Zu den Aktien, die wir regelmäßig auf boersengefluester.de vorstellen, gehört auch GK Software. Immerhin hat der Anbieter von Kassen-Softwaresystemen vorzugsweise für große Einzelhandelsketten in den vergangenen Jahren – insbesondere was die internationale Expansion angeht – eine prima Erfolgsstory hingelegt und die zwischenzeitliche Schwächephase mehr als ausgebügelt. Entsprechend ist das Interesse der Investoren an dem Titel markant gestiegen. Gleichwohl hat auch der Aktienkurs von GK Software zuletzt spürbar an Höhe eingebüßt. Wir haben bei CFO André Hergert nach der aktuellen Entwicklung gefragt und uns ein Update zu den wichtigsten neuen Themen geholt.
Herr Hergert, GK Software hat im vergangenen Jahr das Wachstum fortgesetzt. Das zeigen zumindest die Neun-Monats-Zahlen. Wie fällt Ihr Fazit für das abgelaufene Geschäftsjahr aus?
André Hergert: Auch wenn ich natürlich hier dem Jahresergebnis noch nicht vorgreifen will, zeigen bereits die veröffentlichten Informationen, dass wir 2021 ein hervorragendes Jahr hatten. Dieses war nicht nur von weiterem Umsatzwachstum geprägt, sondern vor allem auch von einer deutlichen Steigerung der Profitabilität. Damit liegen wir voll auf dem Kurs zur Erfüllung unserer Mittelfristprognose.
Es fällt auf, dass die Wachstumsrate im dritten Quartal unter der des ersten Halbjahres lag. Wie ist das zu bewerten?
André Hergert: Bezüglich der scheinbar schwächeren Wachstumsrate im dritten Quartal sind mehrere Faktoren zu betrachten, welche diese Aussage in einem anderen Licht erscheinen lassen: Zum einen haben wir erfreulicherweise gesehen, dass 2021 die erzielten Neuabschlüsse über das gesamte Jahr verteilt waren, so dass das erste Halbjahr gegenüber unserer bisherigen Saisonalität ein höheres Wachstum auswies. Und die Transformation hin zur SaaS-Nachfrage und damit zu Subskriptionsvergütungen setzt sich fort: Die großen Abschlüsse im dritten Quartal waren reine SaaS-Abschlüsse. Wären diese als klassische „Perpetual License“-Abschlüsse mit Einmalzahlungen für die Lizenzeinräumung angefallen, gäbe es gar keine Diskussion über ein vermeintlich schwächeres drittes Quartal.
Für mich besonders erfreulich ist jedenfalls auch noch ein anderer Aspekt: Wir haben im dritten Quartal ohne wesentliche Perpetual-License-Abschlüsse eine EBIT-Marge von rund 8 Prozent aus dem laufenden Geschäft gezeigt. Das zeigt, dass unser Geschäftsmodell bereits heute sehr stabil ist und die durch SaaS-Verträge folgende weitere Verbesserung für die Zukunft sicher trägt.
Anzeige
Sie sprechen die Erfolge im Cloud-Geschäft an. Welches Umsatz- und Ergebnispotenzial haben die jüngsten Cloud-Abschlüsse? Und wie stark wirken sich die Cloud-Abschlüsse bereits auf die Saisonalität Ihres Geschäfts aus?
André Hergert: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Trend zur Cloud – auch als Businessmodell – im Handel gegenwärtig eine hohe Dynamik hat. Wir sehen, dass Interessenten in den USA nahezu ausschließlich und in Europa zu mehr als der Hälfte, nur nach SaaS-Modellen fragen. Seit sich 2020 die ersten Kunden für Subskriptionsverträge entschieden haben, realisieren wir immer mehr SaaS-Abschlüsse. Allein die beiden großen US-Kunden, die wir im dritten Quartal gemeldet haben, schlossen langlaufende Verträge mit einem Gesamtvolumen ab, dass deutlich im zweistelligen Millionenbereich liegt. Da auch bei reinen Cloud-Projekten die in unserem Geschäft übliche Entwicklungs- und Anpassungsphase vor dem Rollout notwendig ist, werden wir die ersten Umsätze daraus etwa ab dem dritten Quartal 2022 erwarten können.
Wie gehen Sie damit um?
