Normalerweise dreht sich auf boersengefluester.de alles um deutsche Aktien – vorzugsweise aus dem Spezialwertesegment. Ganz dogmatisch trennen wir das aber nicht ab. Eine Reihe von Werten aus unserer Datenbank haben ihren Firmensitz in Luxemburg, der Schweiz, den Niederlanden, Österreich oder mitunter sogar Großbritannien. Große Stücke halten wir seit jeher auf Unternehmen aus Österreich. Da sind viele interessante Companys wie S&T, bet-at-home.com, Fabasoft, Polytec oder auch Pierer Mobility mit tollem Management dabei. Von Anfang super gut gefallen – sprich seit dem im Mai 2019 erfolgten IPO im Frankfurter Börsensegment General Standard – hat uns Frequentis. Der in Wien ansässige Spezialist für Kommunikationslösungen, wie sie in der Luftfahrt oder dem Polizeibereich benötigt werden, hat eine extrem gute Marktposition und erwirtschaftet seit Jahren auskömmliche Margen. Und das alles bei einer sehr komfortablen Eigenkapitalausstattung.
Umso bitterer, dass ausgerechnet eine stockkonservative Firma wie Frequentis massiv Geld bei der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland in den Sand gesetzt hat (siehe dazu auch unseren Bericht HIER) und für 2020 Sonderabschreibungen in Millionenhöhe vornehmen musste. „Bilanziell ist das Thema abgeschlossen. Die Causa selbst ist für uns noch lange nicht vorbei“, sagte CEO Norbert Haslacher kürzlich auf der virtuellen Bilanzkonferenz. Völlig offen indes, ob die Wiener jemals noch signifikant etwas von ihrem Einsatz sehen werden. Vermutlich eher nicht – juristische Verfahren hin oder her. An der Börse ist das Festgeld-Fiasko von Frequentis ohnehin so gut wie kein Thema mehr. Sonst würde der Aktienkurs mit knapp 23 Euro kaum in unmittelbarer Nähe zum Rekordhoch notieren, entsprechend einer Marktkapitalisierung von rund 300 Mio. Euro.
Jedenfalls hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Frequentis mit seinen weltweiten Kunden im Bereich der Flugsicherung eben nicht von dem deutlich reduzierten Reiseverkehr betroffen ist, wie zum Beispiel die Airlines, Flughäfen oder Flugzeugbauer. Schließlich muss die Sicherheit des Luftverkehrs auch in Corona-Zeiten gewährleistet sein. Und Lösungen wie Remote-Towers gewinnen in der jetzigen Zeit sogar noch mehr an Gewicht. Aber auch Fluginformationssysteme zur Einbindung von Drohnen in den kommerziellen und militärischen Luftraum haben enormes Potenzial. Und so treiben Vorstand Haslacher in gewisser Weise eher Luxusprobleme um: „Wir brauchen keine neuen Kunden im Bereich der Flugsicherung, wir brauchen neue Produkte.“ Entsprechend viele Mittel steckt Frequentis regelmäßig in Forschung und Entwicklung, selbst wenn der 2020er-Betrag mit 12,8 Mio. Euro Corona-bedingt deutlich unter Vorjahresniveau lag. Für das laufende Jahr ist hier bereits wieder mit einem höheren Budget zu rechnen.
Daneben verstärken sich die Wiener regelmäßig via Akquisitionen. Meist sind das eher kleinere Wettbewerber, mitunter aber auch Portfoliobereinigungen von Großkonzernen. In die erste Kategorie – und damit ein klassisches Target von Frequentis – fällt die vor gut einem Jahr mehrheitlich übernommene ATRiCS Advanced Traffic Solutions aus Freiburg. Die Gesellschaft bietet unter anderem Software zur Verkürzung von Flugzeug-Rollzeiten auf Großflughäfen an. Für ungleich mehr Fantasie an der Börse sorgt freilich die laufende Übernahme von Teilen des börsennotierten US-Unternehmens L3Harris Technologies. Insgesamt lässt sich Frequentis den Zukauf im Bereich spezieller Kommunikationssysteme zur Luftverkehrsoptimierung rund 20 Mio. Dollar kosten. Für 2021 wird der Deal aufgrund der Transaktions- und Integrationskosten das Zahlenwerk noch eher belasten. Entsprechend kalkuliert Haslacher vorsichtig nur mit einer EBIT-Marge zwischen fünf und sieben Prozent.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 266,93 | 285,76 | 303,63 | 299,37 | 333,53 | 385,97 | 427,49 | |
EBITDA1,2 | 20,02 | 21,59 | 30,18 | 41,92 | 46,51 | 45,63 | 44,17 | |
EBITDA-Marge3 | 7,50 | 7,56 | 9,94 | 14,00 | 13,95 | 11,82 | 10,33 | |
EBIT1,4 | 14,32 | 15,60 | 17,22 | 26,81 | 28,97 | 24,99 | 26,65 | |
EBIT-Marge5 | 5,36 | 5,46 | 5,67 | 8,96 | 8,69 | 6,48 | 6,23 | |
Jahresüberschuss1 | 10,70 | 11,83 | 15,52 | -3,39 | 20,77 | 18,88 | 19,98 | |
Netto-Marge6 | 4,01 | 4,14 | 5,11 | -1,13 | 6,23 | 4,89 | 4,67 | |
Cashflow1,7 | 16,69 | 4,56 | 17,73 | 54,75 | 48,75 | 14,22 | 25,66 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,81 | 0,90 | 0,93 | -0,30 | 1,50 | 1,41 | 1,38 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,10 | 0,15 | 0,15 | 0,20 | 0,22 | 0,24 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Ab 2022 ist dann aber mit zusätzlichen Erlösbeiträgen von rund 30 Mio. Euro durch die L3Harris-Aktivitäten zu rechnen. Das wiederum entspricht etwa zehn Prozent der für 2020 ausgewiesenen Umsätze von 299,37 Mio. Euro und birgt entsprechendes Ertragspotenzial. Die Analysten der BankM betonen in ihrer neuesten Studie (Download HIER), dass Frequentis durch die Zukäufe „zunehmend zum Softwareunternehmen“ wird. Eine Entwicklung, die am Kapitalmarkt noch nicht ausreichend eingepreist ist. Den fairen Wert für die Aktie siedelt die BankM zwar nur leicht höher, bei nun 25,93 Euro an. Besonders weit lehnen sich die Experten damit also nicht aus dem Fenster. Aber sei es drum. Wenn Frequentis operativ liefert, wovon boersengefluester.de ausgeht, wird die Notiz von ganz allein in deutlich höhere Kursdimensionen vordringen. Das gibt die Bewertung locker her.
Foto: Bence Balla-Schottner auf Unsplash