Herr Gosztonyi, in den vergangenen Wochen hat sich die Liquidität in der Heliocentris-Aktie spürbar erhöht. Worauf führen Sie die Belebung zurück?
András Gosztonyi: Da spielen aus meiner Sicht mehrere Faktoren eine Rolle: Zunächst haben wir gezeigt, dass wir im Telekommunikationsgeschäft auch tatsächlich signifikante Umsätze generieren können. Die Erlöse stiegen in diesem Bereich von 0,3 Mio. im Vorjahr auf 4,8 Mio. Euro in 2012. Es hätte gern noch mehr sein können, aber wir sind auch so sehr zufrieden. Positiv ausgewirkt haben sich auch die Folgeaufträge mit dem arabischen Telekomkonzern Du sowie Mosambican Cellular. Und außerdem haben wir Ende März eine Kapitalerhöhung über brutto 10,7 Mio. Euro platziert. Damit sind wir nach unserer Planung bis zum Erreichen des Break-Even durchfinanziert. Heliocentris befindet sich also gerade an einem Wendepunkt in der Firmengeschichte. Das spüren die Investoren. Auf der Frühjahrskonferenz der Deutsche Börsen Anfang Mai haben wir sehr gute Gespräche geführt. Ein derartiges Interesse an unserer Aktie gab es in den Vorjahren nicht unbedingt.
Heliocentris bietet Energieanlagen an, mit denen beispielsweise Telekomfirmen ihre Mobilfunkstationen, die nicht an einem zuverlässigen Stromnetz angeschlossen sind, mit Strom versorgen können. Ihre wichtigsten Märkte sind der Nahe Osten, Afrika und Zentralasien. Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?
Gosztonyi: Natürlich gibt es Konkurrenten, sonst müssten wir uns auch Sorgen machen. Wir sehen derzeit aber kein Unternehmen mit einer ähnlich kompletten und weit entwickelten Angebotspalette von Energiemanagement und Monitoring bis hin zu hocheffizienten hybriden Energielösungen. Unseren zeitlichen Vorsprung taxiere ich momentan auf etwa zwei Jahre.
Sie haben mächtig investiert und Kapazitäten für Umsätze im Industriegeschäft in einer Größenordnung von 30 bis 40 Mio. Euro geschaffen. Klingt fast nach Größenwahn.
Gosztonyi: Dieser neu entstehende Markt für Energieeffizienz von Basisstationen, die nicht an einem zuverlässigen Stromnetz angeschlossen sind, entsteht derzeit sehr schnell und wird nach unserer Schätzung mit etwa 1,2 Millionen Basisstationen weltweit ein Volumen von einigen Milliarden erreichen. In diesem Markt sind wir technologisch führend und entsprechend sehen wir das Potential, unsere Umsätze signifikant weiter zu steigern – auch deutlich über die genannten 30 bis 40 Mio. Euro. Um das aber in einem professionellen Markt wie dem Telekommunikationsmarkt erreichen zu können, brauchen wir kritische Masse und eine erfahrene Mannschaft, die die anstehenden Großprojekte akquirieren und dann auch liefern kann. Dazu haben wir eine Organisation aufgebaut und erfahrene Leute eingestellt, die nach unserer Schätzung ohne signifikanten weiteren Ausbau 30 bis 40 Mio. Umsatz realisieren kann. Wir arbeiten sehr intensiv mit einigen der Top 20 Mobilfunkunternehmen und erwarten durch entsprechende Aufträge in absehbarer Zeit eine weitere starke Skalierung unserer Umsätze.
In Ihrem zweiten Geschäftsfeld bieten Sie Lernsysteme etwa aus den Bereichen Brennstoffzellentechnik und Solar für akademische Einrichtungen an. Zuletzt hatte man den Eindruck, dass dieses Feld unter Ihrem Expansionskurs im Industriegeschäft gelitten hat. Wie sieht es derzeit hier aus?
