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Grammer: Auffallend starker Kurs

Viel mehr Sondersituation als bei Grammer geht kaum. Der auf Sitze für Lkw, Baumaschinen, Landfahrzeuge oder auch Züge sowie Mittelkonsolen spezialisierte Automotivezulieferer musste aufgrund heftiger Sonderabschreibungen von mehr als 73 Mio. Euro für Sachanlagen und Geschäftswerte auf die Aktivitäten in Nord-, Mittel- und Südamerika für 2022 einen Betriebsverlust von fast 45 Mio. Euro hinnehmen. Und hätte Grammer nicht im Abschlussquartal des vergangenen Jahres eine so starke Aufholjagd hingelegt, wäre das Minus noch sehr viel höher ausgefallen. So kamen die Amberger – bereinigt um die Wertberichtigungen – auf ein operatives Ergebnis von plus 35,5 Mio. Euro, was sogar noch im Rahmen der ursprünglichen Prognose von 35 bis 40 Mio. Euro EBIT liegt. Der Kapitalmarkt hat sich derweil längst mit dem Horrorverlust arrangiert und blickt nach vorn. Jedenfalls ist der Aktienkurs seit Jahresbeginn 2023 um mehr als ein Drittel gestiegen, so viel schaffte kaum ein anderer Titel aus dem Sektor.

Zum einen gibt es die Spekulation, dass der chinesische Mehrheitsaktionär Jiye Auto Parts seinen Anteil von zuletzt offiziell 86,2 Prozent weiter aufstockt und das weiterhin im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelistete Unternehmen möglicherweise auf einen Squeeze-out mit dann hoffentlich attraktiver Abfindungsprämie zusteuert. Ebenfalls ein realistisches Szenario ist, dass die Investoren einfach auf die günstige Bewertung von Grammer schauen und der Kurs deshalb Richtung Norden zieht. Für das laufende Jahr stellt CEO Jens Öhlenschläger stabile Umsätze von rund 2,2 Mrd. Euro sowie ein auf rund 70 Mio. Euro verdoppeltes operatives EBIT in Aussicht. Viel hängt zwar davon ab, in welchem Umfang es Grammer gelingen wird, die noch immer kräftig steigenden Preise an die Kunden zu überwälzen. Doch die Entwicklung des Abschlussviertels macht diesbezüglich Mut. Zudem setzt der Vorstand weiter auf die ohnehin laufenden Optimierungsprozesse.

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Unterstellt, dass es im laufenden Jahr zu keinen signifikanten Sonderbelastungen mehr kommt, dürfte Grammer damit auch unterm Strich wieder deutlich schwarze Zahlen schreiben. Boersengefluester.de hält ein Ergebnis je Aktie von 1,75 Euro für 2023 jedenfalls für denkbar. Damit kommt der Anteilschein auf ein klar einstelliges KGV, gepaart mit einem deutlichen Abschlag zum Buchwert. Der Unternehmenswert (Enterprise Value) – also die Summe aus aktueller Marktkapitalisierung sowie der Nettoverschuldung von 429,3 Mio. Euro – beträgt momentan rund 648 Mio. Euro. Bei einem von uns für 2023 erwarteten EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von rund 150 Mio. Euro, ergäbe sich demnach auch bei der Relation von EV/EBITDA ein sehr niedriger Wert von nur knapp drei. Wer sich näher mit der Grammer-Aktie beschäftigen will, sollte jedoch wissen, dass die Verschuldung grundsätzlich noch ziemlich hoch ist und auch Dividenden kein Thema sind. Dafür kann der Titel aber eben in anderen Disziplinen punkten.

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Foto: Unsplash+


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Über Gereon Kruse

Gereon Kruse
Gereon Kruse ist Gründer des in Frankfurt ansässigen Finanzportals boersengefluester.de und seit vielen Jahren ein profunder Kenner von Kapitalmarktthemen und Experte für Datenjournalismus. Sein Spezialgebiet sind deutsche Aktien – insbesondere Nebenwerte. Investmentprofis aus dem Small- und Midcap-Bereich stufen die Qualität der Berichterstattung von boersengefluester.de laut der IR.on-Medienstudie 2020/21 mit der Bestnote 1,67 ein. Im Gesamtranking der Onlinemedien liegt die Seite mit Abstand auf Platz 1. Beim finanzblog award der comdirect bank hat boersengefluester.de den Publikumspreis und zusätzlich noch den 3. Platz in der Jurywertung gewonnen. Zuvor war Gereon Kruse 19 Jahre beim Anlegermagazin BÖRSE ONLINE tätig – von 2000 bis Anfang 2013 in der Funktion des stellvertretenden Chefredakteurs.