Berührungsängste hat das Team von Scherzer & Co. definitiv nicht. Immerhin haben die normalerweise eher auf Value-Investments und Sondersituationen ausgerichteten Nebenwerte-Experten zuletzt mitgeteilt, dass sie bei dem Kochboxenversender HelloFresh mit dem Aufbau einer Depotposition begonnen haben. Vielleicht in der Tat eine clevere Idee, immerhin fällt das operative Geschäft nach dem Ende des durch Corona getriebenen Booms weniger stark zurück, als es der Aktienkurs vermuten lässt. So kostet die Aktie mit knapp 24 Euro nur noch ein Bruchteil der Ende 2021 aufgerufenen Kurse von in der Spitze bis zu 97,50 Euro. Dabei peilt HelloFresh für 2023 ein im Wesentlichen um die Effekte von Mitarbeiter-Optionen bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (AEBITDA) zwischen 460 und 540 Mio. Euro an. Zum Vergleich: Unter Berücksichtigung der Netto-Liquidität von mehr als 300 Mio. Euro beträgt der Unternehmenswert der Berliner zurzeit 3.879 Mio. Euro.
Entsprechend wird der MDAX-Konzern mit deutlich weniger als dem Achtfachen des zu erwartenden operativen Ergebnisses gehandelt. Das ist in der Tat alles andere als ambitioniert, zumal HelloFresh normalerweise auch unterm Strich schwarze Zahlen schreibt. Allerdings führten die kräftig gestiegenen Beschaffungs- und Marketingkosten dazu, dass die Gesellschaft im ersten Quartal 2023 mit 25,4 Mio. Euro deutlich in die roten Zahlen gerutscht ist. Zudem hat HelloFresh stattliche Summen in den Kapazitätsausbau sowie die Automatisierung gesteckt – nach dem dritten Quartal 2023 ist das Programm jedoch weitgehend umgesetzt, so dass mit niedrigeren Investitionen zu rechnen ist. Die nächsten Quartalsberichte werden also hoch interessant.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 904,90 | 1.279,20 | 1.809,00 | 3.749,90 | 5.993,40 | 7.607,20 | 7.596,60 | |
EBITDA1,2 | -87,70 | -73,30 | 15,70 | 472,90 | 488,60 | 383,20 | 343,80 | |
EBITDA-Marge3 | -9,69 | -5,73 | 0,87 | 12,61 | 8,15 | 5,04 | 4,53 | |
EBIT1,4 | -88,80 | -82,80 | -25,80 | 425,90 | 391,80 | 217,20 | 112,50 | |
EBIT-Marge5 | -9,81 | -6,47 | -1,43 | 11,36 | 6,54 | 2,86 | 1,48 | |
Jahresüberschuss1 | -92,00 | -82,80 | -10,10 | 369,10 | 256,30 | 125,10 | 18,10 | |
Netto-Marge6 | -10,17 | -6,47 | -0,56 | 9,84 | 4,28 | 1,64 | 0,24 | |
Cashflow1,7 | -45,50 | -50,20 | 42,20 | 601,50 | 458,60 | 313,40 | 383,80 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,67 | -0,51 | -0,06 | 2,09 | 1,41 | 0,63 | 0,10 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Die große Frage bleibt indes, wie sich die Erlöse perspektivisch entwickeln werden. Zwar gehen die Analysten von grundsätzlich weiter nordwärts gerichteten Umsätzen aus, boersengefluester.de kann sich aber auch gut vorstellen, dass die Dynamik noch mehr nachlässt. Immerhin sind die Kochboxen – Rabattaktionen ausgeklammert – nicht gerade ein besonders preiswerter Weg der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Aber auch dieses Szenario sollte im Aktienkurs ausreichend berücksichtigt sein. Hinzu kommt, dass es in dem Sektor immer wieder mal zu Übernahmespekulationen kommt. Normalerweise ein Indiz dafür, dass die Bewertungen geerdet sind. Die Analysten von Jefferies haben die Aktie zuletzt mit einem Kursziel von 35,50 Euro versehen und raten weiterhin zum Einstieg.
Im Hinterkopf behalten sollten Anleger auf jeden Fall, dass der Anteilschein von HelloFresh die Aktie mit dem höchsten Leerverkäufer-Anteil ist. Die Shortsellern zurechenbare Quote liegt bei stattlichen 7,3 Prozent – siehe dazu auch unser selbstentwickeltes Shortseller-Tool RegSHO. Allerdings kann sich diese grundsätzlich eher negative Konstellation bei steigenden Kursen auch in einer scharfen Rally entladen. Eine Variante, mit der sich Scherzer & Co. sicher besonders gut anfreunden kann.
Foto: Unsplash+
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