Bestimmt kennen Sie diesen Satz – immerhin endet so oder ähnlich vermutlich jede dritte Empfehlung in der einschlägigen Finanzpresse (boersengefluester.de nimmt sich da gar nicht aus): „Mit einem KGV von xx,x ist die Aktie nicht zu teuer und hat daher weiteres Potenzial.“ Doch was heißt das eigentlich genau mit dem KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis), und warum ist ausgerechnet diese Kennzahl so populär? Zumindest der zweite Teil der Frage ist relativ einfach zu beantworten. Beliebt ist das KGV insbesondere deswegen, weil es so simpel zu berechnen ist. Man teilt einfach den Aktienkurs durch den Gewinn je Aktie und weiß sofort, was los ist: Je kleiner das Ergebnis, desto vorteilhafter. Tatsächlich gibt es jedoch etliche Spielarten des KGV und Privatanleger tun gut daran, sich ein wenig mit den Hintergründen und der Interpretation der jeweiligen Ergebnisse zu beschäftigen. Und damit nicht alles graue Theorie ist und die Analyse so viel Spaß wie möglich macht, hat boersengefleuster.de sein Repertoire an KGV-Heatmaps jetzt deutlich aufgestockt. Neu hinzugekommen sind die Heatmaps Shiller-KGV, 10-Jahres-Duchschnitts-KGV und die Relation EV/EBITDA (Enterprise Value / Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen).
Wer den Begriff „Heatmap“ noch nie gehört hat: Es handelt sich um die optische Darstellung von bestimmten Merkmalen über unterschiedliche Farbgebungen. Die bekannteste Heatmap ist wohl die Wetterkarte im Fernsehen mit dem roten und blauen Feldern, die die jeweilige Temperatur anzeigen. Nach dem selben Prinzip lassen sich auch Aktienkennzahlen visualisieren. Boersengefluester.de setzt seit jeher auf diese innovative Technik, die wir auch zur Darstellung von All-Time-Highs, Dividendenrenditen, Marktkapitalisierungen und den Abständen zur 200/60-Tage-Linie sowie der 52-Wochen-Performance der von uns gecoverten Aktien verwenden. Doch zurück zum KGV. Der Klassiker ist das „normale“ KGV – in diesem Fall berechnet auf Basis der von boersengefluester.de selbst durchgeführten Gewinnschätzungen für das Jahr 2017.
1. Heatmap: Kurs-Gewinn-Verhältnis 2017
Grundsätzlich setzt das KGV den Aktienkurs einer Firma in Relation zum Ergebnis je Aktie und beantwortet damit die Frage: Mit dem Wievielfachen des Jahresgewinns wird ein Unternehmen bewertet? Bei einem KGV von beispielsweise 10,0 müsste ein Investor zehn Jahre warten, bis er seinen Einsatz wieder zurück hat. Vorausgesetzt: Die Gesellschaft schüttet den Jahresgewinn jeweils komplett aus und die Firma erzielt zehn Jahre lang den gleichen Überschuss. Das macht deutlich, dass das KGV ein Gradmesser für nicht gerade realistische Annahmen ist. Daher gibt es jede Menge verschiedenen Spielarten: Eine Variante ist, den aktuellen Aktienkurs durch das im jüngsten Geschäftsbericht ausgewiesene Ergebnis je Aktie zu teilen. Dies hat den Vorteil, dass es sich um eine testierte Größe handelt und unliebsame Überraschungen durch falsch geschätzte Zukunftserträge ausgeklammert sind. In der Praxis sind solche historischen KGVs (im angelsächsischen „Current P/E“ genannt) jedoch eher selten anzutreffen. Börsianer schauen nun mal gern in die Zukunft. Und der reine Blick in den Rückspiegel hilft bei der Bewertung von Unternehmen nur bedingt weiter.
Am gebräuchlichsten ist es daher, das KGV auf die Gewinne des kommenden Jahrs – oder gar für eine noch weiter in der Zukunft liegende Zeitspanne – zu berechnen. Die einschlägigen Finanzseiten im Internet und auch die meisten Anlegermagazine beziehen sich dabei auf die Durchschnittswerte der Analystenschätzungen. Dies ist wichtig zu wissen, denn der „Konsens“ liegt nicht zwangsläufig richtig – und ist obendrein relativ träge. Wenn eine Aktie etwa von 20 Analysten gecovert wird, kann es dauern, bis die neuesten Entwicklungen vollständig in den Schätzungen eingeflossen sind. Zur Beruhigung: Bei bekannten Indexwerten ist die Qualität der Gewinnprognosen meistens sehr ordentlich. Je kleiner die Firmen sind, desto mehr Obacht ist allerdings angebracht. Insbesondere aus diesem Grund setzt boersengefluester.de ausschließlich auf eigene Gewinnschätzungen.