Natürlich verschieben sich damit Umsätze in die Zukunft, laufen dann aber kontinuierlich auf und erhöhen sich mit der Anzahl der in Produktion gesetzten Kunden. Dadurch, dass sich jedoch noch nicht alle Interessenten für SaaS entscheiden, ist für uns die Transitionsphase einfacher zu meistern – auch wenn unser Umsatzwachstum etwas gebremst wird. Gleichzeitig wird aber die Entwicklung weniger von Einzelabschlüssen dominiert und verstetigt. Ab 2024 sollten dann die SaaS-Umsätze aus den Abschlüssen der Vorjahre immer stärker zu einem gleichmäßigeren Umsatzstrom bei guter Profitabilität führen. Wir sehen dies bereits jetzt bei unserer Tochtergesellschaft Deutsche Fiskal.
Zwei der neuen Cloud-Verträge wurden mit bedeutenden Neukunden in den USA abgeschlossen. Welche Bedeutung hat der US-Markt inzwischen für GK? Und welche Potenziale sehen Sie künftig dort?
André Hergert: Der US-Markt, als größter zusammenhängender Einzelhandelsmarkt der Welt, ist für unser Wachstum natürlich von enormer Bedeutung. Wir haben große Anstrengungen unternommen, den Markteintritt zu schaffen und sind dort mittlerweile sehr gut aufgestellt. Die ersten unserer großen Kunden sind live und referenzfähig. Zudem erhalten wir ein sehr gutes Feedback. Das hilft natürlich bei unseren Vertriebsaktivitäten weiter. Gegenwärtig stammen rund ein Fünftel unserer Umsätze aus dem US-Geschäft und die Tendenz ist weiter steigend. Und wie gesagt, reden wir in den USA und auch in Latein-Amerika gegenwärtig ausschließlich von SaaS-Geschäft, wenn wir auf neue Kundensituationen schauen. Daher ist nicht alles, was wir vertriebsseitig schon erreicht haben, auch in den Umsätzen bereits sichtbar.
Wie nachhaltig schätzen Sie die Margensteigerung im vergangenen Jahr ein? Und welches Renditeniveau ist mittelfristig bei einer weiteren Steigerung des Cloud-Anteils realistisch?
André Hergert: Wir hatten bis zum Oktober neun positive Quartale in Folge. Dabei ist die Marge im Großen und Ganzen kontinuierlich gesteigert worden. Das sind für mich schon deutliche Anzeichen für Nachhaltigkeit. Aber natürlich haben wir unsere Zielmarke von 15 Prozent noch nicht erreicht, werden jedoch unsere Guidance für 2021, eine weiter verbesserte Marge gegenüber 2020 zu erreichen, wohl erfüllt haben und das auch ohne den Sondereffekt aus dem Verkauf der AWEK microdata. Dennoch fühle ich mich mittlerweile schon sehr komfortabel in Bezug auf die Erreichung unserer Mittelfristprognose auch auf der Margenseite, wenn die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Umstände sich nicht erneut erheblich verschlechtern. Über ein Margenniveau, das wir erreichen könnten, wenn der Cloud-Anteil weiter steigt, möchte ich jetzt noch nicht spekulieren, da diese Entwicklung zu jung und naturgemäß auch noch mit Unsicherheiten behaftet ist.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 90,45 | 106,15 | 115,45 | 117,56 | 130,85 | 152,05 | 172,50 | |
EBITDA1,2 | 8,77 | 6,83 | 12,26 | 19,08 | 26,79 | 24,76 | 2,76 | |
EBITDA-Marge3 | 9,70 | 6,43 | 10,62 | 16,23 | 20,47 | 16,28 | 1,60 | |
EBIT1,4 | 4,99 | 1,60 | 3,43 | 10,54 | 17,31 | 16,78 | -5,08 | |
EBIT-Marge5 | 5,52 | 1,51 | 2,97 | 8,97 | 13,23 | 11,04 | -2,95 | |
Jahresüberschuss1 | 3,88 | 0,92 | -3,14 | 6,27 | 13,30 | 11,36 | -5,17 | |
Netto-Marge6 | 4,29 | 0,87 | -2,72 | 5,33 | 10,16 | 7,47 | -3,00 | |
Cashflow1,7 | 8,69 | 7,00 | 6,49 | 17,71 | 23,22 | 26,21 | -10,26 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,00 | 0,48 | -1,60 | 3,00 | 5,66 | 4,84 | -2,30 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Seit 2016 mussten Ihre Aktionäre auf eine Dividende verzichten. Wird sich das mit der steigenden Profitabilität in den nächsten Jahren wieder ändern?
