Was für eine verrückte Börsenstory: Im Sommer 2018 kommt die Aktie von Home24 zu einem Kurs von 23 Euro an die Börse und rutscht innerhalb von zwölf Monaten bis auf 3,50 Euro ab. Doch just, als kaum noch jemand einen Pfifferling auf die Aktie des Online-Möbelhändlers setzen wollte, schiebt die allgemeine E-Commerce-Euphorie während des Corona-Lockdowns den Anteilschein zurück bis auf knapp 27 Euro, was einem Börsenwert von damals rund 700 Mio. Euro entspricht – das reichte seinerzeit locker für einen SDAX-Platz. Doch das Pendel schlug im Zuge der Inflationsängste mindestens ebenso wuchtig zurück und sorgte für eine neuerliche Talfahrt bis auf rund 2,50 Euro. Daran konnte auch die Übernahme des Dekoartikelhändlers Butlers nichts ändern. Eine unglaubliche Achterbahnfahrt, auch wenn das Management der Berliner auf Investorenkonferenzen regelmäßig betonte, dass der Aktienkurs deutlich volatiler sei als das operative Geschäft.
Gleichwohl musste das lange Zeit auf Wachstum gepolte Vorstandsteam von Home24 die Stoßrichtung anpassen und das Thema Rentabilität mehr in den Vordergrund schieben. Nun schlägt der bekannte Möbelfilialist XXXLutz das nächste Kapitel in der Firmenhistorie von Home24 auf – und zwar in Form einer Übernahmeofferte zu 7,50 Euro je Aktie. „Das Angebot spricht für sich selbst“, betont XXXLutz. Keine Frage: Gemessen an den Kursen der jüngeren Vergangenheit ist der Aufschlag von mehr als 100 Prozent sicher eine stattliche Prämie. Mit Blick auf den Langfristchart gibt es aber eben doch viele Investoren, die zu deutlich höheren Kursen eingestiegen sind und für die das Angebot nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Besser steht sich da schon der Butlers-Gründer Wilhelm Josten da, der den wesentlichen Teil des Kaufpreises vom Frühjahr 2022 in Cash – und nicht in Home24-Aktien – bekommen hatte. Aber auch in diesem Punkt werden die detaillierten Angebotsunterlagen von XXXLutz interessant werden, denn bei einem geplanten Delisting entfällt – zumindest offiziell – die Orientierung von potenziellen Butlers-Kaufpreisnachbesserungen am Aktienkurs.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 275,67 | 312,70 | 371,60 | 491,90 | 615,50 | 601,00 | 0,00 | |
EBITDA1,2 | -33,95 | -51,70 | -28,10 | 15,80 | 1,40 | 8,80 | 0,00 | |
EBITDA-Marge3 | -12,32 | -16,53 | -7,56 | 3,21 | 0,23 | 1,46 | 0,00 | |
EBIT1,4 | -46,79 | -69,60 | -63,80 | -10,20 | -35,30 | -46,70 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | -16,97 | -22,26 | -17,17 | -2,07 | -5,74 | -7,77 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | -49,83 | -73,10 | -67,90 | -17,10 | -35,40 | -49,70 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | -18,08 | -23,38 | -18,27 | -3,48 | -5,75 | -8,27 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | -27,10 | -47,90 | -39,20 | 32,00 | -63,10 | 24,00 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | -1,84 | -3,22 | -2,53 | -0,61 | -1,05 | -1,31 | -0,70 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Ernst & Young |
Nicht minder spannend wird auch, wie sich XXXLutz hinsichtlich der börsennotierten Brasilien-Tochter Mobly entscheiden wird. Dabei betont Home24-CEO Marc Appelhoff: Für uns als Management-Team war besonders wichtig, dass XXXLutz die Vision von Home24 teilt und aktiv fördert, bei der Umsetzung unterstützt und uns dabei weiterhin als eigenständiges Unternehmen agieren sieht.“ Wichtig aus Anlegersicht ist derweil, dass die Offerte nicht an bestimmte Nebenbedingungen – wie etwa eine Mindestannahmeschwelle – geknüpft ist und auch vom Vorstand unterstützt wird. Wenig wahrscheinlich aus heutiger Sicht also, dass sich ein Bieterkampf um Home24 entfachen wird. Stand jetzt hat sich die Möbelkette aber bereits rund 60 Prozent der Home24-Aktien gesichert.
Nicht abschrecken lassen sollten sich Privatinvestoren derweil von der angekündigten Delisting-Absicht. Selbst wenn es nach erfolgter Transaktion zu diesem Schritt kommt: Im regionalen Freiverkehr, wie etwa Hamburg, sollte der Titel auf jeden Fall weitergehandelt werden. Ob ein perspektivischer Squeeze-out – also ein Zwangsausschluss der verbliebenen Streubesitzaktionäre – sich zu auch 7,50 Euro durchziehen ließe, ist derzeit nicht valide abschätzbar. Sollte sich die Konsumentenstimmung wieder bessern, müsste das Geschäft der Berliner im Normalfall aber deutlich an Fahrt gewinnen. Und dann wäre die von XXXLutz gezahlte Bewertung alles andere als ein hoher Preis.
Bereits auf Basis der durch die von XXXLutz angekündigten 10-Prozent-Kapitalerhöhung zu 7,50 Euro vergrößerte Aktienstückzahl würde das Unternehmen auf schuldenfreier Basis mit dem rund 16fachen des von boersengefluester.de für 2022 erwarteten EBITDA gehandelt. Ein Multiple, das sich mit Sicht auf zwei Jahre aber deutlich in den einstelligen Bereich verschieben sollte. Kalte Füße werden auf jeden Fall die noch verbliebenen Shortseller bekommen, auch wenn die Home24-Aktie mit einem Leerverkaufsanteil von 4,25 Prozent längst nicht mehr der Spitzenreiter unter den Shortseller-Aktien ist – wie unser Analysetool RegSHO zeigt. Summa summarum sollten sich engagierte Investoren über den unerwarteten Kurssprung freuen, ansonsten aber erstmal noch nichts machen. Sobald die kompletten Angebotsunterlagen vorliegen, werden wir ein Update geben.