Beim Shiller-KGV haben wir einen Mittelwert aus den Ergebnissen je Aktie der vergangenen zehn Jahre gebildet und setzen diese Zahl in Relation zum gegenwärtigen Aktienkurs. Dieser Gewinn je Aktie stellt dann quasi einen Querschnitt aus einem größeren Konjunkturzyklus dar. Vorteil: Bei einem „normalen” KGV bezieht sich der Nenner (momentan ist das 2019) nur auf ein einzelnes Jahr, welches wirtschaftlich besonders gut oder aber auch schlecht gewesen sein kann. Daher waren die KGVs während der Finanzkrise 2008 und 2009 auch extrem hoch und lieferten häufig keine sinnvollen Aussagen. Umgekehrt sind Boomjahre auch kein idealer Maßstab. Dieser Schwachpunkt wird mit dem Shiller-KGV zum Teil behoben. Allerdings ist auch das Shiller-KGV nicht frei von Schwächen: Da die meisten Gesellschaften im Zeitablauf tendenziell höhere Gewinne ausweisen, fällt der Mittelwert des Ergebnisses je Aktie im Normalfall merklich geringer aus als beim Blick auf ein einzelnes Jahr in der Zukunft. Daher ist das Shiller-KGV regelmäßig spürbar höher als das 2019er-KGV. Dennoch: Zur weiteren Einschätzung einer Aktie finden wir diese Kennzahl durchaus hilfreich. Dabei verwendet der Ökonom Robert Shiller in der ursprünglichen Version auch beim Aktienkurs nicht die tagesaktuelle Notiz, sondern einen monatlichen Mittelwert. Auf diese Variante haben wir aus Praxisgründen allerdings verzichtet, zumal die Unterschiede meist nicht so enorm sind. Letztlich hätte der zusätzliche Rechenaufwand für uns hier in keiner vernünftigen Relation zum Erkenntnisgewinn gestanden.
3. Heatmap: 10-Jahres-Duchschnitts-KGV
Bei den von boersengefluester.de ermittelten Zehn-Jahres-Durchschnitten für das KGV gehen wir einen anderen Weg als beim Shiller-KGV – sowohl was den Aktienkurs angeht als auch die Berechnung des Ergebnisses je Aktie. Bei dieser Variante bilden wir sozusagen zehn kleine Pakete – momentan aus den Jahren 2007 bis 2016 – und bilden daraus den Mittelwert. Konkret: ((Jahresschlusskurs 2007/Ergebnis je Aktie 2007) + (Jahresschlusskurs 2008/Ergebnis je Aktie 2008) + … + (Jahresschlusskurs 2015/Ergebnis je Aktie 2015)+ (aktueller Kurs 2016/Ergebnis je Aktie 2016))/10. Der so ermittelte 10-Jahres-Durchschnitt ist regelmäßig deutlich niedriger als das entsprechende Shiller-KGV. Das liegt in erster Linie daran, weil die mit den jeweiligen Jahren korrespondierenden Aktienkurse meist niedriger sind als die beim Shiller-KGV verwendete aktuelle Notiz von 2016. Per saldo halten wir die 10-Jahres-Durchschnitts-Werte damit für eine sehr nutzwertige Ergänzung zum „normalen“ KGV und dem Shiller-KGV. Wichtig für Privatanleger: Auch beim langfristigen Durchschnitts-KGV gilt es genau zu schauen. Die einfache Formel „Aktuelles KGV < 10-Jahres-KGV = Kaufen” (und umgekehrt) kann schnell in die Irre führen. Mitunter gibt es triftige Gründe dafür, dass sich die KGVs im Zeitablauf ändern. Das kann an Branchenthemen wie zum Beispiel der Energiewende liegen. Mitunter verschieben sich aber auch gesamte „Markt-KGVs”, etwa wenn sich die Zinslandschaft komplett verändert und Anleihen keine vernünftige Anlagealternative sind. Der durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken ausgelöste Börsenaufschwung der vergangenen Jahre hat hier seine wesentlichen Ursachen.
4. Heatmap: EV/EBITDA (Enterprise Value / Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen)
Jetzt bitte nicht abschalten, weil der Name EV/EBITDA sich so sperrig liest. Mit dieser Kennzahl geben wir Ihnen aber ein Analysemittel zur Hand, das viele Schwächen der traditionellen KGVs (egal ob normales KGV, „Current P/E“, Shiller-KGV, langfristiger KGV-Durchschnitt) ausbügelt. Der Enterprise Value (EV) setzt sich zusammen aus Marktkapitalisierung plus Finanzschulden minus Finanzguthaben. Vorteil: Mit Hilfe des EV werden unterschiedlich finanzierte Unternehmen vergleichbar gemacht, was beim herkömmlichen KGV so nicht der Fall ist. Der Enterprise Value – auch Unternehmenswert genannt – gibt also den Preis an, den ein Investor zahlen müsste, wenn er die entsprechende Gesellschaft frei von Schulden und Guthaben kaufen wollte. Das EBITDA wiederum beschreibt das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – zielt also auf das komplett operative Ergebnis ab. Auch das erhöht die Vergleichbarkeit einzelner Firmen, die im Regelfall unterschiedlichen steuerlichen Belastungen, Abschreibungen bzw. Zinsergebnissen ausgesetzt sind. Ansonsten gilt auch für die Relation EV/EBITDA: Je niedriger, desto günstiger.