Spätestens mit der Übernahmeofferte von Deutsche Wohnen an die Aktionäre der Berliner GSW Immobilien sind die Anteilscheine von Wohnimmobilienfirmen wieder in den Fokus der Investoren gerückt. Kein Wunder: Gemeinsam verfügen die beide im MDAX gelisteten Unternehmen über fast 150.000 Wohneinheiten (WE) und stehen für einen addierten Börsenwert von annähernd 4 Mrd. Euro. Mittelfristig gilt das fusionierte Unternehmen sogar als DAX-Kandidat. Gemessen an den Wohneinheiten kommen hierzulande unter den börsennotierten Gesellschaften nur noch Deutsche Annington (179.000 WE), Gagfah (144.000 WE), LEG Immobilien (94.000 WE) und TAG Immobilien (70.000 WE) auf vergleichbare Größenordnungen. Neben diesen Branchenriesen haben sich in den vergangenen Jahren aber auch eine ganze Reihe deutlich kleinere Gesellschaften auf dem Kurszettel etabliert. Insgesamt 23 Unternehmen sind in der Datenbank von boersengefluester.de dem Bereich Wohnimmobilien zugeordnet. Der Börsenwert dieser Firmen reicht von weniger als 10 Mio. Euro bis hin zu mehr als 4 Mrd. Euro (Deutsche Annington).
Mit gut 16.000 Wohnungen einen Mittelplatz, nimmt hier die bei den meisten Anlegern wohl eher unbekannte Grand City Properties ein. Dabei beträgt die Kapitalisierung des im nur schwach regulierten Börsensegment Entry Standard gelisteten Unternehmens immerhin 483 Mio. Euro – 44,7 Prozent davon befinden sich im Streubesitz. Größter Anteilseigner ist mit 43,67 Prozent die Investmentgesellschaft Edolaxia Limited, aber auch Merrill Lynch ist mit knapp 4,7 Prozent engagiert. Wer sich hinter den einzelnen Aktionären verbirgt, ist jedoch kaum nachvollziehbar. Auffällig: Seit dem Börsenstart fährt die in Luxemburg ansässige Grand City Properties einen forschen Expansionskurs in Sachen Kapitalaufnahme. Neben zwei Barkapitalerhöhungen im Gesamtvolumen von rund 50 Mio. Euro, emittierte die Gesellschaft im Oktober 2012 eine Wandelanleihe über 100 Mio. Euro. Dieser Bond wurde von den Investoren mittlerweile bereits zu gut 80 Prozent in Aktien getauscht. Zuletzt brachte Grand City Properties zwei Anleihentranchen zu jeweils 100 Mio. Euro – bei ganz überwiegend institutionellen Investoren – unter. Die Anfang September zu einer Serie zusammengefassten Bonds (ISIN: XS0937063310) laufen sieben Jahre, sind mit einem Kupon von 6,25 Prozent ausgestattet und haben von S&P das Rating „BB–” bekommen.
Anleger, die in Internet nach Informationen über Grand City Properties suchen, werden schnell fündig: Es gibt zahlreiche Interviews, TV-Beiträge – und natürlich bietet auch die Homepage www.grandcityproperties.com die einschlägigen Informationen. Grand City Properties konzentriert sich nach eigenen Angaben auf „Wohnimmobilien mit hohem Wertsteigerungspotenzial, die in punkto Leerstandsquote und Mietniveau Optimierungspotenzial bieten“. Die Portfoliogrößen liegen zwischen 300 und 2000 Einheiten, die meisten Anlagen befinden sich in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Eine Strategie, die ein wenig an TAG Immobilien erinnert. Deren Vorstandschef, Rolf Elgeti, konzentriert sich ebenfalls auf Wohnungen mit „Entwicklungs- und Ertragspotenzial“. Auch Grand City Properties setzt darauf, durch eine verringerte Leerstandsquote, Mieterhöhungen und Sanierungsmaßnahmen den Wert des Portfolios zu erhöhen. Mit Erfolg: Laut der Gewinn- und Verlustrechnung für 2012 entfallen immerhin 78 Mio. Euro auf den Bewertungseffekt – bei „normalen“ Erlösen von gut 60 Mio. Euro. Zum Halbjahr 2013 steuerte die Neubewertung des Immobilienbestands fast 48 Mio. Euro zum Betriebsergebnis von gut 69 Mio. Euro bei. Um es klar zu sagen: Hierbei handelt es sich um nichts Anrüchiges, sondern ist Teil des Geschäftsmodells von Grand City Properties. Riskant werden kann es allerdings dann, wenn die Immobilien an Wert verlieren sollten. Geprüft werden die Bewertungsansätze von dem Immospezialisten Jones Lang LaSalle.
