01 | 5,00 | 1,80 | 3,03 | -0,54 | 2,39 | -5,16 | |
Cashflow1,7 | 0,78 | 3,31 | 4,23 | 4,47 | -1,13 | -3,27 | 2,41 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,04 | 0,35 | 0,22 | 0,25 | -0,05 | 0,27 | -0,52 | |
Dividende8 | 0,13 | 0,20 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Trotz der jüngsten Deals von IBU-tec: Mit den derzeitigen Kapazitäten zur Herstellung von Batteriematerialen ist das Unternehmen noch weit entfernt davon, die potenziellen Abnahmebedarfe der Automobilhersteller in der Zukunft zu befriedigen. Bis der erwartete Nachfrageschwung der Autokonzerne startet, setzt die Gesellschaft mit Hauptsitz in Weimar darauf, Batteriematerialen für anderen Anwendungen wie Gabelstapler, Hörgeräte und Kopfhörer, Heimwerkergeräte oder auch den Bootsbereich anzubieten. „Wir müssen den Sprung in fünfstellige Tonnagen gehen, um für die Pkw-Hersteller interessant zu sein. Sonst werden wir einen Nischenplayer bleiben“, sagt Vorstand Ulrich Weitz, der nach der HV im kommenden Jahr in den Aufsichtsrat wechseln will. Zumindest aus heutiger Sicht stehen die Chancen gut, dass IBU-tec ab 2025 tatsächlich ein namhafter Partner für die auf große Stückzahlen geeichte Automobilindustrie werden wird.
Entsprechend sollen die Umsatzerlöse in den kommenden drei Jahren auf Konzernebene im günstigen Fall auf mehr als 130 Mio. Euro klettern, rund 30 bis 60 Mio. Euro davon dürften aus Batteriematerialien stammen. Die EBITDA-Marge soll dann nördlich von 20 Prozent liegen. Selbst bei einem mittleren Szenario würde das auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von rund 23 Mio. Euro hinauslaufen. Verglichen mit der aktuellen Marktkapitalisierung wäre die Aktie damit zurzeit super attraktiv bewertet.
Warum haut die Börsen dann so auf die IBU-tec-Aktien ein? Nun: Schon ein flüchtiger Blick auf die Produktionsanlagen im Chemiepark reicht, um die Gasleitungen zum Betrieb des Werks zu sehen. Laut Geschäftsbericht hat IBU-tec 2021 fast 7.900 MWh Erdgas und 2.660 MWh Elektrizität verbraucht – Chemie ist nunmal sehr energieintensiv. Wenig überraschend, dass sich die Gesellschaft so gut es geht nach Alternativen umschaut. Doch der schlimmste Fall einer Gasrationierung für nicht systemkritische Industrien würde natürlich verheerende Folgen für die täglichen Abläufe haben. Und genau dieses Energierisiko preist der Kapitalmarkt zurzeit bei IBU-tec, BASF, Lanxess oder auch Covestro ein.
Immerhin ist es IBU-tec bislang gut gelungen, die Preissteigerungen für alle anderen wichtigen Einsatzstoffe – insbesondere Zinn oder auch Lithium – auf die eigenen Produkte aufzuschlagen. Ansonsten würde es schnell bitter aussehen, da gibt sich Ulrich Weitz keinen Illusionen hin. So gesehen ist IBU-tec in erster Linie eine starke Wette auf einen Rückgang der Energiepreise. Sollte es zu einem – wie auch immer gearteten – politischen Deal mit Russland kommen, würde die Aktie kräftig durchstarten. Rein von der Produktausrichtung ist das Unternehmen nämlich prima positioniert. Hinzu kommt, dass sich nahezu der gesamte Batteriesektor wegen der hohen Rohstoffpreise momentan konsolidiert und IBU-tec hiervon aufgrund seines technologischen Vorsprungs eher profitieren dürfte.
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