Fürchterlich viele Unternehmen aus dem industriellen Sektor mit einer operativen Marge von mehr als 20 Prozent gibt es nun wirklich nicht: Funkwerk hat es mit dem kürzlich vorgelegten Geschäftsbericht geschafft, diesem exklusiven Club beizutreten. Bei Umsätzen von knapp 99 Mio. Euro kommt das auf Funksysteme für den Bahnverkehr, Infoanzeigen in Bahnhöfen oder auch Videoüberwachungsanlagen spezialisierte Unternehmen für 2020 auf ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 20,37 Mio. Euro. Avisiert hatte Funkwerk Erlöse zwischen 93 und 97 Mio. Euro sowie ein EBIT auf dem 2019er-Niveau von 16,26 Mio. Euro. „Einige laufende Projekte wurden sogar früher abgeschlossen als geplant, sodass wir unsere Prognosen für das Geschäftsjahr 2020 per saldo leicht übertrafen“, sagt CEO Kerstin Schreiber. Losgelöst von den üblichen Corona-Effekten agiert natürlich auch Funkwerk nicht. Aber wie bei den anderen börsennotierten Unternehmen aus dem erweiterten Bahnumfeld – Schaltbau, SBF, IVU Traffic oder auch Init – zeigt sich deutlich, dass die Investitionszyklen im Schienenverkehr sehr langfristig sind. Entsprechend robust sehen die Orderbücher aus.
Dabei hat das Unternehmen aus dem thüringischen Kölleda auch 2020 wieder alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Zahlenwerk nicht noch besser aussehen zu lassen und so möglicherweise Begehrlichkeiten zu wecken. So wurden die sonstigen Rückstellungen nochmals um 5,4 Mio. Euro auf nun 34,02 Mio. Euro erhöht. Das sind immerhin etwas mehr als 35 Prozent der Bilanzsumme. Abgefedert werden darüber alle möglichen Risiken – in erster Linie für nachlaufende Projektkosten sowie Gewährleistungen. Nun können unvorhergesehene Ereignisse immer eintreten, bei Funkwerk ist das Reservepolster aber ganz besonders üppig dotiert. Und weil es an dieser Stelle so gut passt: Umfangreich dargestellt ist auch im aktuellen Jahresreport wieder das leidige „Algerien-Thema“ (HIER), ohne freilich einen ganz neuen Erkenntnisgewinn zu vermitteln.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 77,60 | 82,66 | 94,85 | 98,76 | 122,49 | 132,08 | 156,25 | |
EBITDA1,2 | 9,70 | 12,97 | 17,88 | 22,71 | 36,79 | 30,64 | 31,41 | |
EBITDA-Marge3 | 12,50 | 15,69 | 18,85 | 23,00 | 30,04 | 23,20 | 20,10 | |
EBIT1,4 | 7,16 | 11,42 | 16,26 | 20,37 | 35,01 | 28,29 | 26,80 | |
EBIT-Marge5 | 9,23 | 13,82 | 17,14 | 20,63 | 28,58 | 21,42 | 17,15 | |
Jahresüberschuss1 | 4,39 | 7,44 | 8,21 | 13,56 | 23,78 | 19,54 | 17,95 | |
Netto-Marge6 | 5,66 | 9,00 | 8,66 | 13,73 | 19,41 | 14,79 | 11,49 | |
Cashflow1,7 | 7,99 | 14,92 | 19,67 | 22,00 | 26,47 | 8,40 | 15,58 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,54 | 0,92 | 1,01 | 1,68 | 2,95 | 2,42 | 2,14 | |
Dividende8 | 0,25 | 0,30 | 0,30 | 0,30 | 1,00 | 1,50 | 0,75 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Mit den Funkwerk-üblichen Einschränkungen ist auch der Ausblick für 2021 versehen. Demnach hängt der angekündigte Sprung bei den Erlösen auf eine Bandbreite von 105 bis 110 Mio. Euro mit einem von der Bundesregierung geförderten Sonderprojekt im Bereich Zugfunk zusammen. Mit Blick auf die EBIT-Marge peilt Funkwerk eine verglichen mit 2020 konstante Größenordnung an. Nun: Tatsächlich dürfte es wohl wieder einmal etwas mehr sein, so dass ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 23 Mio. Euro wohl eher die Untergrenze darstellen sollte. Beim Börsenwert liegt Funkwerk noch immer knapp unter der Marke von 200 Mio. Euro, was – zumindest für den Geschmack von boersengefluester.de – viel zu niedrig ist. Zudem stehen in der quasi frei von Bankschulden befindlichen Bilanz knapp 52,5 Mio. Euro an liquiden Mitteln auf der Aktivseite. Auch wenn davon ein markanter Teil für die Abwicklung des operativen Geschäfts nötig sein dürfte, bei der Bewertung der Funkwerk-Aktie sollten Anleger immer die pikfeine Bilanz im Hinterkopf behalten.
Zumindest in der jetzigen Aktionärsstruktur – Hörmann Industries aus dem bayerischen Kirchseeon hält knapp 78 Prozent der Anteile – sind Spekulationen auf hohe Dividenden aber wohl hoffnungslos. Auch zur Hauptversammlung am 20. Juli 2021 stehen erneut nur 0,30 Euro je Aktie auf der Agenda. Für renditeorientierte Anleger ist der Titel also nicht unbedingt erste Wahl. Umso mehr kommen Value-Fans bei Funkwerk auf ihre Kosten. Der Titel bleibt jedenfalls einer der Dauerfavoriten von boersengefluester.de.
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