Ein wenig erinnert die aktuelle Chartsituation von Hapag-Loyd an den Kursverlauf von KUKA im Herbst 2017. Damals spekulierten die Börsianer darauf, dass der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea sich auch noch die letzten Stücke an dem Anbieter von Robotersystemen und Fertigungsmaschinen sichern wolle – ohne Rücksicht auf den Preis. Und so schoss die Notiz von KUKA innerhalb weniger Wochen von 120 auf 250 Euro in die Höhe. Doch die Rechnung ging nicht auf. Midea verhielt sich still, zudem musste auch KUKA seine Prognosen kürzen. Aktuelle Notiz: Etwas mehr als 40 Euro. Bei Hapag-Lloyd hat der Börsenwahnsinn noch nicht ganz so dramatische Züge angenommen. Doch eine Verdopplung des Aktienkurses auf nun knapp 80 Euro seit Jahresmitte 2019 ist auch nicht unbedingt alltäglich. Keine Frage: Der Reedereikonzern hat nach dem Zusammenschluss mit CSAV aus Chile und der arabischen Reederei UASC enorme operative Fortschritte gemacht. Das zeigen die kürzlich vorgelegten Neun-Monats-Zahlen mit einem Anstieg des Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 299,1 auf 642,8 Mio. Euro nur zu deutlich.
Für das Gesamtjahr dürften die Hamburger bis dicht an die Obergrenze der angepeilten EBIT-Spanne von 500 bis 900 Mio. Euro kommen. Zum Vergleich: Der Börsenwert des ehemaligen SDAX-Konzerns erreicht zurzeit 13.903 Mio. Euro – bei einem Eigenkapital von annähernd 6.700 Mio. Euro. Nun hat der scheidende chilenisch Finanzvorstand Nicolás Burr bei seiner Präsentation auf dem Hamburger Investorentag HIT im Sommer eindrucksvoll erklärt, wie sehr sich die Aussichten von Hapag-Lloyd im weltweiten Wettbewerb verbessert haben und was noch alles an zukunftsträchtigen Projekten ansteht – etwa im Bereich Digitalisierung.
Fakt dürfte aber wohl trotzdem sein, dass die Bewertung der Aktie zu einem maßgeblichen Teil durch den immer knapper werdenden Streubesitz gekennzeichnet ist. Gerade einmal 4,5 Prozent der Anteile – entsprechend 626 Mio. Euro – befinden sich im Freefloat, nachdem die CSAV Germany Container Holding sowie die Kühne Holding ihre Positionen im dritten Quartal 2019 auf 27,8 bzw. 29,2 Prozent aufgestockt haben. Auf mehr als 30 Prozent will Logistikunternehmer Klaus-Michael-Kühne freilich nicht gehen, wie er kürzlich durchblicken ließ. Trotzdem: Normalerweise sind Squeeze-out-Spekulationen bei einem derart niedrigen Streubesitz beinahe zwangsläufig. Allerdings ist die Lage bei Hapag-Lloyd sehr viel komplizierter, immerhin kontrollieren gleich fünf Großaktionäre das Unternehmen. Und so ließ CFO Burr im Sommer auch keinen Zweifel daran, dass Hapag-Lloyd auch künftig eine börsennotierte Gesellschaft bleiben wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 9.973,40 | 11.515,10 | 12.607,90 | 12.772,40 | 22.273,50 | 34.542,70 | 17.929,50 | |
EBITDA1,2 | 1.054,50 | 1.138,10 | 1.985,80 | 2.700,40 | 10.852,60 | 19.428,70 | 4.461,00 | |
EBITDA-Marge3 | 10,57 | 9,88 | 15,75 | 21,14 | 48,72 | 56,25 | 24,88 | |
EBIT1,4 | 410,90 | 443,00 | 811,40 | 1.315,20 | 9.389,80 | 17.524,50 | 2.531,70 | |
EBIT-Marge5 | 4,12 | 3,85 | 6,44 | 10,30 | 42,16 | 50,73 | 14,12 | |
Jahresüberschuss1 | 32,10 | 46,00 | 373,40 | 935,40 | 9.085,00 | 17.042,60 | 2.950,60 | |
Netto-Marge6 | 0,32 | 0,40 | 2,96 | 7,32 | 40,79 | 49,34 | 16,46 | |
Cashflow1,7 | 893,90 | 1.072,90 | 2.028,20 | 2.897,90 | 10.410,00 | 19.503,30 | 4.966,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,19 | 0,21 | 2,06 | 5,27 | 51,63 | 96,89 | 16,70 | |
Dividende8 | 0,57 | 0,15 | 1,10 | 3,50 | 35,00 | 63,00 | 9,25 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Auf die mittlere bis lange Sicht scheint das Bekenntnis zur Börse aber nur sinnvoll, wenn der Streubesitz in höhere Dimensionen zurückkehren würde. Sprich: Einer oder mehrere – der teilweise gemeinsam agierenden – Investorengruppen müssten Aktien platzieren. Das wiederum dürfte in erster Linie eine Funktion des Preises sein. Noch signalisiert die Notiz freilich einen einigermaßen nachvollziehbaren Kontakt zum Boden – was mit Blick auf das bereits erreichte Kursniveau durchaus eine bemerkenswerte Botschaft ist. An dieser Stelle muss sich boersengefluester.de allerdings auch an die eigene Nase fassen, denn vielleicht hätte man doch erkennen können, was für einschneidende Veränderungen bei Hapag-Lloyd abzeichnen. Nun: Jetzt steht der Kurs bei knapp 80 und nicht mehr 40 Euro. Dennoch: Das Beispiel KUKA hat gezeigt, dass solche Spekulation auch sehr schnell überschießen können. Insgesamt eignet sich der weiterhin im Prime Standard gelistete Titel von Hapag-Lloyd daher nur für sehr spekulativ orientierte Anleger, die voll auf Relative Stärke setzen.
Foto: Hapag-Lloyd AG