Im Normalfall hat Frequentis ein kugelsicheres Geschäftsmodell. Kommunikationssysteme für die Überwachung der zivilen und militärischen Luftfahrt müssen schließlich immer funktionieren, auch wenn der Luftverkehr in Corona-Zeiten auf ein Minimum reduziert ist. Gleiches gilt für die Einsatzleitzentralen von Polizei, Feuerwehr oder andere Rettungsdienste aus dem Blaulichtbereich. Ebenfalls wichtig zu wissen: Die Kunden des Wiener Unternehmens mit Börsennotiz im Frankfurter Prime Standard sind nicht die Airlines oder Flughafenbetreiber, sondern weltweit die jeweiligen Flugsicherungen – also behördenähnliche Institutionen. Das schafft Planungssicherheit, zumal die meisten Projekte von Frequentis eine extrem lange Laufzeit und auch Vorbereitungsphase haben. Der Kapitalmarkt zeigte sich zuletzt hiervon indes wenig beeindruckt und faltete die Notiz der Frequentis-Aktie innerhalb weniger Wochen um rund ein Drittel auf 14 Euro – also signifikant unter den Mitte Mai 2019 gewählten IPO-Kurs von 18 Euro. Das ist bitter, weil sich das Unternehmen nach einem anfangs etwas schwunglosen Börsenstart eine immer bessere Reputation am Kapitalmarkt aufgebaut hatte und die Aktie auf dem Hoch bis auf 21 Euro an Wert gewann.
Keine Frage: Ein global agierendes Unternehmen wie Frequentis ist natürlich von der aktuellen Entwicklung rund um die Ausbreitung von COVID-19 betroffen. Andererseits machte CEO Norbert Haslacher auf der Webkonferenz zur Präsentation des Geschäftsberichts einmal mehr deutlich, was alles in Frequentis steckt. Jedenfalls hat boersengefluester.de den Eindruck, dass Themen wie Digitale Tower (Remote), das Management von Drohnenflügen und die Möglichkeiten von 5G zur Leistungssteigerung von Einsatzleitzentralen etwa um Bewegtbilder mittelfristig eher zusätzlichen Schwung für Frequentis bedeuten sollten. Möglicherweise verbessert sogar auch die Ausgangslage bei der Identifizierung weiterer Übernahmekandidaten. Derweil hat das Unternehmen für 2019 solide Zahlen geliefert, die im Wesentlichen mit Schätzungen der Analysten zum Börsengang übereinstimmen. Punktlandungen sind freilich schwierig, da die Österreicher stark im Projektgeschäft tätig sind und der maßgebliche Teil der Erträge immer erst im zweiten Halbjahr anfällt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 266,93 | 285,76 | 303,63 | 299,37 | 333,53 | 385,97 | 427,49 | |
EBITDA1,2 | 20,02 | 21,59 | 30,18 | 41,92 | 46,51 | 45,63 | 44,17 | |
EBITDA-Marge3 | 7,50 | 7,56 | 9,94 | 14,00 | 13,95 | 11,82 | 10,33 | |
EBIT1,4 | 14,32 | 15,60 | 17,22 | 26,81 | 28,97 | 24,99 | 26,65 | |
EBIT-Marge5 | 5,36 | 5,46 | 5,67 | 8,96 | 8,69 | 6,48 | 6,23 | |
Jahresüberschuss1 | 10,70 | 11,83 | 15,52 | -3,39 | 20,77 | 18,88 | 19,98 | |
Netto-Marge6 | 4,01 | 4,14 | 5,11 | -1,13 | 6,23 | 4,89 | 4,67 | |
Cashflow1,7 | 16,69 | 4,56 | 17,73 | 54,75 | 48,75 | 14,22 | 25,66 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,81 | 0,90 | 0,93 | -0,30 | 1,50 | 1,41 | 1,38 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,10 | 0,15 | 0,15 | 0,20 | 0,22 | 0,24 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Insgesamt kletterten die Erlöse um knapp 6,3 Prozent auf 303,63 Mio. Euro, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) kam um 10,3 Prozent auf annähernd 17,22 Mio. Euro voran. Unterm Strich blieb ein Überschuss von 12,52 Mio. Euro stehen – nach 11,83 Mio. Euro im Jahr zuvor. Das um Anteile Dritter bereinigte Ergebnis je Aktie blieb – auch aufgrund der erhöhten durchschnittlichen Aktienzahl – mit 0,93 Euro sogar um 1 Cent unter dem Vorjahreswert. Den Dividendenvorschlag von ursprünglich 0,20 Euro für 2019 hat Frequentis „aus kaufmännischer Vorsicht“ auf 0,15 Euro gestutzt. Dabei will Vorstand Norbert Haslacher die Ausschüttung an drei Bedingungen knüpfen: So soll Auszahlung nicht unmittelbar nach der Hauptversammlung am 14. Mai 2020 in Wien, sondern erst im Herbst erfolgen. Zudem gilt der Beschluss auch nur dann, wenn die operativen Geschäfte sowie die Liquidität im Herbst nicht gegen eine Dividende sprechen. Und last but not least muss dieses Prozedere rechtlich auch wasserdicht sein. Viele Nebenbedingungen für eine Ausschüttungssumme von knapp 2 Mio. Euro, zumal Frequentis bilanziell mit einer Netto-Liquidität von knapp 78 Mio. Euro vor Kraft nur so strotzt. Doch die Vorsicht passt gut zur Mentalität des Unternehmens.
Und genau das gefällt uns an Frequentis: Die Bilanzierung ist stockkonservativ, Entwicklungsprojekte werden regelmäßig nicht aktiviert, sondern laufen direkt durch die Gewinn- und Verlustrechnung. Das wiederum erklärt zum Teil auch die seit Jahren eher stockende Marge. Das üppige Finanzpolster wiederum ist eine Art Visitenkarte zum Ausdruck der Vitalität gegenüber den meist behördlichen Kunden. Zu hoch hängen sollten Aktionäre das Thema Dividende bei Frequentis aber ohnehin nicht. Die Rendite von knapp 1 Prozent ist nicht das schlagende Argument für ein Investment in den Titel. Entscheidender sind die langfristigen Wachstumstrends – und die bleiben trotz der aktuellen Corona-Krise intakt. Wer sich bei einem deutlich zurückgekommenen Spezialwert neu engagieren will, sollte sich also ruhig mal mit Frequentis beschäftigen. Die Analysten der emissionsgleitenden BankM haben kürzlich den fairen Wert der Aktie auf gut 22,50 Euro taxiert und die Kaufen-Einschätzung bestätigt. Dem kann sich boersengefluester.de nur anschließen.
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