Gosztonyi: Der Eindruck täuscht nicht, das Geschäft hat unter dem starken internen Fokus auf die Skalierung des Telekommunikationsgeschäftes gelitten. Diesen Trend haben wir nun u.a. mit der Einstellung eines dedizierten erfahrenen Managers für das Geschäft gestoppt. Nach einem deutlichen Umsatzrückgang in 2011 haben wir 2012 im Ausbildungsgeschäft wieder Erlöse von knapp 3 Mio. Euro erzielt. Im laufenden Jahr gehen wir von einer Rückkehr auf den Wachstumspfad aus, was wir in einem spürbaren Umsatzschritt in 2013 bereits sehen sollten. Die Bedeutung dieses Geschäftes geht aber über den bloßen Umsatz und Marge hinaus. Wir beliefern hier weltweit, auch in unseren Zielregionen im Telekommunikationsgeschäft, renommierte Universitäten und Schulungs- und Forschungseinrichtungen. Dadurch erhalten wir eine sehr positive Reputation in diesen Ländern. Das wiederum kommt dann auch dem Telekomgeschäft zugute.
Allein in den vergangenen zwei Jahren haben Sie fünf Kapitalerhöhungen durchgeführt. Nachdem der Mittelzufluss der Einzelmaßnahmen früher im Schnitt bei jeweils knapp 3 Mio. Euro lag, haben Sie Ende März mit 10,6 Mio. Euro einen recht großen Schluck aus der Pulle genommen.
Gosztonyi: Natürlich waren die kleinen Kapitalerhöhungen nicht unbedingt optimal. Man muss aber auch das damalige Börsen- und Firmenumfeld betrachten. Jetzt ist Heliocentris in einer ganz anderen Position. Wir haben die Basis für ein skalierendes Industriegeschäft gelegt und erste Erfolge beeindruckend aufgezeigt. Gezeichnet wurden die Aktien von strategischen Investoren und Partnern der Gesellschaft. Nach unserer Planung sind wir mit diesem Kapital bis zum Break-Even finanziert.
Die Analysten von Close Brothers Seydler (CBS) haben Ihre Ergebnisprognosen für Heliocentris kürzlich nach unten revidiert. Für 2013 rechnen die Banker mit einem Verlust je Aktie von 0,50 Euro. Zuvor hatten sie das erwartete Minus bei 0,13 Euro je Anteilschein angesiedelt. Was sagen Sie dazu?
Gosztonyi: Die Studie wurde Anfang 2012 erstellt. Im Laufe des Jahres 2012 wurde auf Basis der Indikationen aus dem Markt die Entscheidung getroffen, unser Team noch aggressiver auszubauen, um die sich ergebenden signifikanten Chancen besser greifen zu können. Dies, in Kombination mit der etwas geringeren Umsatzerwartung von CBS für 2013 von EUR 18,1 Millionen statt EUR 21,3 Millionen nach EUR 7,8 Millionen in 2012 erklären aus meiner Sicht diese Abweichung.
Rund sechs Prozent der Heliocentris-Aktien befinden sich noch im Besitz von bmp media investors. Der Venture Capitalist konzentriert sich mittlerweile auf Investments aus dem Mediensektor und weist den Heliocentris-Bestand daher nicht mehr im Beteiligungsportfolio, sondern im Wertpapierbestand aus. Droht von dieser Seite Abgabedruck?
Gosztonyi: bmp hat sich bereits 1999 an der Heliocentris beteiligt und seitdem das Unternehmen intensiv begleitet und bisher keine Anteile verkauft. Durch die Fokussierung der Investitionen auf den Bereich Media & Marketing Services fällt Heliocentris nicht mehr ins Kernportfolio. Somit wird sich bmp mittelfristig von seiner Beteiligung trennen. Sie können aber davon ausgehen, dass dies auf alle Fälle in enger Abstimmung mit dem Unternehmen und eher über Blocktrades erfolgen wird, so dass dies keine Auswirkungen auf die Kursentwicklung haben dürfte.
András Gosztonyi ist seit 2006 Finanzvorstand von Heliocentris. Er studierte Wirtschaftsgeografie und Betriebswirtschaft an Universitäten in Berlin, Kanada und den Vereinigten Staaten. Von 1996 bis 1998 arbeitete er für Kolpron Consultants, anschließend war bis 2002 bei der bmp AG tätig. Die Berliner Beteiligungsgesellschaft ist auch heute noch bei Heliocentris engagiert. Es folgte eine Tätigkeit bei dem Beratungsunternehmen Roland Berger. Von 2003 bis 2006 war der 1969 geborene Gosztonyi als freier Berater aktiv.