Premiere bei GK Software: Erstmals erschien der Report für das erste Quartal ein paar Tage früher als der Geschäftsbericht. Warum das so war, verrät CEO Rainer Gläß im Interview mit boersengefluester.de. Zudem gibt er dezidiert Auskunft darüber, wie das auf Software für Kunden aus dem Einzelhandel spezialisierte Unternehmen sich zurzeit schlägt und welche Herausforderungen es durch Corona zu meistern gilt. Losgelöst davon zeigen sich die Börsianer insbesondere von den Zahlen zum Auftaktviertel 2020 sehr angetan und schickten die Aktie kräftig Richtung Norden. Bei einem Erlösplus von 18,2 Prozent auf 29,02 Mio. Euro drehte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von minus 2,81 auf plus 1,06 Mio. Euro. Die Analysten von Warburg Research haben ihr Kursziel kurzerhand von 61 auf 74 Euro heraufgesetzt (HIER). Mit Abstand die größten Aktionäre von GK Software sind die beiden Firmengründer Rainer Gläß und Stephan Kronmüller mit zusammen etwas mehr als 55 Prozent. Maßgeblich investiert sind aber auch die Spezialwerteprofis von Scherzer & Co. sowie die Deutsche Balaton.
Herr Gläß, mit den Zahlen für das Geschäftsjahr 2019 hat GK Software es geschafft, den Markt positiv zu überraschen. Hatten Sie das Ergebnis so erwartet?
Rainer Gläß: GK hat geliefert, und darauf dürfen wir zurecht stolz sein. Als wir Mitte letzten Jahres mit schwächeren Zahlen aufwarteten, hatte uns das vielleicht tatsächlich der eine oder andere nicht zugetraut. Aber GK hat in den vergangenen Jahren stets Wort gehalten und so auch diesmal. Die Erfolgsstory von GK geht weiter. Dass das nicht von allein passiert, ist klar, und im letzten Jahr haben wir eine Vielzahl von Dingen in die richtige Richtung bewegt.
Sie meinen mit Letzterem sicher Ihr Programm zur Effizienzsteigerung. Wo stehen Sie hier und was konnten Sie bereits erreichen?
Rainer Gläß: Nach Jahren intensiven Wachstums haben wir uns im vergangenen Jahr verstärkt der Effizienz gewidmet. Wir haben Bereiche zusammengelegt und verschlankt, Verantwortlichkeiten sowie das Berichtswesen neu aufgestellt und GK wieder jung, schnell und innovativ aufgestellt. Das war nach dem rasanten Wachstum der letzten Jahre eine absolute Notwendigkeit. Die zentralen Aufgaben aus dem selbstauferlegten Maßnahmepaket hatten wir im vierten Quartal weitgehend umgesetzt, aber der Prozess muss natürlich weitergehen. Im Ergebnis haben wir die Aufwände für die Organisation auf Jahressicht deutlich gesenkt. Das Gute dabei ist, dass die Kosten für die Umstrukturierung im Wesentlichen bereits in 2019 verarbeitet sind.
Sie mussten die Veröffentlichung Ihres Geschäftsberichtes verschieben und hatten angekündigt, dass das Ergebnis unter den angekündigten vorläufigen Zahlen liegt. Könnten Sie das bitte näher erläutern.
Rainer Gläß: Wir haben in diesem Jahr mehr als erwartet darunter gelitten, dass der Prüfungsprozess durch die Corona-Krise deutlich in die Länge gezogen wurde. Auch durch krankheitsbedingte Ausfälle bei unserem Wirtschaftsprüfer gestaltete sich der gesamte Ablauf recht schwierig. Unmittelbar vor der geplanten Veröffentlichung stellte sich unerwartet heraus, dass wir und die Prüfer unterschiedliche Sichten zu einem Sachverhalt im Zusammenhang mit den Pensionsrückstellungen hatten. Diese Situation wäre nicht eingetreten, wenn man wie in einem normalen Prüfungsprozess über Wochen konzentriert und häufig auch in gemeinsamen Vorort-Meetings zusammenarbeiten kann. Jetzt wurde die Angelegenheit geklärt und es hat sich dabei erfreulicherweise herausgestellt, dass die Abweichung von den vorläufigen Zahlen auf EBITDA-Ebene nur zwei Prozent beträgt und damit eher marginal ist.