André Hergert: Wir konnten schon aus bilanzrechtlichen Gründen in den vergangenen Jahren keine Dividende zahlen; die erfreuliche Entwicklung der vergangenen Jahre lässt aber erwarten, dass es in nächster Zeit wieder möglich sein wird, über das Thema Dividende nachzudenken können. Dann werden wir abwägen, welche Gewichtung wir den weiteren Wachstumsmöglichkeiten der Gruppe gegenüber Ausschüttungen geben wollen und können.
GK belegt bereits im dritten Jahr in Folge den Spitzenplatz bei den POS-Software-Neuinstallationen des Einzelhandels weltweit. Bei den Self-Scanning-Installationen liegt GK weltweit auf Platz vier. Sehen Sie auch hier Chancen, perspektivisch auf den Spitzenplatz vorzurücken?
André Hergert: Wir sind natürlich sehr stolz darauf, bei den Neuinstallationen zum dritten Mal in Folge die Nr. 1 zu sein. Das ist ein wichtiger Gradmesser dafür, welche Position und vor allem welche Dynamik man im Markt und im Vergleich zu ihm weltweit hat. Das führt zudem zu einer regelmäßig positiven Aufnahme in Gartner- oder Forrester-Reports sowie zu einer erhöhten Sichtbarkeit. Das Thema Self-Scanning, also das Scannen und Bezahlen mit dem eigenen Smartphone oder einem Händlergerät steht bei vielen unserer Kunden auf der Tagesordnung und wir bieten hier eine erprobte Lösung, die Teil unserer Plattform ist. Gerade erst hat die Schweizer Migros kommuniziert, dass ihr großes Self-Scanning-Projekt vollständig ausgerollt ist und wir sind stolz, den zentralen Teil der Technologie dahinter liefern zu dürfen. Für uns ist dieses Thema aber immer Teil eines größeren Bildes. Und natürlich ist es ein Vorteil, solche Themen vollständig anbieten zu können und den Händlern einen einfachen und direkten Weg zu solchen Angeboten für ihre Kunden zu offerieren.
Technologisch sind Sie schon einen Schritt weiter und haben das neue scanless Format GK Go vorgestellt. Wie funktioniert das vollständig kontaktlose Einkaufen?
André Hergert: Wir haben im November in unserer Unternehmenszentrale den ersten GK GO Store eröffnet, der sich von Self-Scanning-Projekten dadurch unterscheidet, dass Sie nur noch einchecken, ihre Artikel in die Tasche legen und dann den Laden verlassen. Der Scan-Prozess wird hier durch eine Kombination von Lidar-Technologie und intelligenten Regalen sowie Waagen, die an unsere CLOUD4RETAIL GO Services angebunden wurden, vollautomatisch und sehr fehlerresistent übernommen. Im Gegensatz zu anderen Konzepten, die auf Kamera-Technologie basieren, sind wir dabei in der Lage, in Echtzeit mit den Kunden zu kommunizieren und tangieren keine Datenschutzthemen.
Hat GK Go das Potenzial, sich als Einkaufsformat der Zukunft zu etablieren oder sehen Sie darin eher eine technische Spielerei, die auf Nischen beschränkt bleiben wird?
André Hergert: Das große Interesse, das wir mit GK GO ausgelöst haben, zeigt uns, dass es hier nicht nur um ein Ausloten von technischen Möglichkeiten geht. Der Handel sucht permanent nach Möglichkeiten, seine Kunden zu erreichen und bessere Services zu bieten. Das sogenannte Go-Style-Shopping ist dabei ein Weg, sowohl in bestehenden Formaten neue Wege zu gehen als auch abseits davon – zum Beispiel auf dem Land – neue Chancen zu eröffnen. Das Feedback, das wir erhalten, zeigt uns dabei, dass unser technischer Ansatz richtig ist. Und im Gegensatz zum Wettbewerb in diesem Bereich bieten wir natürlich nicht nur einen Scanless-Ansatz, sondern die volle Palette dessen, was der Handel heute und morgen benötigt.
Im Juni haben Sie eine Allianz mit IBM geschlossen, danach folgte Amazon mit AWS. Gibt es weitere passende Kooperationspartner für GK?
