Kurstechnisch hatte sich boersengefluester.de in den vergangenen Monaten deutlich mehr versprochen von der HanseYachts-Aktie. Doch die Notiz des Greifswalder Bootsbauers hat einen schweren Stand. Daher haben wir bei Vorstandssprecher Dr. Jens Gerhardt nachgefragt und um Einschätzungen zu den aktuellen Trends auf dem Bootsmarkt sowie zu den neuesten Geschäftszahlen gebeten. Auch wenn die kürzlich vorgelegten Halbjahresresultate noch relativ verhalten aussahen, zeigt sich Vorstand Gerhardt insgesamt zuversichtlich und bestätigt die Prognose für das Gesamtjahr, wonach mit einem positiven Ergebnis zu rechnen ist – trotz der Belastungen aus der neu zu dem Konzern gekommenen Katamaranmarke Privilège. Keine Sorge bereitet ihm auch ein möglicher (Teil)-Exit von Großaktionär Aurelius. Zudem will Gerhard der Kommunikation mit Investoren und Anlegern einen höheren Stellenwert einräumen. Insgesamt steht die Chancen für unseren Geschmack gar nicht mal so schlecht, dass der Small Cap wieder frischen Wind bekommt. Bewertungstechnisch hat der Titel ohnehin viel Luft nach oben.
Herr Dr. Gerhardt, wir hatten im Januar während weltgrößten Branchenmesse boot in Düsseldorf bereits kurz gesprochen (HIER). Damals zeigten Sie sich sehr zufrieden mit dem Messeverlauf. Hat sich dies im Nachgang auch in Ihren Orderbüchern niedergeschlagen?
Dr. Jens Gerhardt: Ja, das große Besucherinteresse hatte einen sehr positiven Einfluss auf unsere Auftragsbücher. Dies war meine neunte Teilnahme an der boot in Düsseldorf und die beste, die ich bisher erlebt habe. Es befinden sich viele Länder auf Rekordniveau, besonders Deutschland, Schweiz und Holland. Das größte Wachstum weltweit findet derzeit allerdings in Griechenland statt. Nach zehn sehr verhaltenen Jahren gibt es dort einen enormen Nachholbedarf. Wir hatten Besucher aus aller Welt, so kam beispielsweise ein Ehepaar extra aus Australien, um sich einen Privilège-Katamaran durchrechnen zu lassen.
Wie gut sind denn die Bücher Ihrer neuen Katamaran-Marke Privilège insgesamt gefüllt?
Dr. Gerhardt: Privilège hat derzeit das größte Orderbuch in der Firmengeschichte. Die neue 510 schwimmt seit einer Woche und sieht sehr schnittig aus. Sie hat mehr Stehhöhe und größere Scheiben als frühere Privilège-Katamarane, aber weder an Seetüchtigkeit noch an ihrem schlanken Aussehen dafür eingebüßt. Das war die größte Entwicklung und auch die sperrigsten Bauteile, die Hanse je gebaut hat. Ich werde sie in zwei Wochen auf dem Atlantik Probesegeln und bin schon sehr gespannt.
Welche weiteren Modelle der Hanse Group sind in der laufenden Saison besonders gefragt?
Dr. Gerhardt: Eindeutig die 8ter Serie von Hanse. Wir haben im Vorjahr unsere Stammmarke Hanse neu positioniert und hochwertiger gestaltet. In diesem Jahr stehen diese Innovationen zum ersten Mal die gesamte Saison zur Verfügung und entsprechend haben sie bei uns auch deutlich Anteile gewonnen. Besonders die Hanse-Modelle 388 und die 458 verkaufen sich in hohen Stückzahlen. In der Folge daraus verkaufen wir 2020 auch deutlich mehr Segelboote.
Die jetzt vorgelegten Halbjahreszahlen sind eher verhalten ausgefallen. Was waren die Gründe für den Umsatzrückgang gegenüber Vorjahr?
Dr. Gerhardt: Wir hatten einen schwierigen August in 2019, dies war auch im Q1-Bericht zu sehen. In der Folge laufen wir auch nach sechs Monaten noch dem Vorjahr hinterher. Das sind jedoch zum größten Teil zufällige Schwankungen, die sich im Lauf von zwölf Monaten ausgleichen werden. Lediglich zwei Märkte sind derzeit schwach: England und die Türkei. Abgesehen vom August hatten wir einen normalen Geschäftsverlauf in 2019, in 2020 nun sogar deutlich besser als im Vorjahr. Wir gehen derzeit davon aus, dass sich die Schwäche des ersten Quartals bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2019/20 ausgeglichen hat und unsere zu Beginn des Geschäftsjahrs abgegebene positive Prognose bestehen bleiben kann.
Die Ergebnissituation war wie erwartet von den Anlaufinvestitionen im Bereich Katamarane geprägt. Dennoch peilen Sie für das Gesamtjahr 2019/20 nach wie vor ein positives Ergebnis an. Was lässt Sie so zuversichtlich auf das laufende zweite Halbjahr blicken?
Dr. Gerhardt: Bei Privilège werden nun die ersten Boote fertig und damit im laufenden zweiten Halbjahr auch umsatz- und ergebniswirksam. Gleichzeitig verbessern sich bei Hanse die Kennzahlen durch die Verbesserungen im operativen Bereich, ausgelöst durch unsere Consulting-Projekte. Im laufenden Geschäftsjahr haben wir uns weniger auf ein starkes Umsatzwachstum fokussiert als in den vergangenen acht Jahren, sondern uns verstärkt den operativen Kennzahlen gewidmet und der Vorbereitung des Break-evens im Katamaran-Bereich.
Inwiefern könnte Ihnen die um sich greifende Corona-Krise gefährlich werden? Erwarten Sie hier nennenswerte Einflüsse auf die Produktion bzw. die Kundennachfrage?