Das GK-Ergebnis hängt ja immer stark vom Vertriebsresultat ab. Es wurden im vierten Quartal 2019 keine großen neuen Deals gemeldet. Woher resultiert dann der Sprung im Ergebnis?
Rainer Gläß: 2019 konnten wir im Konzern zehn neue Kunden gewinnen, davon vier weitere in den USA, einen in Kolumbien, die anderen im DACH-Raum. Aber ja, es gibt immer Luft nach oben. In Summe sprechen wir von zwölf neuen Projekten in 2019. Gestützt wurde unser Ergebnis auch vom Geschäft mit unseren Großkunden, wo verschiedene Leistungen 2019 vollständig ins Ergebnis eingehen konnten. Hinzu kommt natürlich, dass wir in den USA erstmalig ein positives Ergebnis gesehen haben, nachdem wir hier viele Jahre in der Anschubfinanzierung waren.
Ihre Mittelfristprognose geht bis 2020. Wie stehen Sie in Zeiten der Angst vor dem Corona-Virus dazu?
Rainer Gläß: Ich glaube, dass niemand zurzeit wirklich weiß, wie lange uns das Thema beschäftigen und welche Auswirkungen es kurz- und mittelfristig haben wird. Daher gehört in diesen Tagen eine Menge Mut dazu, Prognosen abzugeben. Was wir sehen, sind die ersten drei Monate des Jahres, die sehr erfreulich verlaufen sind. Unser Effizienzprogramm wirkt und das Bestandskundengeschäft läuft erwartungsgemäß sehr gut. Was aber das Neugeschäft betrifft, ist noch nicht abzusehen, inwieweit sich Abschlüsse in diesem Jahr verschieben werden. Unsere Sales-Pipeline ist großartig und 2020 sollte eigentlich ein starkes Jahr werden. Wir werden sehen, ob die Dinge so aufgehen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 90,45 | 106,15 | 115,45 | 117,56 | 130,85 | 152,05 | 172,50 | |
EBITDA1,2 | 8,77 | 6,83 | 12,26 | 19,08 | 26,79 | 24,76 | 2,76 | |
EBITDA-Marge3 | 9,70 | 6,43 | 10,62 | 16,23 | 20,47 | 16,28 | 1,60 | |
EBIT1,4 | 4,99 | 1,60 | 3,43 | 10,54 | 17,31 | 16,78 | -5,08 | |
EBIT-Marge5 | 5,52 | 1,51 | 2,97 | 8,97 | 13,23 | 11,04 | -2,95 | |
Jahresüberschuss1 | 3,88 | 0,92 | -3,14 | 6,27 | 13,30 | 11,36 | -5,17 | |
Netto-Marge6 | 4,29 | 0,87 | -2,72 | 5,33 | 10,16 | 7,47 | -3,00 | |
Cashflow1,7 | 8,69 | 7,00 | 6,49 | 17,71 | 23,22 | 26,21 | -10,26 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,00 | 0,48 | -1,60 | 3,00 | 5,66 | 4,84 | -2,30 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Wie gehen Sie denn bei GK mit dem Thema Corona um?
Rainer Gläß: Ein bedeutender Teil unserer Kunden betreibt de-facto systemkritische Infrastruktur. Die Supermärkte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Systeme auch unter diesen besonderen Umständen einsatzfähig sind. Wir haben deshalb sehr frühzeitig eine Corona-Taskforce gebildet, um die Wartung und den Service für unsere Kunden jederzeit sicherstellen zu können. Für alle Bereiche, in denen das möglich ist, haben wir übergangsweise Homeoffice als die Regel eingeführt. Dazu haben wir rechtzeitig unsere IT-Systeme an die größere Belastung der Systeme und Netze angepasst. Allerdings ist Homeoffice bei uns im Unternehmen ein bereits seit vielen Jahren gelebtes Thema, so dass wir davon jetzt auch nicht überrascht worden sind. Lösungen für Videokonferenzen, Datenaustausch oder Kollaboration sind bei uns schon lange im Einsatz. Dort wo unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter physisch in Testräumen und Labors arbeiten müssen, haben wir die Einsatzpläne so angepasst, dass möglichst wenig Leute vor Ort sein müssen und wir das Ansteckungsrisiko verringern. Termine bei Kunden und Interessenten gibt es zurzeit nur virtuell, aber sie finden durchaus statt, denn alle Beteiligten – sowohl auf der Handelsseite als auch bei uns im Unternehmen – wissen, die Arbeit muss getan werden und kann nicht einfach für Monate ruhen. Nur die Art und Weise wie wir das tun, ist gegenwärtig eine andere.
