„Unser Geschäftsverlauf glich zeitweise einer Achterbahnfahrt“, sagt Günther Beck, Finanzvorstand des Fräsmaschinenherstellers Maschinenfabrik Berthold Hermle – kurz Hermle – im Vorwort des jetzt erschienenen Geschäftsberichts 2021. Gestartet mit Kurzarbeit, mussten die Mitarbeiter am Ende ordentlich Überstunden klöppeln, damit die Aufträge überhaupt abgearbeitet werden konnten. Dabei hat auch Hermle mit den Folgen der aus den Fugen geratenen Lieferketten und allgemeinen Preissteigerungen zu kämpfen. Trotzdem: Mit einer Erlössteigerung um fast 27 Prozent auf 375,98 Mio. Euro sowie einem um beinahe 38 Prozent auf 74,60 Mio. Euro verbesserten Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) hätten wohl selbst Optimisten lange nicht gerechnet.
Die Dividende setzt das Unternehmen – nach zwei für Hermle-Verhältnisse eher mageren Jahren – auf insgesamt 9,05 Euro je Vorzugsaktie herauf. Vom Top-Niveau von 15,05 Euro für die Jahre 2017 und 2018 sind die Gosheimer damit zwar immer noch eine Ecke entfernt, doch die Dividendenrendite liegt bereits jetzt wieder oberhalb von vier Prozent. Die Hauptversammlung findet am 6. Juli 2022 statt, es dauert also noch ein wenig bis zur Ausschüttung. Dass die Dividendenrendite derzeit so hoch ist, hängt freilich auch mit dem schwachen Aktienkurs von Hermle zusammen. Die Mitte März kommunizierten Vorabzahlen für 2021 hatten der Notiz zwar etwas Auftrieb verliehen, doch der zuletzt so labilen Börsenverfassung konnten sich die Schwaben einfach nicht entziehen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 402,01 | 452,92 | 463,10 | 296,94 | 375,98 | 474,07 | 532,32 | |
EBITDA1,2 | 106,80 | 121,74 | 124,59 | 64,59 | 85,89 | 110,85 | 127,40 | |
EBITDA-Marge3 | 26,57 | 26,88 | 26,90 | 21,75 | 22,84 | 23,38 | 23,93 | |
EBIT1,4 | 98,99 | 111,73 | 114,20 | 54,18 | 74,60 | 99,62 | 115,83 | |
EBIT-Marge5 | 24,62 | 24,67 | 24,66 | 18,25 | 19,84 | 21,01 | 21,76 | |
Jahresüberschuss1 | 73,33 | 87,47 | 84,21 | 40,08 | 54,91 | 71,79 | 87,57 | |
Netto-Marge6 | 18,24 | 19,31 | 18,18 | 13,50 | 14,61 | 15,14 | 16,45 | |
Cashflow1,7 | 82,00 | 93,31 | 71,70 | 43,19 | 36,39 | 90,52 | 92,05 | |
Ergebnis je Aktie8 | 14,70 | 17,53 | 16,88 | 8,06 | 11,02 | 14,40 | 17,55 | |
Dividende8 | 15,05 | 15,05 | 5,05 | 5,05 | 9,05 | 11,05 | 15,05 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Dabei hat das Unternehmen zumindest den Vorteil einer piekfeinen Bilanz – frei von Bankverbindlichkeiten und mit viel Cash. Steigende Zinsen tun da nicht noch zusätzlich weh. Klar ist aber auch: Das zuletzt so rasante Tempo wird im Jahresverlauf nicht zu halten sein. In den kommenden Monaten werden die Kapazitäten aber „mindestens regulär ausgelastet sein“, heißt es im Geschäftsbericht. Aus heutiger Sicht wird das für einen Umsatzanstieg von Untergrenze 10 Prozent reichen – bei einer dazu allerdings unterproportionalen Ergebnisentwicklung. Zum einem kämpft Hermle mit den üblichen Preiserhöhungen für Material und Energie. Darüber hinaus stellt sich die Gesellschaft auch auf Forderungsfälle bei russischen Kunden sowie den Verlust aller Unternehmenswerte in Russland ein, was zu bilanziellen Belastungen von vermutlich etwa 5 Mio. Euro führen wird.
Das ist sicherlich zu verschmerzen, dürfte per saldo aber dazu führen, dass die Gewinne 2022 kaum nennenswert von Fleck kommen. Mit Blick auf die früher üblichen Bewertungsniveaus der Hermle-Aktie, die mitunter schon als Knappheitspreise einzustufen waren, wäre das bestimmt keine gute Ausgangssituation für ein Investment. Auf dem aktuellen Niveau wird der Titel aber nur noch mit einem KGV von rund 15 gehandelt. Das findet boersengefluester.de sehr moderat für ein qualitativ erstklassiges Unternehmen. Interessant auch der Blick auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von derzeit gut vier. Isoliert gesehen noch kein Sonderangebot, mittlerweile aber eben doch um ein gutes Drittel unterhalb des langjährigen Mittelwerts bei Hermle. Noch ein Tipp in eigener Sache: Sämtliche Geschäftsberichte von Hermle seit dem Jahr 2007 können Sie auf unserem neuen Online-Portal geschaeftsberichte-download.de (HIER) gratis abrufen.
Foto: Olia Nayda auf Unsplash