Dr. Gerhardt: Bisher hat es keine Einflüsse auf uns. Die Verkäufe im Februar liegen über dem Vorjahr. Welche Auswirkungen dies in den nächsten Wochen auf die Kundennachfrage haben wird, können wir derzeit noch nicht beurteilen. Die Besucherzahlen der gerade beendeten Miami Boat Show blieben hinter den Erwartungen zurück, es bleibt abzuwarten, ob das auch die Verkäufe in den USA betrifft. Auf Produktionsseite haben wir auch Bauteile, welche wir aus Italien und aus China beziehen, aber nicht in größerem Ausmaß, so dass wir derzeit keine Probleme beim Bau der Schiffe haben. Im Grunde zeigt die aktuelle Krise, welche das Virus bisher verursacht hat, auf, dass eine individuelle Art des Urlaubs, welche ein eigenes Schiff bietet, bessere Möglichkeiten und größere Freiheiten bietet. Langfristig wird unsere Branche davon profitieren.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 140,27 | 146,69 | 128,39 | 120,75 | 132,38 | 164,00 | 184,90 | |
EBITDA1,2 | 5,01 | 8,40 | 3,81 | -2,33 | -6,15 | -4,50 | 11,00 | |
EBITDA-Marge3 | 3,57 | 5,73 | 2,97 | -1,93 | -4,65 | -2,74 | 5,95 | |
EBIT1,4 | -0,64 | 3,18 | -14,37 | -8,15 | -11,63 | -10,10 | 4,00 | |
EBIT-Marge5 | -0,46 | 2,17 | -11,19 | -6,75 | -8,79 | -6,16 | 2,16 | |
Jahresüberschuss1 | -2,28 | 2,36 | -15,86 | -8,99 | -20,72 | -12,70 | 1,80 | |
Netto-Marge6 | -1,63 | 1,61 | -12,35 | -7,45 | -15,65 | -7,74 | 0,97 | |
Cashflow1,7 | 1,09 | 2,20 | 2,37 | 8,69 | -0,85 | -4,60 | 7,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,21 | 0,21 | -1,32 | -0,64 | -1,32 | -0,67 | 0,09 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
In Ihrer Präsentation Anfang Februar auf dem Hamburger Investorentag HIT (HIER) haben Sie Ihre Expansionsstrategie sowie das „vorhersehbare“ Wachstum in den Mittelpunkt gestellt. Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie konkret in den kommenden Geschäftsjahren?
Dr. Gerhardt: Im Schnitt sind wir in den vergangenen acht Jahren mit 11 Prozent gewachsen. Mittelfristig peilen wir einen Umsatz von 200 Mio. Euro und bei dieser Größe das Erreichen einer EBITDA-Marge von 10 Prozent an. Das entspricht einem EBITDA-Ziel von 20 Mio. Euro. Dazu brauchen wir die nötige Anzahl von Marken und Modellen zum einen und die operative Exzellenz zum anderen. In beiden Punkten sind wir zuletzt wichtige Schritte vorangekommen.
Welche Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt, um dem Ziel einer zweistelligen operativen Marge näher zu kommen?
Dr. Gerhardt: Seit 18 Monaten laufen bei uns zwei große Projekte: Die Fertigungskosten werden Laufband für Laufband optimiert. Wir produzieren unsere Schiffe je nach Größe in sechs Förderbändern. Dort optimieren wir die Abläufe und Soll-Zeiten pro Takt und schulen die Mitarbeiter. Teilweise stellen wir dabei auch fest, das bestehende Produkte durch unsere Ingenieure noch an bestimmten Stellen verbesserten werden müssen, um die Fertigung weiter optimieren zu können. Das zweite Projekt umfasst den strategischen Einkauf, bei dem wir unsere Organisation, aber auch die gewachsenen Lieferketten in Frage stellen. Auch hier haben wir bereits signifikante Einsparpotenziale identifiziert.
Wie abhängig sind Sie noch von Ihrem Großaktionär Aurelius Equity Opportunities? Welche Folgen hätte es für HanseYachts, wenn Aurelius seinen Anteil oder zumindest einen Teil davon umplatzieren würde?
Dr. Gerhardt: Wir beziehen keine wesentlichen Leistungen im laufenden Betrieb mehr von Aurelius. Insofern hätte auch eine mögliche Veränderung in unserem Aktionärskreis keine negativen Auswirkungen auf unsere operativen Tätigkeiten.
Der Kursaufschwung, den die HanseYachts-Aktie im Dezember gezeigt hat, war nur temporärer Natur. Woran liegt es, dass Ihnen die Investoren nur eine im Branchenvergleich deutlich unterdurchschnittliche Bewertung zugestehen?
Dr. Gerhardt: Wir haben uns in den vergangenen Jahren im Wesentlichen mit uns selbst beschäftigt und nur wenig Kommunikation mit dem Finanzmarkt betrieben, daher ist die Aktie der HanseYachts AG kaum bekannt, obwohl jeder Segler unsere Produkte weltweit kennt. Zukünftig werden wir der Kommunikation mit Investoren und Anlegern einen größeren Stellenwert einräumen, auch um auf unsere im Peer-Group-Vergleich günstige Bewertung aufmerksam zu machen.
Dr. Jens Gerhardt hat nach dem Studium der Physik in Hamburg und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit anschließender Promotion zunächst als Berater für McKinsey gearbeitet. Eine langjährige Tätigkeit in der Kommunikationsbranche schloss sich an, zuletzt bis 2011 als COO in einem Schweizer Unternehmen. Dr. Jens Gerhardt, Jahrgang 1967, ist leidenschaftlicher Surfer und Fahrtensegler.
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