André Hergert: Die neuen Allianzen mit Microsoft, IBM und jüngst mit Amazon AWS zeigen, dass GK ein ernstgenommener Partner für die Hyperscaler ist. Der Hintergrund dafür ist natürlich, dass unsere Lösungen über unsere Kunden mit ihren sehr großen Zahlen an Geräten und Transaktionen für Cloud-Strukturen ein geradezu ideales Anwendungsgebiet darstellen. Dabei geht es uns zum einen um günstige Konditionen für unsere Kunden, aber auch darum, unsere Vertriebsreichweite auszudehnen. Nun sollte man aufgrund der intensiven Auswahlprozesse für unsere Lösungen keine allzu schnellen Erfolge aus diesen Kooperationen in Hinsicht auf neue gemeinsame Kunden erwarten. Es gibt allerdings in mehreren Konstellationen bereits jetzt sehr vielversprechende Ansätze. Und natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass wir mit allen Anbietern in diesem Bereich sprechen, die Partner unserer Kunden sind.
Etwas ruhiger ist es zuletzt um die Deutsche Fiskal geworden. Gibt es hier weitere Erfolge zu vermelden oder ist die Zeit der größeren Wachstumssprünge hier erst einmal vorbei?
André Hergert: Die Deutsche Fiskal macht uns sehr glücklich, denn wir konnten sowohl die erwarteten Marktanteile erreichen als auch eine extrem stabile Lösung in der Cloud zur Verfügung stellen. Um das zu verdeutlichen: Bei täglich im Durchschnitt 30 bis 40 Millionen Transaktionen in Echtzeit liegt die Fehlerquote praktisch bei Null. Das übertrifft sogar unsere eigenen Erwartungen. Bezüglich der Marktsituation ist zu sagen, dass die erste Aufteilung in den wesentlichen Zügen stattgefunden hat, es aber immer noch Möglichkeiten gibt, den Anteil der Deutschen Fiskal zu erhöhen. Daran wird permanent gearbeitet – erst jüngst kam der erste native Android-Client der DF auf den Markt, nachdem er erfolgreich zertifiziert wurde. Und nachdem wir uns unserer Lösung für Deutschland sicher sind, kann man sich nach möglichen Anwendungsfällen in anderen Ländern umschauen.
Große Hoffnungen setzen Sie in GK SPOT. Könnten Sie unseren Lesern bitte kurz erläutern, was es damit auf sich hat?
André Hergert: GK SPOT ist gegenwärtig ein wichtiges Entwicklungsthema bei uns im Haus. Wir kombinieren Big-Data-Verfahren mit Künstlicher Intelligenz, um Händlern ganz neue Möglichkeiten zu bieten, zum Beispiel bei der sogenannten Echtzeit-Hyperpersonalisierung. Es handelt sich um eine reine Cloud-Lösung, die auf State-of-the-Art-Technologien basiert. Die Künstliche Intelligenz steuern wir aus unserem GK AIR – das steht für Artificial Intelligence for Retail – Produktportfolio bei. Wir verproben die Idee regelmäßig bei unseren großen Kunden und passen die Konzeption an die dabei gewonnenen Einsichten an, um ein Produkt zu entwickeln, das den Bedürfnissen des Marktes voll entspricht.
Inwiefern ist GK SPOT in Ihrer Mittelfristprognose bereits berücksichtigt?
André Hergert: GK SPOT ist weiterhin ein Entwicklungsprojekt und ist ebenso wenig in der Prognose enthalten, wie die Ausdehnung in komplett neue Märkte. Damit denke ich u. a. an unsere neue Niederlassung in Singapur, der wir erst einmal Zeit geben müssen, sich in der Region zu etablieren und zu wirken. Aber auch ohne diese Sonderfaktoren sehe ich uns für die Umsetzung unserer Mittelfristprognose und darüber hinaus gut aufgestellt.
Herr Hergert, besten Dank für das Interview.
André Hergert war seit dem Abschluss seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Lüneburg und der Loughborough University im Jahr 1991 als Leiter des Rechnungswesens und Finanzdirektor in verschiedenen Unternehmen der Finanz- und IT-Branche tätig. Im Jahr 2006 wurde er Partner bei einer Unternehmensberatung mit den Schwerpunkten Mergers & Acquisitions, Strategie sowie interne und externe Berichtsentwicklung. Seit 2008 ist Hergert Mitglied des Vorstands der GK Software SE.
Fotos: Clipdealer, GK Software SE