Für die meisten Privatanleger sind wohl die Aktien am interessantesten, mit denen man möglichst wenig Stress hat. Sprich: Solide Dividendenrendite, robustes Geschäftsmodell und keine allzu wilden Kursschwankungen. Jahrelang passte dieses Profil perfekt auf den Weinhändler Hawesko Holding, auch wenn die Aktie zwischen 2012 und 2016 kaum vom Fleck kam. Immerhin stand der Titel damals für eine Dividendenrendite von jährlich etwas mehr als drei Prozent. Im vergangenen Jahr wurde es dann aber erstmals richtig ungemütlich für die Investoren von Hawesko. Ein wesentlicher Grund für den Kursrutsch von gut 50 Richtung 30 Euro war die unglücklich gelaufene Übernahme des österreichischen Platzhirschen Wein & Co (siehe dazu unseren Beitrag HIER). Zudem hat der immer wichtiger werdende Online-Versand schlagkräftige Wettbewerber wie zum Beispiel Vicampo hervorgebracht. Von den vielen kleinen Weingeschäften im Netz ganz zu schweigen.
Nicht gerade reibungslos lief darüber hinaus die Inbetriebnahme des neuen Großhandelslagers in Worms. Den Rest besorgte im März 2020 die massive Unsicherheit im Zuge der Corona-Krise, als die Notiz im Tief bis auf unter 22 Euro rauschte – was etwa dem Niveau von 2009 entspricht. Doch allmählich besinnen sich die Anleger wieder auf die Stärken von Hawesko. Die Zahlen für das abgelaufene Jahr sehen trotz aller zwischenzeitlichen Belastungen mit einem Anstieg des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 27,70 auf 29,15 Mio. Euro nämlich gar nicht mal so verkehrt aus, selbst wenn das Betriebsergebnis durch dem Verkauf einer nicht mehr benötigten Lagerimmobilie um 4,0 Mio. Euro positiv stimuliert wurde. Das Ergebnis je Aktie fiel derweil insbesondere durch das deutlich schlechtere Finanzergebnis im Zuge der geänderten Ansetzung von Leasingverbindlichkeiten um deutliche 28 Prozent auf 1,76 Euro zurück.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 506,99 | 524,30 | 556,01 | 620,27 | 680,53 | 671,48 | 660,28 | |
EBITDA1,2 | 38,57 | 36,24 | 50,63 | 65,57 | 75,21 | 61,82 | 56,07 | |
EBITDA-Marge3 | 7,61 | 6,91 | 9,11 | 10,57 | 11,05 | 9,21 | 8,49 | |
EBIT1,4 | 30,42 | 27,70 | 29,15 | 42,15 | 53,08 | 39,08 | 24,17 | |
EBIT-Marge5 | 6,00 | 5,28 | 5,24 | 6,80 | 7,80 | 5,82 | 3,66 | |
Jahresüberschuss1 | 19,17 | 22,90 | 16,25 | 24,19 | 34,25 | 26,16 | 8,76 | |
Netto-Marge6 | 3,78 | 4,37 | 2,92 | 3,90 | 5,03 | 3,90 | 1,33 | |
Cashflow1,7 | 13,79 | 26,08 | 33,60 | 81,03 | 49,00 | 36,76 | 27,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,06 | 2,45 | 1,76 | 2,65 | 3,74 | 2,85 | 0,90 | |
Dividende8 | 1,30 | 1,30 | 1,75 | 2,00 | 2,50 | 1,90 | 1,30 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Wichtig für renditeorientierte Anleger: Die Dividende soll bei 1,30 Euro je Aktie bleiben, auch wenn derzeit noch kein HV-Termin feststeht. Das eigentlich avisierte Datum 15. Juni 2020 wird sich aufgrund der aktuellen Ereignisse kaum halten lassen. Nun: Vermutlich wird es auch bei den Hamburger auf eine virtuelle Aktionärsversammlung hinauslaufen. Auf dem aktuellen Kursniveau von 29 Euro kommt der Spezialwert damit auf eine Rendite gut 4,4 Proznet. Der Ausblick für das laufende Jahr sieht „im Grundszenario“ ein Umsatzplus von rund drei Prozent auf dann etwas mehr als 570 Mio. Euro vor. Die EBIT-Marge veranschlagt der Vorstand auf eine Bandbreite von 5,0 bis 5,5 Prozent – entsprechend einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern von im Mittel etwa 30 Mio. Euro. Dabei stellt sich aktuelle Lage in Kurzform etwa so da: Der Weinverkauf an Privatkunden über Kanäle wie Hawesko, Jacques’ oder wirwinzer.de läuft super gut, während das Gastronomiegeschäft zurzeit am Boden liegt und sich wohl auch nur sehr langsam wieder einigermaßen berappeln dürfte. Bleibt also abzuwarten, wie sich die Lage in den kommenden Quartalen entwickeln wird.
Auf die lange Sicht sollte der Trend jedoch nach oben zeigen. Perspektivisch peilt das Management sogar EBIT-Renditen von rund sieben Prozent an. Ein Niveau, was es zuletzt in den Jahren 2008 bis 2010 gab. Eine durchaus sportliche Vorgabe also. Auf der Habenseite von Hawesko bleibt die weiterhin sehr solide Bilanz, die in dieser Ausprägung sonst so wohl nur wenige Wettbewerber vorzuweisen haben. Gerade in unsicheren Zeiten ein immenser Vorteil. Die jüngsten Kursziele der Analysten bewegen sich zwischen 30 und 36 Euro, signalisieren also nicht mehr fürchterlich viel Potenzial nach oben. Da davon sollten sich Anleger jedoch nicht unbedingt abschrecken lassen. Nach Auffassung von boersengefluester.de ist das Unternehmen gut aufgestellt und sollte von einer zu erwartenden Marktbereinigung eher profitieren. Und wenn alles gut läuft, wird die Hawesko-Aktie auch wieder ein richtig schöner „Langeweiler“ – und das ist jetzt positiv gemeint: Eben ein Titel mit verlässlicher Dividende und gebremster Volatilität. Und für ein Investment muss man noch nicht einmal zwangsläufig der geborene Weinliebhaber sein.
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