Das hatten sich die Beteiligten sicher auch alle anders vorgestellt: Trotz einer umfangreichen finanziellen Sanierung und einer Umpositionierung des Geschäftsmodells dümpelt die Gigaset-Aktie bei 0,70 Euro herum. Auf diesem Niveau bringt es die im streng regulierten Prime Standard gelistete Gesellschaft auf eine Marktkapitalisierung von 85,3 Mio. Euro. Inklusive des Saldos aus Pensionsverpflichtungen (klassische Bankverbindlichkeiten hat Gigaset nicht mehr) und liquiden Mitteln ergibt sich ein Enterprise Value (EV) von 103 Mio. Euro. So viel müsste ein Investor auf den Tisch legen, wenn er den Spezialisten für Schnurlostelefone und Telekommunikationsprodukte schuldenfrei übernehmen wollte. Zur Debatte steht das allerdings nicht. Seit geraumer Zeit hält der Hongkonger Investor Pan Sutong über sein Anlagevehikel Goldin Investment die Mehrheit an Gigaset – zuletzt waren es 76,55 Prozent. Für 2014 rechnet Gigaset-Vorstand Charles Fränkl erneut mit spürbar rückläufigen Erlösen und einer EBITDA-Marge im oberen einstelligen Prozentbereich. Um dieses Ziel zu erreichen, muss Gigaset im Abschlussquartal aber noch mächtig zugelegt haben. Per Ende September kam das Unternehmen auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von gerade einmal 7,09 Mio. Euro, was – bezogen auf den Umsatz von knapp 219 Mio. Euro – einer Rendite von 3,2 Prozent entspricht. Unterm Strich stand ein Fehlbetrag von 11,1 Mio. Euro.
Im Standardgeschäft Schnurlos-Telefone für den Privatbereich ist Gigaset grundsätzlich zwar gut positioniert. Doch der Markt ist stark rückläufig. Immer mehr Leute verzichten auf ein Festnetzgerät und verwenden auch zuhause ausschließlich ihr Smartphone. Im Geschäftskundensegment ist die Entwicklung nicht ganz so krass, letztlich geht die Tendenz aber auch hier Richtung Mobilfunk. Im Bereich Home Networks setzt Gigaset auf Produkte wie Bewegungsmelder oder Kameras, die via Smartphone anzeigen, wenn sich etwas in den eigenen vier Wänden tut. Der Markt hat Potenzial, noch ist das Volumen jedoch überschaubar. Zukunftsmusik sind Smartphones, die dem Vernehmen nach gemeinsam mit Goldin entwickelt werden. Ob solche Produkte angesichts der übermächtigen Konkurrenz überhaupt eine Chance am Markt hätten, steht ohnehin in den Sternen. Und hier offenbart sich die ganze Problematik: Gigaset bewegt sich in einem schrumpfenden Markt. Die Smart-Phone-Lawine begräbt langfristig wohl fast alles unter sich. Kein Wunder, dass Gigaset die Ausrichtung stärker auf Internettelefonie-basierte Systeme und Geräte ausrichtet, deren Funktionalität stark an die von Smartphones heranreicht – mit dem sprachlichen Komfort von Festnetzgeräten. Eine Chance für Gigaset könnte dabei die zurzeit laufende Umstellung der Deutschen Telekom von analogen bzw. ISDN-Anschlüssen auf digitale Übertragungstechnik sein.
Auf dem aktuellen Niveau gehört das Papier wohl höchstens auf die Beobachtungsliste. Für eine Kaufen-Empfehlung fehlen uns die schlagenden Argumente. Vielleicht liefert sie Firmenlenker Fränkl, dessen Vertrag gerade bis März 2017 verlängert wurde, mit den Zahlen für 2014 und einem ansprechenden Ausblick. Bis dahin halten wir uns zurück. Das 52-Wochen-Tief liegt bei 63 Cent – also unweit der aktuellen Notiz. Dementsprechend wenig Einstiegsgründe liefert auch der Blick auf den Chart. Ein klarer Trend fehlt zurzeit. Wirklich gut würde es wohl wieder erst aussehen, wenn die Marke von 1 Euro spürbar überschritten wird. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Fundamental sieht es ähnlich aus: Der von boersengefluester.de ermittelte Buchwert je Aktie beträgt 0,44 Euro. Dementsprechend ergibt sich ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von rund 1,6. Auch das deutet nicht unbedingt auf eine spürbare Unterbewertung hin. Als Penny-Stock hat der Titel ohnehin einen Malus bei vielen Investoren. Hinzu kommt der vergleichsweise niedrige Freefloat. Als Bekenntnis zur Börsennotiz ist hingegen die Zugehörigkeit zum Prime Standard zu werten. Ein Downgrading Richtung Entry Standard würde zwar Kosten sparen, wäre aber klar das falsche Signal.
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