Unternehmen, die hohe Verluste hinter sich haben und vor der Gewinnschwelle stehen, üben einen enormen Reiz auf Börsianer aus. Verständlich: Sollte der Turnaround wirklich klappen, winken enorme Kursgewinne. Wir stellen drei besonders interessante Firmen vor.
Rund drei Viertel der von boersengefluester.de regelmäßig betrachteten Unternehmen haben diese Sorgen nicht. Sie schreiben Gewinne und müssen sich nicht mit Verlusten plagen. Das ist die gute Botschaft – vier Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise. Für etliche Gesellschaften, etwa aus dem Biotechnologiesektor, sind schwarze Zahlen aber auch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Doch es gibt eine Gruppe von Firmen, die nach einem oder mehreren Jahren in den Miesen, nun vor dem Turnaround stehen. Aus Anlegersicht sind die Aktien dieser Unternehmen besonders interessant. Sollte der avisierte Umschwung tatsächlich im gewünschten Maß eintreten, winken stattliche Kursgewinne. Voraussetzung ist, dass Anleger rechtzeitig einsteigen, Geduld mitbringen und die Entwicklung genau verfolgen. Denn frei von Risiken sind solche Spekulationen nicht. Boersengefluester.de präsentiert drei besonders interessante Turnaroundwetten.
Hart getroffen hat es BDI BioEnergy International (WKN: A0LAXT). 2012 rutschte der Umsatz des aus der Nähe von Graz stammenden Unternehmens sogar unter die Marke von 30 Mio. Euro. Aus dem operativen Geschäft erwirtschaftete der Spezialanlagenbauer für Biodiesel- und Biogasanlagen knapp 0,9 Mio. Euro Verluste. Damit nicht genug: Sonderabschreibungen von 3 Mio. Euro auf eine Tochter aus dem Segment Biogas sowie Entwicklungsaufwendungen führten unterm Strich zu einem saftigen Fehlbetrag von 4,4 Mio. Euro. Pro Aktie betrug das Minus 1,16 Euro. In den Jahren seit dem Börsengang im September 2006 hatte BDI zuvor stets profitabel gearbeitet und EBIT-Margen (Gewinn vor Zinsen und Steuern in Relation zum Umsatz) von im Schnitt 7,5 Prozent erzielt. Doch die Rahmenbedingungen hatten sich seit dem IPO kontinuierlich verschlechtert. Potenzial für den Bau von Biodieselanlagen sieht die Gesellschaft nunmehr vor allem bei künftigen EU-Mitgliedsstaaten. Um das Geschäft auf eine breitere Basis zu stellen, will sich BDI zu einem Komplettanbieter für industrielle Greentech-Lösungen präsentieren.
An der Börse herrscht noch Skepsis. Nachdem die BDI-Aktie vor zwei Jahren für 23 Euro gehandelt wurde, sackte die Notiz im Tief auf knapp 6 Euro. Zurzeit kostet der Anteilschein etwa 7 Euro. Damit bringt die Gesellschaft 27 Mio. Euro auf die Börsenwaagschale, was einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von rund 0,9 entspricht. Das ist vergleichsweise günstig, angesichts der noch unbefriedigenden Ergebnisausbeute aber auch kein wirkliches Schnäppchen. Interessante Details bringt ein Blick in die Bilanz: So verfügen die Grambacher neben liquiden Mitteln von 12,7 Mio. Euro über Wertpapiere im Volumen von knapp 23,1 Mio. Euro – macht zusammen rund 35,8 Mio. Euro. An Finanzverbindlichkeiten ist nur ein Darlehen des Forschungsförderungsfonds über 0,43 Mio. Euro erkennbar. Die Eigenkapitalquote beträgt beinahe 68 Prozent. Allein der Buchwert je Aktie beläuft sich auf 13,30 Euro. Hoffnung macht auch der deutlich verbesserte Auftragsbestand. „Die Basis für eine Rückkehr zu einem positiven Geschäftserfolg ist damit gelegt“, betont der Vorstand im aktuellen Geschäftsbericht. Die Analysten von Madelin Research kommen daher zu dem Schluss: „Ein Aktienkurs spürbar unterhalb des Nettocashs, ist aus unserer Sicht schwer zu argumentieren.“ Den Fairen Wert für die BDI-Aktie setzen die Experten bei 14,50 Euro an. Das wäre ein glatter Verdoppler. Die Zahlen zum ersten Jahresviertel bestätigten die Operation Turnaround. Bei einem Erlösanstieg um 23 Prozent auf 7,9 Mio. Euro verharrte das EBIT bei 0,3 Mio. Euro. Das Ergebnis je Aktie lag mit 0,13 Euro nur ganz leicht unter dem vergleichbaren Vorjahreswert. „In Verbindung mit der aktuelle Projektpipeline scheint die Auslastung der Kapazitäten in 2013 sichergestellt”, berichtet der Vorstand.
