Überraschende Neuigkeiten bei Hawesko: Der über die Tocos Beteiligungs GmbH bereits mit 29,5 Prozent bei dem Weinhändler engagierte Multimillionär Detlev Meyer will sein Paket aufstocken und gibt ein Übernahmeangebot in Höhe von 40 Euro je Hawesko-Aktie ab. Meyer ist Gründer der von ihm 2004 verkauften Modefirmen Street One und Cecil. Außerdem gehört der Textilfachmann zum Förderkreis des Fußballbundesligisten Hannover 96 – gemeinsam mit Martin Kind und dem Drogeriekönig Dirk Roßmann, der unter anderem auch bei dem Kunststoffverarbeiter Simona engagiert ist. Viele Informationen zu der Hawesko-Offerte gibt es gegenwärtig nicht, da die Angebotsunterlage noch nicht veröffentlicht ist. Insbesondere fehlen konkrete Angaben, an welche Bedingungen – etwa in Form einer Mindestannahmequote – die Offerte gebunden ist. Offen ist auch, wie sich Vorstandschef Alexander Margaritoff, er hält 30 Prozent der Anteile, verhalten wird.
„Mit dem vorgelegten Angebot möchte Tocos das langfristige Engagement an Hawesko sichern und strebt die Position als größter Ankeraktionär an”, heißt es offiziell. Zudem will Tocos „das bestehende Management dabei unterstützen, die strategische Weiterentwicklung fokussiert voranzutreiben, die Geschäftstätigkeit auszubauen und insbesondere internationale Märkte für die Hawesko-Gruppe zu erschließen.” Klingt alles nach bestem Management-Sprech. Spürbare Veränderungen wird es – sollte die Offerte Erfolg haben – aber auch für die freien Aktionäre geben. Neben dem sympathischen Stammgeschäft, dürften die meisten Investoren Hawesko insbesondere wegen der attraktiven Dividendenpolitik die Treue halten. In den vergangenen zehn Jahren schüttete die Gesellschaft im Schnitt rund 80 Prozent ihrer Gewinne aus. Dividendenrenditen nördlich von vier Prozent waren damit die Regel.
Nach Ansicht von Meyer bleiben damit zu wenig Eigenmittel im Unternehmen. Sein Plan ist es, die Ausschüttungsquote auf etwa 40 bis 50 Prozent vom Gewinn zu beschneiden. Damit würde Hawesko auf einen Schlag vom Dividendenhit ins graue Mittelmaß zurückfallen. Das muss nicht zwangsläufig verkehrt sein, denn schließlich hinkte die Hawesko-Aktie dem SDAX – bis September 2014 gehörte der Titel dem Small-Cap-Barometer an – zuletzt meist hinterher. Das hatte sicher auch Gründe, die Meyer nicht hätte vermeiden können – etwa die schwierige Entwicklung für hochwertige Bordeaux-Weine. Dennoch ist die große Fokussierung auf den Inlandsmarkt womöglich doch ein Bremsklotz. Immerhin 88 Prozent der Erlöse entfielen 2013 noch immer auf Deutschland; trotz aller Bemühungen, das Auslandsgeschaäft zu forcieren.
Aus Anlegersicht ist der Vorstoß von Meyer damit zunächst einmal zu begrüßen. Wirklich zufrieden konnten die Aktionäre mit der jüngsten Performance schließlich nicht sein. Bleibt abzuwarten, welchen Verlauf die Offerte nehmen wird. Die gebotenen 40 Euro sind sicher kein Preis, bei dem man zwangsläufig schwach werden muss. Vorerst besteht also kein Handlungsbedarf. Wer den Titel im Depot hat, sollte engagiert bleiben. Für Zukäufe ist es derzeit noch zu früh. Eine komplette Neueinschätzung der Aktie ist momentan wohl nicht erforderlich. Kurios: Nur einen Tag vor der überraschenden Offerte hatte Hawesko den Bericht für die ersten drei Quartale vorgelegt. Die Zahlen lagen weitgehend im Rahmen der Erwartungen. Allerdings rechnet die Gesellschaft für das Gesamtjahr 2014 nur noch mit einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) in einer Bandbreite 24 bis 25 Mio. Euro in Aussicht. Zum Halbjahr lag die Zielvorgabe noch bei 26 Mio. Euro. Ins Jahr gestartet war Hawesko mit einer EBIT-Prognose von 27 bis 28 Mio. Euro. Ausgerechnet höhere Beraterhonorare „im Rahmen der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Konzerns” sorgten per Ende Juni für den Ergebnisknick. Möglicherweise hat sich hier ein Strategieschwenk bereits abgezeichnet. Außerdem gab es im Sommer noch eine bemerkenswerte Personalie: Per Anfang August zog nämlich der langjährige Linde-Vorstand und frühere BMW-Boss Wolfgang Reizle in den Aufsichtstrat bei Hawesko ein. Viel Bewegung also momentan bei der sonst so gemütlichen Hawesko-Aktie.