Was hat boersengefluester.de in den vergangenen Jahren nicht schon alles über Geratherm Medical geschrieben (HIER). Am Ende bleibt allerdings die Erkenntnis, dass es der Hersteller von Fieberthermometern und anderen medizintechnischen Produkten – etwa zur Lungenfunktionsmessung – bislang nicht geschafft hat, nachhaltig gute Zahlen zu liefern und so für eine attraktive Investmentstory zu sorgen. Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Geratherm ist grundsätzlich ein solide arbeitendes Unternehmen mit robuster Bilanz. Allerdings kommt seit Jahren immer etwas dazwischen, was die eigentlich angestrebten Umsatzrenditen regelmäßig verhagelt. Selbst der Corona-Schub hat der Gesellschaft nicht nachhaltig auf die Sprünge geholfen. Jedenfalls ist das 2021er-Zahlenwerk – geprägt durch die Belastungen aus der geplanten Einstellung des Geschäftsbereiches Medizinische Wärmesysteme für den OP-Bereich sowie weiteren regulatorischen Zertifizierungsaufwand – schon wieder alles andere als erbaulich.
So fiel der Gewinn vor Steuern für das vergangene Jahr von 2,72 Mio. Euro auf nur noch 308.000 Euro zurück. Die Dividende zur Hauptversammlung am 26. August 2022 wird daher von 0,40 auf 0,12 Euro je Aktie gekürzt. Das ist der niedrigste Satz seit der Nullrunde von 2008. Kein glücklicher Einstand also von Vorstand Christian Frick, der den Posten im Sommer 2021 von Großaktionär und Limes Schlosskliniken-Vorstand Gert Frank übernommen hat. Nun kommt allerdings von außen Bewegung in die noch im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelistete Aktie: So bietet das dem Glasfabrikanten Joachim Wiegand zurechenbare Investmentvehikel JotWe GmbH 8,50 Euro je Geratherm-Aktie.
Nicht wirklich eine attraktive Offerte, auf die Anleger unbedingt eingehen sollten, aber trotzdem könnte die weitere Entwicklung spannend werden. Zunächst einmal macht das Team Wiegand mit Gert Frank – der Ex-Geratherm-Vorstand hat seine Aktien in der GMF Capital GmbH deponiert – gemeinsame Sache in Form eines Poolvertrags der Stimmrechtszählung. Darüber hinaus gab es kürzlich eine 10-Prozent-Kapitalerhöhung zu ebenfalls 8,50 Euro – entsprechend einem Mittelzufluss von brutto 4,2 Mio. Euro –, an der nur die JotWe GmbH teilnehmen durfte. Inklusive der Aktien aus dieser Finanzierungsrunde kommt der Pool aus JotWe und GMF auf nun exakt 25,00003 Prozent der Aktien. Die restlichen Anteile sind dem Streubesitz zuzurechnen.
Eine der ersten Amtshandlungen von Vorstand und auch dem Aktionärspool um JotWe ist der noch für das laufende Jahr angestrebte Wechsel vom teuren Prime Standard in das Frankfurter Freiverkehrssegment Scale. Formal handelt es sich dabei um ein Delisting, de facto passt eine Notierung im Scale aber wohl ohnehin besser zur Unternehmensgröße von Geratherm. Da allerdings noch unklar ist, ob es sich hierbei „nur“ um ein aus Kostengründen getriebenes Downlisting oder möglichrweise doch um einen Börsenabschied auf Raten handelt, ist zumindest Obacht angesagt. Immerhin wäre ein kompletter Kapitalmarktrückzug im Scale sehr viel leichter umzusetzen als im Prime Standard.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 21,03 | 21,52 | 19,85 | 27,47 | 23,94 | 25,85 | 20,96 | |
EBITDA1,2 | 1,77 | 2,80 | 2,35 | 4,35 | 2,31 | 3,55 | 4,27 | |
EBITDA-Marge3 | 8,42 | 13,01 | 11,84 | 15,84 | 9,65 | 13,73 | 20,37 | |
EBIT1,4 | 0,63 | 1,99 | 1,05 | 3,04 | 0,59 | 2,07 | 2,55 | |
EBIT-Marge5 | 3,00 | 9,25 | 5,29 | 11,07 | 2,46 | 8,01 | 12,17 | |
Jahresüberschuss1 | 0,22 | 0,83 | 0,29 | 1,90 | 0,33 | 1,08 | 1,67 | |
Netto-Marge6 | 1,05 | 3,86 | 1,46 | 6,92 | 1,38 | 4,18 | 7,97 | |
Cashflow1,7 | 2,47 | 1,35 | 1,54 | 3,92 | 0,92 | 2,79 | 1,47 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | 0,23 | 0,11 | 0,41 | 0,02 | 0,19 | 0,21 | |
Dividende8 | 0,47 | 0,40 | 0,25 | 0,40 | 0,12 | 0,15 | 0,10 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Interessant aus operativer Sicht könnten jedoch mögliche Synergien zwischen Geratherm und Wiegand-Glas werden, immerhin ist die Gesellschaft einer der größten Glasbehälterhersteller in Deutschland – von der normalen Bierflasche bis zum Jägermeister-Flachmann. Geratherm wiederum produziert im thüringischen Geratal unter anderem medizinische Glaskapillare und Dosiersysteme für Flüssigmedikamente für den klinischen Einsatz. Komplett losgelöst voneinander agieren beide Unternehmen also nicht. Für boersengefluester.de gehört die Geratherm-Aktie derzeit mindestens wieder auf die Beobachtungsliste. Am 26. April steht die Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2021 an. Wir sind schon jetzt gespannt, inwiefern Vorstand Christian Frick die Gelegenheit nutzt, um detaillierter auf die Hintergründe der neuen Aktionärskonstellation einzugehen.
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