Vertrauen zurückgewinnen heißt es auch für Seven Principles (WKN: 594154). Der Spezialist für IT-Consulting verfehlte 2012 die eigenen Vorgaben gnadenlos und fuhr – bei Erlösen von 97,5 Mio. Euro – einen Verlust von 0,64 Mio. Euro ein. Vor allem der organisatorische Umbau der größten Tochtergesellschaft schlug ins Kontor. Doch Vorstandschef Jens Harig blickt zuversichtlich nach vorn: „Ziel ist es, 2013 wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren und eine signifikant verbesserte, profitable Geschäftsentwicklung zu erreichen.“ Die wichtigsten Kunden der Kölner kommen aus den Bereichen Telekommunikation, Finanzen, Logistik und Energie.
Von den Tiefstständen bei rund 4 Euro hat sich die „7P-Aktie“ bereits gelöst, doch beim aktuellen Kurs von gut 5 Euro sind die vor einem Jahr aufgerufenen Notierungen im Bereich um 8 Euro noch ein ordentliches Stück entfernt. Für 2013 rechnet Harig mit einem Erlösplus auf 100 Mio. Euro. Die Marge dürfte sich vor allem im ersten Halbjahr noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau bewegen, da die Reorganisation noch immer nicht abgeschlossen ist. Insgesamt soll der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) im Gesamtjahr auf mehr als 3 Mio. Euro klettern. Zum Vergleich: 2010 sprang bei Umsätzen von 79 Mio. Euro ein EBITDA von 4,4 Euro heraus. Mit den Zahlen zum ersten Quartal 2013 waren die Analysten der VEM Aktienbank zufrieden, wenngleich sich Seven Principles immer noch im Verlustbereich bewegte. Klar ist: 2013 wird eine Art Übergangsjahr, bevor 2014 dann wieder die gewohnten Wachstumsraten zu erwarten sind. Auf dem aktuellen Kursniveau können Anleger aber schon jetzt nicht viel verkehrt machen. Der Börsenwert von 20 Mio. Euro entspricht nur 20 Prozent der erwarteten Umsatzerlöse und liegt leicht unterhalb des Buchwerts. Das Kursziel der VEM-Experten beträgt 6,20 Euro. Auf diesem Niveau käme der Small Cap dann auf eine Kapitalisierung von 25 Mio. Euro. Deutlich forscher ist SMC Research: Das Analysehaus aus Münster sieht das Papier erst bei 10,81 Euro fair bewertet. „Wir gehen weiter davon aus, dass Seven Priciples im laufenden Jahr die Rückkehr zu Profitabilität gelingt”, sagt SMC-Analyst Adam Jakubowski.
Wem solche Größenordnungen bei der Aktienauswahl nicht behagen, sollte einen Blick auf das Papier von Salzgitter (WKN: 620200) werfen. Zurzeit machen die meisten Anleger einen weiten Bogen um alles, wo Stahl drauf steht. Mittlerweile kostet der MDAX-Titel nur noch rund die Hälfte von dem, was Investoren vor zwei Jahren bezahlen mussten. Die Kursziele der meisten Verkaufsstudien sind längst erreicht. Nur sieben von 31 Analysten, die Aktie derzeit covern, trauen sich eine Kaufempfehlung abzugeben. Für 17 Beobachter ist Salzgitter eine Halten-Position, sieben Experten raten zum Verkauf. Nachdem für 2012 ein Verlust von knapp 100 Mio. Euro anfiel, rechnete der Vorstand für das laufende Jahr ursprünglich mit einem Ergebnis im unteren zweistelligen Millionen-Bereich. Doch daraus wird zunächst einmal nichts. Anfang Mai korrigierte das Management diese Vorhersage auf einen Verlust im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich. Angesichts der anhaltend roten Zahlen ist die Salzgitter-Aktie also eine Turnaroundspekulation mit Blick auf das Jahr 2014.
Doch dafür gibt es die Salzgitter-Aktie mit einem Abschlag von immerhin 50 Prozent auf den aktuellen Buchwert. Auch nach Abzug der Finanzverbindlichkeiten bleiben gut 240 Mio. Euro an Nettocash in der Bilanz stehen. Das sind 4 Euro pro Anteilschein. Große Erwartungen an die Dividende sollten Anleger allerdings nicht mitbringen. Auf der Hauptversammlung am 23. Mai wird eine auf 0,25 Euro je Aktie reduzierte Dividende vorgeschlagen. Das entspricht einer Rendite von gerade einmal 0,8 Prozent. Eins ist jedoch offensichtlich: Sollten die Signale von der Stahlfront besser werden, wird die Salzgitter-Aktie den Turbo zünden. Wann das sein wird, steht derzeit allerdings in den Sternen. Eine heiße Turnaround-Spekulation also – dafür aber mit großem Airbag bei der Bewertung.