Nach der 111. Hauptversammlung am 17. Mai 2013 von Gildemeister war klar: Demnächst wird es den ersten MDAX-Titel mit japanisch klingendem Namen geben. Der Werkzeugmaschinenbauer Gildemeister firmiert künftig unter DMG Mori Seiki AG – wobei DMG für Deckel Maho Gildemeister steht und Mori Seiki der Name des langjährigen Kooperationspartners aus der japanischen Hafenstadt Nagoya ist. Gildemeister-Vorstandschef Rüdiger Kapitza sprach in diesem Zusammenhang von „wichtigen Meilensteinen“ und „einer zentrale Säule der Unternehmensstrategie“. Ziel der beiden Partner ist es, das weltweite Vertriebs- und Service-Netzwerks zu stärken und die Produktion auszuweiten. Zudem sollen Synergien durch die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Entwicklung gehoben werden.
Die Börsianer haben sich trotz der großen Worte zunächst einmal in Lauerstellung gebracht. In den vergangenen Wochen seit dem Aktionärstreffen hat sich die Notiz von Gildemeister kaum von der Stelle bewegt – aber auch an der Tokioter Börse ließ sich in der Zwischenzeit mit dem Anteilschein von Mori Seiko (JP3924800000) nicht wirklich Geld verdienen. Hintergrund der abwartenden Haltung waren vermutlich die umfangreichen Kapitalmaßnahmen, die mit der Umstrukturierung verbunden sind. Doch diese Kurssperre dürfte sich schon bald lösen. Anfang August hat zunächst Mori Seiki via Sachkapitalerhöhung rund 3,25 Millionen neue Gildemeister-Aktien zu einem Preis von 17,50 Euro gezeichnet. Bezahlt haben die Japaner in Form einer Beteiligung von 19 Prozent an ihrer US-Tochter in Davis sowie 44,1 Prozent an Magnescale aus dem japanischen Kanagawa. Die Sacheinlagen haben demnach einen Gegenwert von knapp 57 Mio. Euro. Vorteil der Transaktion: Gildemeister hat künftig Zugang zu der amerikanischen Fertigungsstätte für Werkzeugmaschinen sowie der attraktiven Magnescale-Vermessungstechnologie.
Ende August folgte dann die Barkapitalerhöhung, die sich an alle Aktionäre von Gildemeister richtete. Noch bis zum 12. September haben die Anleger die Möglichkeit, für je vier alte Papiere eine neue Gildemeister-Aktie zu 14,50 Euro zu kaufen. Insgesamt wird sich die Aktienzahl der Bielefelder durch diese Maßnahme um maximal 15.402.589 Stück auf bis zu 78.817.994 Anteilscheine erhöhen. Mori Seiki, derzeit noch mit etwa 24,19 Prozent bei Gildemeister engagiert, wird das Bezugsrecht voll ausüben. Laut Emissionsprospekt würde sich damit – zumindest theoretisch – zum 30. Juni 2013 ein Nettobuchwert des konsolidierten Vermögens von 13,63 Euro pro Aktie ergeben. Das entspricht etwa 80 Prozent des gegenwärtigen Kurses von 17 Euro. Reale Wertgegenstände und Aktienkurs bewegen sich bei Gildemeister also nicht weit voneinander entfernt. Andererseits ist das Unternehmen künftig mit rund 1,34 Mrd. Euro kapitalisiert, was etwa dem Wert von Firmen wie BayWa, Aareal Bank oder Gerresheimer entspricht. Zum Vergleich: Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung betrug der Börsenwert von Gildemeister 1,06 Mrd. Euro.
Komplettiert wurde der Deal durch einen Ausbau des Engagements von Gildemeister bei Mori Seiki von 5,5 auf 9,6 Prozent. „Die Aufstockung unserer Anteile an Mori Seiki soll unsere erfolgreiche strategische Kooperation untermauern“, sagt Gildemeister-Chef Kapitza. Den Emissionserlös von immerhin rund 210 Mio. Euro aus der großen Kapitalerhöhung will Gildemeister zum in erster Linie für die Erschließung des russischen Markts verwenden. Darüber hinaus sollen bestehende Produktionswerke modernisiert werden. Die starke Fokussierung bei der Mittelverwendung auf den russischen Markt hat allerdings für Diskussionsstoff gesorgt, zumal Gildemeister bislang meist die gesamten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, China und Indien) als wichtige Wachstumsregion definiert hat.
Für das laufende Jahr hat Gildemeister zuletzt einen konstanten Umsatz von rund 2 Mrd. Euro und einen ebenfalls kaum veränderten Nettogewinn von rund 82 Mio. Euro in Aussicht gestellt. Bezogen auf die neue Aktienzahl entspricht das einem Ergebnis pro Anteilschein von 1,04 Euro. Vor Durchführung aller Maßnahmen hätte das Ergebnis je Aktie bei 1,36 Euro gelegen. Der Verwässerungseffekt durch die Kapitalerhöhung ist also nicht zu unterschätzen. Selbst auf Basis der 2014er-Prognose kommt die Gildemeister-Aktie derzeit auf ein nicht gerade super günstiges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 15. Andererseits bewegt sich Gildemeister damit immer noch leicht unterhalb des KGV von Hermle aus dem schwäbischen Gosheim. Rückenwind könnte der Aktienkurs aber von anderer Seite bekommen, denn vom 16. bis 21. September 2013 findet in Hannover EMO statt. Die Leitmesse für Werkzeugmaschinen dürfte das Interesse der Investoren auf die Branche lenken, zudem erhofft sich Gildemeister von dem Branchentreffen zusätzliche Geschäftsimpulse. Immerhin ist Gildemeister zusammen mit Mori Seiki der größte Aussteller.
Die Analysten der Deutschen Bank haben Gildemeister nach der Kapitalerhöhung von “Halten” auf “Kaufen” heraufgestuft und das Kursziel von 14 auf 20 Euro angehoben. Demnach hätte die noch ein Potenzial von rund 17 Prozent. Das klingt nicht übermäßig attraktiv. Anderseits müssen Kursziele auch nicht immer 30 Prozent und mehr vom aktuellen Kurs entfernt sein. Positiv ist auf jeden Fall zu werten, dass die umfangreichen Kapitalmaßnahmen in Kürze abgeschlossen sind und somit zumindest ein Unsicherheitsfaktor wegfällt. Und an den Namen DMG Mori Seiki AG werden sich die Investoren beim Blick auf die MDAX-Kursliste wohl bald auch gewöhnen. Vielleicht gibt es ja sogar einen Japan-Kick im MDAX. Wenngleich: Noch ist es nicht soweit. Zunächst gilt es die Eintragung ins Handelsregister abzuwarten.