Fast vier Jahre redaktionelle Auszeit hat sich boersengefluester.de von der Francotyp-Postalia-Aktie gegönnt. Die vielen Restrukturierungen, Bereinigungen bei den Kennzahlen und auch die Rochaden auf Vorstandsebene haben uns einfach abgehalten von dieser „ewigen Kurshoffnung“ auf dem deutschen Kurszettel. Nun scheint es uns aber ein guter Zeitpunkt, um den Ball wieder aufzunehmen. Nach dem bereits die Jahreszahlen 2021 einen deutlichen Trend nach oben zeigen, hat der Hersteller von Frankiermaschinen und digitalen Bürolösungen für die Optimierung des Post- und Paketverkehrs mit dem Zwischenbericht für das erste Quartal 2022 nochmals einen draufgesetzt – selbst wenn ein Teil der Zuwächse auf Einmaleffekte beruht. Zudem gab es mit der Akquisition der Azolver-Gruppe aus Tallinn (Estland) zuletzt eine nennenswerte Verstärkung.
Konkret kam Francotyp-Postalia im traditionell eher starken ersten Quartal beim Umsatz um 26,5 Prozent auf 65,21 Mio. Euro voran. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) machte sogar einen Satz von 5,13 auf 10,33 Mio. Euro. „Wir haben die Organisation neu ausgerichtet und arbeiten deutlich kundenzentrierter und effizienter. Dies spiegelt sich sowohl in der Umsatz- wie auch Profitabilitätsentwicklung wider“, sagt CEO Carsten Lind. Für das Gesamtjahr 2022 bleibt Lind bei der Prognose, wonach bei Erlösen zwischen 229 und 237 Mio. Euro mit einem EBITDA in einer Bandbreite von 24 bis 28 Mio. Euro zu rechnen ist. Zum Vergleich: Unter Berücksichtigung der Netto-Finanzverbindlichkeiten (inklusive Pensionsrückstellungen) von rund 24 Mio. Euro kommen die Berliner auf einen Unternehmenswert von knapp 76,5 Mio. Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 206,34 | 204,21 | 209,09 | 195,85 | 203,70 | 250,95 | 241,83 | |
EBITDA1,2 | 26,32 | 17,07 | 33,31 | 7,95 | 18,45 | 27,60 | 31,04 | |
EBITDA-Marge3 | 12,76 | 8,36 | 15,93 | 4,06 | 9,06 | 11,00 | 12,84 | |
EBIT1,4 | 7,26 | -0,27 | 5,90 | -13,99 | -0,66 | 6,65 | 13,08 | |
EBIT-Marge5 | 3,52 | -0,13 | 2,82 | -7,14 | -0,32 | 2,65 | 5,41 | |
Jahresüberschuss1 | 4,65 | 0,90 | 1,70 | -15,15 | 0,37 | 5,54 | 10,45 | |
Netto-Marge6 | 2,25 | 0,44 | 0,81 | -7,74 | 0,18 | 2,21 | 4,32 | |
Cashflow1,7 | 21,25 | 24,24 | 23,05 | 22,77 | 15,07 | 22,38 | 23,57 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,28 | 0,06 | 0,11 | -0,94 | 0,02 | 0,50 | 0,67 | |
Dividende8 | 0,12 | 0,03 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Auch wenn die Notiz von Francotyp-Postalia (FP) bereits angesprungen ist: Zumindest bezogen auf die Relation von Enterprise Value zu EBITDA gehört der Spezialwert zu den günstigsten Titeln aus der Datenbank von boersengefluester.de. Neben den noch zu erwartenden Effekten aus dem Optimierungsprogramm, schielen die Investoren übrigens auch auf einen neuen Sicherheitsstandard United States Postal Service – quasi der amerikanischen Postbehörde – für Frankiermaschinen. Bis 2024 müssen demnach rund 700.000 Geräte in den USA ausgetauscht werden. Trotz eines sicher noch ausbaubaren FP-Marktanteils von weniger als zehn Prozent in den Vereinigten Staaten: Die Chancen für erkleckliche Extra-Umsätze sind zumindest vorhanden, auch wenn manch Investor beim Thema gesetzlich induzierter Sonderkonjunktur wohl unweigerlich an die eher zähe Geschichte von Vectron Systems im Zuge der Fiskalisierung von Kassensystemen denkt.
Die Kursziele der Analysten bewegen sich bei Francotyp-Postalia zwischen 4 und leicht oberhalb von 6 Euro. Zumindest in der zuversichtlicheren Variante hat der Titel also noch markantes Kurspotenzial nach oben. Boersengefluester.de wird die Entwicklung jedenfalls wieder enger verfolgen. Und mit einem Börsenwert von nur rund 52 Mio. Euro bewegt sich die Aktie – Großaktionäre sind Multi-Investor Rolf Elgeti (u. a. Deutsche Konsum REIT, creditshelf) sowie die auf Sondersituationen spezialisierten Finanzexperten von Active Ownership Fund – noch unter dem Radar der meisten an deren institutionellen Investoren. Das kann für langfristig orientierte Privatanleger auch eine Chance sein.
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