Weniger schön sind die zahlreichen kritischen Berichte im Internet über den Zustand einzelner Anlagen. Betroffene Mieter klagen über heruntergekommene Wohnungen mit Schimmelbildung und ausbleibenden Reparaturen. Zwar ist kaum abschätzbar, auf wie viel Prozent der Wohnungen die beschriebenen Mängel wirklich zutreffen. Ein fader Beigeschmack bleibt jedoch. Der Hinweis im jüngsten Zwischenbericht, dass das Unternehmen durch Gartenanlagen, Spielplätze, Sportmöglichkeiten oder die Renovierung betagter Fassaden für eine möglichst hohe Mieterzufriedenheit sorgen will, muss sich in der Praxis beweisen. Finanzinvestoren, Immobiliengesellschaften und Mieterinteressen – eine offenbar sehr schwierige Dreiecksbeziehung.
Auf allgemeine Zuneigung sind hingegen die Halbjahreszahlen von Grand City Properties gestoßen. Immerhin kletterte der Fund From Operation (FFO) von 3,6 auf 8,1 Mio. Euro. Der FFO ist die für Immobiliengesellschaften maßgebliche Kennzahl und basiert auf dem um Abschreibungen, Bewertungsveränderungen und sonstige außerordentliche Effekte bereinigten Gewinn nach Steuern. Bezogen auf das aktuelle Portfolio ergibt sich gar ein FFO von 14,3 Mio. Euro. Den Net Asset Value (NAV) gibt das Unternehmen per Ende Juni 2013 mit 448 Mio. Euro an. Damit übersteigt die gegenwärtige Marktkapitalisierung den Nettoinventarwert um etwa sieben Prozent – keine sonderlich günstige Relation, aber noch akzeptabel. Zur Einordnung: TAG Immobilien und LEG Immobilien werden zurzeit mit einem Abschlag von jeweils zehn Prozent auf den NAV gehandelt, bei der Gagfah beträgt der Discount 28 Prozent, die Deutsche Annington erfährt einen Abschlag von 3,5 Prozent. Die Kölner Wohnungsgesellschaft GAG Immobilien ist gar für einen Discount von mehr als 60 Prozent zu haben, bei KWG Kommunale Wohnen beträgt die Lücke 40 Prozent. Lediglich bei Deutsche Wohnen (+ 4 Prozent) und GSW Immobilien (+9 Prozent) sind die Investoren derzeit bereit, eine Prämie auf den NAV zu bezahlen.
Punkten kann Grand City Properties dagegen bei dem Verhältnis von Kreditvolumen zum Verkehrswert der Immobilien – in Finanzkreisen „Loan To Value“ (LTV) genannt: Es beträgt nur 43,9 Prozent. Der Mittelwert bei den Vergleichsunternehmen ist hier eher im Bereich um 55 Prozent anzusiedeln. Grand City Properties spricht folgerichtig von einer „konservativer Kapitalstruktur mit geringen Leverage-Risiken“. Die Eigenkapitalquote beträgt zum Halbjahr gut 40 Prozent. Die liquiden Mittel für weitere Zukäufe beziffert der Vorstand auf 136 Mio. Euro. Ohnehin scheinen zunächst erstmal keine weiteren Kapitalmaßnahmen geplant.
Nach rund fünf Monaten ohne große Kursbewegung hat sich die Notiz von Grand City Properties zuletzt fester präsentiert – auch die Handelsumsätze zogen an. Noch ist das Papier aber ein ziemlicher Exot auf dem Kurszettel. Hinzu kommt, dass die Konstruktion mit dem Sitz in Luxemburg nicht unbedingt jedermanns Sache ist. Eine Coverage der Aktie durch Analysten gibt es ebenfalls noch nicht. Zurzeit wird die Gesellschaft eher als Anleihen-Emittent, denn als Aktie von den Investoren wahrgenommen. Vielleicht ist der Deal zwischen Deutsche Wohnen und GSW Immobilien aber ein Startschuss für Investoren, sich nach anderen interessanten Immobilienaktien umzuschauen. Dann sollten sie auch auf Grand City Properties stoßen.