Für die einen ist es GOVECS, für die anderen der wahrscheinlich längste Börsengang der Welt. Immerhin hat der Anbieter von Elektrorollern die Zeichnungsfrist für sein IPO Ende September auf insgesamt etwas mehr als sieben Wochen ausgedehnt. Dem Vernehmen nach soll die Aktie am 13. November aber nun tatsächlich ihr Debüt am Prime Standard in Frankfurt geben. Offizieller Grund für die massive zeitliche Ausdehnung sind eine Reihe wichtiger Unternehmensmeldungen, die die Münchner potenziellen Investoren nicht vorenthalten wollten, damit sie sich ein möglichst umfassendes Bild von GOVECS machen können. Und tatsächlich: Die vergangenen Wochen waren nicht durch bloße Marketing-Worthülsen gekennzeichnet, sondern lieferten eine Menge neuer Erkenntnisse: So hat die Gesellschaft mit einem britischen Unternehmen eine Absichtserklärung über die Lieferung von insgesamt 6.000 E-Scootern für den Londoner Sharing-Markt unterzeichnet – gleichverteilt auf die Jahre 2019 und 2020. Zudem hat GOVECS mit dem traditionsreichen spanischen Zweiradhersteller Rieju einen Serienproduktionsvertrag für die Herstellung von jährlich bis zu 12.000 Elektrorollern abgeschlossen.
So sichert sich das Unternehmen einerseits wichtige Kapazitäten für die Rollerfertigung und spart gleichzeitig rund 10 Mio. Euro, die ursprünglich für die Forcierung der eigenen Produktion vorgesehen waren. Last but not least schloss GOVECS eine Lizenzvereinbarung mit BMW zur Einführung eines E-Sccooters, der ohne Helm gefahren werden darf. Geplante Markteinführung: 2021. Der bayerische Fahrzeugkonzern hatte mit dem Modell C1 zur Jahrtausendwende bereits eine ähnliches Konzept auf die Straße gebracht, was allerdings schwungvoll floppte – auch wenn die wenigen produzierten Modelle heute beinahe schon wieder Kult-Charakter haben. Maßgeblich für Investoren ist freilich der Deal mit Rieju, denn um genau den Betrag von 10 Mio. Euro hat GOVECS nun das Volumen aus der anlässlich des Börsengangs geplanten Kapitalerhöhung gestutzt. Demnach ist nun die Ausgabe von bis zu 5.250.00 Aktien zu einer – unveränderten Preisspanne – von 10 bis 12 Euro geplant. On top kommen Obergrenze 300.000 Anteilscheine von Großaktionär Albert Dürr (Dquadrat Equity Partner) sowie 832.500 Aktien in Form einer Mehrzuteilungsoption ebenfalls aus dem Besitz von Dürr.
[financialinfobox wkn=”A2NB12″]
Insgesamt käme GOVECS bei voller Platzierung zum mittleren Preis damit auf eine Marktkapitalisierung von rund 123 Mio. Euro kommen. Zur Einordnung: Für das laufende Geschäftsjahr stellt das hierzulande vermutlich in erster Linie durch die Elektroversion des früher von Simson gefertigten DDR-Mopeds Schwalbe bekannte Unternehmen Erlöse von knapp 28 Mio. Euro in Aussicht. Noch ist das Geschäft jedoch defizitär, auf Basis des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) wird GOVECS vermutlich erst in 24 Monaten in den positiven Bereich vorstoßen, was freilich ein halbes Jahr früher ist als ursprünglich gedacht. Grundsätzlich findet boersengefluester.de das Projekt von GOVECS super interessant. Ob sich Rollerverleihe in Großstädten tatsächlich durchsetzen werden, muss sich allerdings erst noch zeigen. Ebenso gespannt sind wir, ob eine immerhin rund 6.500 Euro teure Elektro-Schwalbe im Einzelverkauf tatsächlich ein Verkaufsrenner wird. Verglichen mit dem ebenfalls wieder gelaunchten Tschechen-Roller Čezeta – der je nach Ausstattung auch mal fix auf 10.000 Euro kommt – ist die Schwalbe allerdings fast schon wieder günstig. Fazit: In Frage kommt die GOVECS-Aktie nur für sehr risikobereite Anleger. Schwierig für Anleger ist unserer Meinung nach die immer noch üppige dimensionierte Phase mit operativen Verlusten. Auf der Habenseite steht dagegen, dass GOVECS ein Trendinvestment Richtung innovativen Verkehrskonzepten ist.
[basicinfoboxsc isin=”DE000A2NB122″]
Foto: GOVECS AG