Und was heißt das für die Produktentwicklung?
Rainer Gläß: Wir haben eine Roadmap, der wir natürlich auch jetzt weiter folgen. Die Kollegen können alle auch virtuell zusammenarbeiten, Testhardware wurde verteilt und mitgenommen, viele Dinge lassen sich auch mit Software simulieren. Und all das ist notwendig, weil wir mit hohem Tempo das Thema Cloud weiter forcieren. Unsere Plattform dafür ist cloud4retail, unter der wir alle Services bündeln – von klassischen Warenkorb- und Transaktionsdiensten im OmniPOS-Package, über KI-Services, z. B. für Dynamic Pricing, bis hin zu den mobilen Anwendungen auf den Smartphones der Kunden. Auch die Entwicklung für die Deutsche Fiskal duldet keinen Aufschub, da die Termine immer noch eng gesetzt sind und wir hier dem Markt gegenüber in der Pflicht sind. Das heißt vereinfacht, die Entwicklung geht trotz Corona weiter, die Teams arbeiten virtuell zusammen und es gibt keinen Stillstand, da auch der Krankenstand bislang keine Auffälligkeiten im Vergleich mit den Vorjahren zeigt.
Sie erwähnten auch die Deutsche Fiskal. Wie weit sind Sie hier mit der Lösung?
Rainer Gläß: Wir sind hier sehr gut unterwegs. Die Lösung ist seit Anfang April fertiggestellt und wurde Kunden und Interessenten zum Testen zur Verfügung gestellt. Damit sind wir der erste Cloud-Anbieter, der das vorweisen kann. Auch bei der Zertifizierung sind wir auf einem sehr guten Weg. Das erste Teilzertifikat liegt bereits vor. Unser Partner, die Bundesdruckerei, erwartet den Abschluss der verbleibenden Zertifizierungen noch im Frühjahr. Wir liegen hier klar in Front, denn wir sind die ersten mit einer Cloud-Lösung, für die bereits alle Komponenten im Zertifizierungsprozess sind. Und hier muss man wissen, dass man erst nach einem Eingangsaudit, in dem die Zertifizierungswürdigkeit geprüft wird, überhaupt zu dem Prozess zugelassen wird. Wir sind also auch bei diesem neuen Thema gut im Zeitplan und vor unserem Wettbewerb unterwegs. Ich persönlich habe ein sehr gutes Gefühl bei dem Thema Deutsche Fiskal und ich bin überzeugt, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen mit der Bundesdruckerei Früchte tragen werden.
Ein anderes Thema, über dass Sie kürzlich informiert haben, war eine neue Einkaufs-App. Was hat es damit auf sich?
Rainer Gläß: Unsere Marktexperten und Entwickler haben sich zu Beginn der Corona-Krise gefragt: Was können wir tun, um Händlern und Konsumenten in der gegenwärtigen Situation schnell zu helfen? Die Antwort war die GetMyGooods-App, die Bestellungen von zuhause und die Abholung im Markt auf einfachste Weise ermöglicht. Dabei war es das Ziel, technische Hürden zu vermeiden und eine sofort nutzbare und besonders einfache Lösung zu entwickeln. Unsere Teams haben mit hohem persönlichen Einsatz dafür in kürzester Zeit alles Notwendige umgesetzt. Die Lösung ist da und verfügbar und vor allem: sie funktioniert absolut zuverlässig und stabil. Wir sehen das auch als einen Beitrag zum Umgang mit der gegenwärtigen schwierigen Situation, und die ersten Händler setzen die App bereits aktiv ein. Künftig wird es auch eine tiefere Integration und z. B. mobile Zahlungsmöglichkeiten geben.
Sie haben kürzlich mitgeteilt, dass Ihr langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender Uwe Ludwig sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat. Können Sie dazu bitte etwas sagen?
