Kurz vor Jahresende hat Christoph Gerlinger noch richtig einen rausgehauen: Für netto rund 10,80 Mio. Euro hat der CEO der German Startups Group die Beteiligung von 50,77 Prozent an der Digitalagentur Exozet an die börsennotierte britische Technologie-Holding Endava plc verkauft. Getuschelt wurde über den so wichtigen Deal schon seit vielen Quartalen, und eigentlich hätte bereits im Sommer Vollzug gemeldet werden sollen. Doch derart komplexe Prozesse verlaufen selten geradeaus. Umso bemerkenswerter, dass Gerlinger nun nicht nur Nägel mit Köpfen gemacht hat, sondern auch noch einen wesentlich höheren Preis erzielt hat, als ursprünglich veranschlagt. Jedenfalls kann boersengefluester.de sich noch gut daran erinnern, dass in früheren Hintergrundgesprächen mit der German Startups Group zwar regelmäßig von stattlichen Multiples die Rede war, aber eben nicht in der jetzt gemeldeten Größenordung. Den Veräußerungsgewinn geben die Berliner mit immerhin 6,10 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die gesamte Marktkapitalisierung der German Startups Group (GSG) beträgt derzeit nur knapp 21 Mio. Euro.
Mit den Einnahmen wollen die Berliner – wie mehrfach kommuniziert – keine neuen Beteiligungen eingehen, sondern unter anderem den Rückkauf eigener Aktien forcieren. Entsprechende Programme gab es bereits in der Vergangenheit. Der Hauptgrund ist so einfach wie ernüchternd: An der Börse stößt das Venture Capital-Konzept auf sehr mäßige Gegenliebe, was sich in einem nachhaltigen Abschlag zum Substanzwert (NAV) ausdrückt. Als indikativen NAV zum Jahresende 2019 nennt Gerlinger gegenüber boersengefluester.de eine Größenordnung von rund 3 Euro je GSG-Aktie. Das wiederum ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil sich der Aktienkurs auch nach dem jüngsten Hüpfer noch immer deutlich tiefer, bei gerade einmal 1,75 Euro, bewegt.
Keine Frage: Die schrittweise Auflösung des bisherigen Geschäfts ist zunächst einmal kein übermäßig prickelndes Investmentszenario, auch wenn sich etwa mit AuctionTech, Mister Spex oder auch der im Bereich Seltene Erden aktiven Ceritech spannende Titel im Portfolio befinden, die in in nicht allzuferner Zulunft für „signifikante Veräußerungsgewinne“ gut sein sollten. „Wir befinden uns in sehr konkreten Gesprächen“, lässt Gerlinger schon jetzt durchblicken. Für eine runde Kapitalmarktstory braucht es freilich mehr Inhalte, das weiß auch Gerlinger. Noch lässt er sich nicht in die Karten schauen, doch in Bereichen wie Asset Management oder als Investor in transparenteren Anlageklassen mit laufenden Erträgen dürfte sich Beteiligungsprofi Gerlinger pudelwohl fühlen.
Losgelöst von solchen Überlegungen, sollte aber auch gesamte Börsenmantel der German Startups Group mit Blick auf ein Reverse-IPO für Dritte von erheblichem Wert sein – insbesondere aus steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten. Und wenn wir es richtig deuten, würde sich auch Gerlinger als Komplementär der German Startups Group GmbH & Co. KGaA nicht gegen so eine Form der Verwertung sträuben. Wenig Bewegung zeigt derweil der Aufbau des Handelsplattform G|S Market für Anteile an jungen Unternehmen. „Die Plattform spielt in unseren strategischen Überlegungen weiterhin eine Rolle, wir haben aber kaum Vermarktung betrieben”, räumt Gerlinger ein. Komoplett auf Eis liegen, dürfte derweil der offiziell noch immer für 2019 angekündigte Top 50-Fonds für besonders attraktive deutsche Start-ups.
Summa summarum ist es jedoch das wichtigere Signal, dass die Dauerspekulation um Exozet nun erfolgreich abgeschlossen ist und CEO Christoph Gerlinger hier mehr geliefert hat als gedacht – auch wenn sich der Prozess ordentlich in die Länge gezogen hat. Normalerweise sollte sich der Aktienkurs im ersten Schritt mindestens dem vor gut vier Jahren beim Börsengang verlangten Ausgabekurs von 2,50 Euro nähern. Langfristig sind auch spürbar höhere Kurse möglich. Das hängt jedoch von der genauen Ausgestaltung des künftigen Geschäftsmodells ab. Geeignet ist der Titel, schon allein wegen der geringen Martkapitalisierung, also nur für risikobereite und erfahrene Anleger.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 9,61 | 12,53 | 16,45 | 0,13 | 11,10 | 13,32 | 4,79 | |
EBITDA1,2 | 2,70 | 2,34 | 4,84 | -1,12 | 6,79 | 2,61 | -7,67 | |
EBITDA-Marge3 | 28,10 | 18,68 | 29,42 | -861,54 | 61,17 | 19,59 | -160,13 | |
EBIT1,4 | 2,27 | 1,72 | 4,19 | -1,12 | 5,61 | -5,31 | -82,49 | |
EBIT-Marge5 | 23,62 | 13,73 | 25,47 | -861,54 | 50,54 | -39,87 | -1.722,13 | |
Jahresüberschuss1 | 1,68 | -0,68 | 3,42 | -0,74 | 14,08 | 6,85 | -81,51 | |
Netto-Marge6 | 17,48 | -5,43 | 20,79 | -569,23 | 126,85 | 51,43 | -1.701,67 | |
Cashflow1,7 | -2,00 | -1,60 | 0,88 | -1,75 | -5,83 | 10,76 | -2,68 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,05 | 0,26 | -0,05 | 0,28 | 0,16 | -1,76 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,02 | 0,02 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
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