Was ist nur aus Funkwerk geworden? Das werden sich langjährige Aktionäre fragen, wenn sie sich am 20. Juni 2013 im Erfurter Radison Blue Hotel zur Hauptversammlung treffen. Von 2000 bis 2007 legte die Firma ein rasantes und gleichzeitig profitables Wachstumstempo vor. An der Börse zählte der Titel zu den Anlegerlieblingen. Mit der Finanzkrise kam 2009 dann der Schock: Die Umsätze knickten um 25 Prozent ein, zudem musste die Gesellschaft 20 Mio. Euro außerordentliche Abschreibungen vornehmen. Der damalige Vorstandschef Hans Grundner sprach von einer „außergewöhnlichen Belastungsprobe“ und hoffte, dass der Verlustabschluss ein „ einmaligen Ereignis“ bleiben werde. Für 2012 stellte er seinerzeit bereits wieder einen Umsatz von 300 Mio. Euro in Aussicht. Grundner irrte gewaltig: Mittlerweile liegen bereits vier verlustreiche Jahre hinter dem Anbieter von Kommunikationssystemen für Verkehrsbetriebe und High-end-Videoüberwachungsanlagen aus Kölleda in Thüringen. Der Geschäftsbericht für 2012 weist bei Erlösen von 141 Mio. Euro einen Verlust von 8 Mio. Euro aus. Verantwortlich für das Minus war eine Mixtur aus Sparzwang öffentlicher Auftraggeber, allgemeinem Preisdruck und weiteren Restrukturierungsaufwendungen.
Auf dem Parkett haben die meisten Investoren längst den Mut verloren, auf einen erfolgreichen Turnaround bei Funkwerk zu spekulieren – zu schlecht waren die Erfahrungen. Bedrohliche 80 Prozent hat die Funkwerk-Aktie (WKN: 575314) in den vergangenen fünf Jahren an Wert eingebüßt. Mit Sicht auf zwölf Monate steht ein Minus von knapp einem Viertel. Der Börsenwert beträgt nur noch knapp 20 Mio. Euro. Ein paar ganz mutige Anleger wagen sich nun aber wieder ein wenig aus der Deckung, denn seit Ende März baut der Small Cap so etwas wie Relative Stärke auf. Selbst bei den Analysten keimt Hoffnung auf, auch wenn die Zahlen für das Auftaktquartal 2013 alles andere als berauschend ausfielen. Bei einem um 20 Prozent auf 22,6 Mio. Euro rückläufigen Umsatz stieg der operative Verlust nochmal leicht auf Minus 2,9 Mio. Euro. Das Ergebnis je Aktie verschlechterte sich von Minus 0,38 Euro auf Minus 0,41 Euro.
Immerhin: Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass die Thüringer mittlerweile an jeder Stellschraube gedreht haben. Das gilt auch für die Kosten der Börsennotiz im streng regulierten Frankfurter Prime Standard. Ab 1. Juli 2013 wechseln die Thüringer in das kostengünstige Münchner Spezialsegment m:access. Bezüglich der Informationspolitik soll dieser Schritt für die Funkwerk-Aktionäre aber mit keinen Einschnitten verbunden sein. Ein Hinweis, den Unternehmen, die das Börsensegment wechseln, allerdings regelmäßig geben. Ob Funkwerk Wort hält, wird sich wohl erst in ein bis zwei Jahren zeigen. Bereits 2013 sollen dagegen die eingeleiteten Umstrukturierungsmaßnahmen und Effizienzprogramme ihre volle Wirkung entfalten. Hoffnung macht zudem der steigende Auftragseingang. Mittlerweile fokussiert sich Funkwerk nur noch auf zwei voneinander getrennte Sparten. Der Bereich Traffic & Control Communication (TCC) bietet unter anderem Ansage- und Anzeigesysteme für Bahnhöfe sowie Kommunikationssystem für Züge, Betriebsleitsysteme sowie Informationen für Reisende innerhalb der Waggons. Der zweite Bereich Security Communication (SC) steht für hochwertige Videoüberwachungsanlagen, wie sie in Gefängnissen eingesetzt werden, oder Notrufsysteme. Rund 57 Prozent der Konzernumsätze entfielen dabei 2012 auf den Verkehrsbereich.