Rainer Gläß: Uwe Ludwig hat GK seit über 20 Jahren begleitet und war lange Zeit Aufsichtsratsvorsitzender. Ich bedauere sehr, dass er sein Amt jetzt sehr kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen niederlegen musste. Er hat das Wachstum der Gesellschaft über zwei Jahrzehnte aktiv unterstützt und ich wünsche ihm persönlich alles Gute. Um einen arbeitsfähigen Aufsichtsrat zu haben, hat der Vorstand die Bestellung eines neuen Aufsichtsratsmitglieds beim Gericht beantragt. Dem Antrag wurde stattgegeben und wir freuen uns, dass der ausgewiesene Gesellschaftsrechtler Dr. Philip Reimann bis zur nächsten Hauptversammlung unseren Aufsichtsrat leiten wird. Wir werden mit der Hauptversammlung in diesem Jahr auch einen neuen Weg gehen und diese am 30. Juni digital durchführen.
Welche Auswirkungen wird die gegenwärtige Situation auf Ihre Mittelfristprognose haben?
Rainer Gläß: Hätten Sie mich vor zwei Monaten nach der Prognose gefragt, hätte ich gesagt, wir fühlen uns sehr komfortabel mit unseren Aussagen dazu. Jetzt bleibt abzuwarten, wie lange die Handlungsfähigkeit von Teilen des Handels beschränkt bleibt und wie die Konsumenten reagieren, bevor man dazu seriös antworten kann. Aber natürlich sind nicht alle unsere Kunden von diesem Thema gleich stark betroffen und viele denken gerade jetzt über neue digitale Lösungsansätze nach, für die wir gut aufgestellt sind. Insofern wird man sicher erst in der zweiten Jahreshälfte ein klareres Bild haben. Aber eines ist jetzt schon sicher: Die aktuelle Situation befördert die Digitalisierung im Handel – und GK Software ist dafür hervorragend aufgestellt. Wir sind stark in das Jahr gestartet und haben noch viel vor.
Ein Wort zur Aktie: GK wurde zu Beginn der Krise ja ziemlich heftig getroffen. Wie sehen Sie die Zukunft?
Rainer Gläß: Sie können sich vorstellen, dass ich als größter Anteilseigner in diesem Jahr eine ganze Zeit auch nur wenig Spaß am Chart hatte. Mit der Veröffentlichung unserer vorläufigen Zahlen hat sich der Trend aber innerhalb kurzer Zeit wieder deutlich umgedreht. Dabei erinnert mich die Situation an das Jahr 2009, als die Börse schon einmal einen mächtigen Schluckauf hatte und unser Kurs sogar einstellig war. Nachdem diese Krise überwunden war, kannte der Kurs dann lange Zeit nur eine Richtung. Jenseits der Angst der Märkte hat sich an unseren fundamentalen Werten und an unserer Equity-Story gar nichts verändert. Im Gegenteil, der starke Schub in Richtung Digitalisierung im Handel und der deutliche Vorsprung unserer Cloud4Retail-Lösung motivieren uns zusätzlich, die Situation für uns positiv zu nutzen. Wir wollen die Nummer 1 in der Welt sein. Bei GK herrscht Aufbruchstimmung.
Rainer Gläß gründete zusammen mit seinem Partner Stephan Kronmüller im August 1990 die G&K Datensysteme GmbH, die 2001 in die GK Software AG umgewandelt worden ist. Nach dem Studium der Informationstechnologie an der Universität Dresden, das er als Diplomingenieur abschloss, war Rainer Gläß mehrere Jahre in verschiedenen Bereichen der Softwareentwicklung tätig – zunächst als Anwendungsprogrammierer, später als Projektleiter. Aufbauend auf diesen Erfahrungen widmete er sich gemeinsam mit Stephan Kronmüller zunächst der Entwicklung von betriebswirtschaftlichen Lösungen für mittelständische Unternehmen, bevor das Unternehmen ab Mitte der neunziger Jahre auf Java-basierte Lösungen für den Einzelhandel ausgerichtet wurde. Für seine außerordentlichen Leistungen wurde Rainer Gläß mit zahlreichen Preisen geehrt. Unter anderem erhielt er 2010 die Auszeichnung als „Entrepreneur des Jahres“. In seiner freien Zeit liest er gerne und treibt viel Sport. Er fährt Rad und spielt Tennis. Eine seiner großen Leidenschaften ist das Skifahren. Er ist Verfasser eines Buches über den Skilauf.
Fotos: GK Software SE, Clipdealer