Angesichts eines stärkeren Auslandsgeschäfts rechnet Funkwerk-Vorstand Manfred Lerch für 2013 bei stabilen Umsatzerlösen von rund 140 Mio. Euro beim Betriebsergebnis (vor Restrukturierungsaufwendungen) mit einer Steigerung um etwa 50 Prozent. Unterm Strich dürften damit aber auch 2013 noch rote Zahlen stehen. Für 2014 hält der Firmenlenker dann ein Umsatzwachstum von zehn Prozent für möglich. Die Analysten von Close Brothers Seydler kalkulieren für 2013 mit einem Fehlbetrag von gut 3 Mio. Euro. Optimistischer ist Kalliwoda Research. Das Frankfurter Analysehaus sieht Funkwerk 2013 bereits an der Break-Even-Schwelle kratzen. Dafür wartet Close Brothers Seydler mit einer ambitionierten Prognose für 2015 auf. Laut den Prognosen der ebenfalls in Frankfurt sitzenden Bank könnte Funkwerk dann nämlich bereits wieder ein Ergebnis je Aktie von 0,45 Euro erzielen. Bezogen auf den aktuellen Kurs würde sich daraus ein extrem niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 5,4 ergeben.
Gewisse Hoffnung auf eine Stabilisierung der Notiz macht auch die Bilanz. Liquide Mittel und Finanzschulden halten sich in etwa die Waage. Trotz der Verlustserie kommt Funkwerk noch immer auf ein Eigenkapital von knapp 29 Mio. Euro. Damit wird der Titel mit einem Abschlag von immerhin 30 Prozent auf den Buchwert gehandelt. Das Ausmaß des Desaster der vergangenen Jahre zeigt sich aber auch am Eigenkapital: 2008 standen immerhin 130 Mio. Eigenkapital zu Buche. Das sind mehr als das 6,5fache des aktuellen Börsenwerts. Unterm Strich ist die Funkwerk-Aktie aber immer noch ein heißes Eisen. Sollte der Turnaround gelingen, dürfte das Papier sicher für mehr als 100 Prozent Kursplus gut sein. Noch fehlen dafür jedoch die konkreten Hinweise in der Geschäftsentwicklung. Aber vielleicht lässt sich Vorstandschef Lerch ja bereits auf der Hauptversammlung am 20. Juni etwas tiefer in die Karten schauen. Auf die Watchlist gehört der Titel also allemal.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 77,60 | 82,66 | 94,85 | 98,76 | 122,49 | 132,08 | 156,25 | |
EBITDA1,2 | 9,70 | 12,97 | 17,88 | 22,71 | 36,79 | 30,64 | 31,41 | |
EBITDA-Marge3 | 12,50 | 15,69 | 18,85 | 23,00 | 30,04 | 23,20 | 20,10 | |
EBIT1,4 | 7,16 | 11,42 | 16,26 | 20,37 | 35,01 | 28,29 | 26,80 | |
EBIT-Marge5 | 9,23 | 13,82 | 17,14 | 20,63 | 28,58 | 21,42 | 17,15 | |
Jahresüberschuss1 | 4,39 | 7,44 | 8,21 | 13,56 | 23,78 | 19,54 | 17,95 | |
Netto-Marge6 | 5,66 | 9,00 | 8,66 | 13,73 | 19,41 | 14,79 | 11,49 | |
Cashflow1,7 | 7,99 | 14,92 | 19,67 | 22,00 | 26,47 | 8,40 | 15,58 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,54 | 0,92 | 1,01 | 1,68 | 2,95 | 2,42 | 2,14 | |
Dividende8 | 0,25 | 0,30 | 0,30 | 0,30 | 1,00 | 1,50 | 0,75 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |