Gut 1 Stunde dauerte der Analysten-Call von flatexDEGIRO am 2. August zu den vorläufigen Halbjahreszahlen 2021. Und wenig überraschend drehten sich beinahe alle Fragen der Experten von Goldman Sachs & Co. um die Hintergründe des vermeintlich schwachen zweiten Quartals, das den Aktienkurs des Discountbrokers um mehr als 15 Prozent einknicken ließ. Dabei hat der Rückgang des Kundenwachstums von 28,8 Prozent im Auftaktviertel 2021 auf „nur“ noch 8,7 Prozent im zweiten Quartal 2021 (jeweils bezogen auf das direkte Vorquartal) offenbar in erster Linie die Börsianer auf dem falschen Fuß erwischt. „Wir waren überhaupt nicht überrascht davon, dass Q2 schwächer wird“, sagt Finanzvorstand Muhamad Chahrour. Im Grunde sei Q2 sogar „super normal“ gewesen. Lediglich der Vergleich dem mit in der Tat ungewöhnlich guten Auftaktviertel 2021 lässt die Zahlen von Anfang April bis Ende Juni auf den ersten Blick unvorteilhaft aussehen.
„Wir bewegen uns absolut im Rahmen unserer Planungen“, sagt Chahrour. Demnach wird das dritte Quartal wieder besser als das zweite Quartal, und Q4 wiederum wird stärker als Q3. So jedenfalls die übliche Saisonalität im Geschäft. Entsprechend kann man sich beinahe selbst ausrechnen, wo flatexDEGIRO am Jahresende steht. Avisiert hatte die Gesellschaft zuletzt für 2021 zwischen 750.000 und 950.000 Neukunden. Q1 steuerte dabei bereits 360.000 Neukunden zu, Q2 rund 140.000. Unterstellt man etwa für das laufende Quartal 180.000 neue Abschlüsse und für das vierte Quartal 230.000, landet man bei 910.000 Neukunden – also eher am oberen Ende der Spanne. Nun: Am Ende ist das ein wenig Kaffeesatzleserei, die auch von der jeweiligen Börsenverfassung abhängt. Und die ist sowieso nicht prognostizierbar. Überhaupt gar nichts geändert, hat sich zudem an den übergeordneten Megatrends in Sachen Geldanlage und Digitalisierung.
Entsprechend sollten Investoren tatsächlich nicht so sehr auf einzelnen Quartalen herumreiten, sondern den Gesamttrend verfolgen. Ähnliches gilt auch für die Ertragsentwicklung des SDAX-Konzerns: Bezogen auf das um Aufwendungen für Optionspläne bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (adjusted EBITDA) kommt flatexDEGIRO im zweiten Quartal 2021 auf eine Marge von 37,9 Prozent – nach 54,2 Prozent im Auftaktviertel 2021 und 43,6 Prozent im Geschäftsjahr 2020. Allerdings gab es Q2 spürbare Sonderbelastungen durch organisatorische Veränderungen wie etwa die Verschmelzung der DeGiro B.V. auf die flatexDEGIRO Bank AG, aber auch normale operative Themen wie höhere Personalaufwendungen oder kräftig aufgestockte Marketingkosten. „Wir sind eine Wachstums-Company“, sagt Chahrour. Da steht nicht ein einzelnes Quartal im Fokus, sondern die Umsetzung der langfristigen Strategie. Und die sieht bis 2026 einen Anstieg der Kundenzahlen auf bis zu 8 Millionen sowie einen bis dahin kumulierten operativen Cashflow von mehr als 1 Mrd. Euro vor.
Kurze Standortbestimmung bezogen auf den Cashflow: Zum Halbjahr 2021 kommt flatexDEGIRO hier auf 83,4 Mio. Euro. Multipliziert man diesen Wert für das Gesamtjahr mit zwei und rechnet diese Größe auf fünf Jahre hoch, steht hier eine Summe von rund 834 Mio. Euro – ohne weiteres Wachstum wohlgemerkt. So gesehen ist auch das Langfristziel nicht gerade zu sportlich angesetzt. Schmerzlich – nicht nur für Aktionäre – ist der Verlust an Börsenwert von rund 194 Mio. Euro seit Veröffentlichung der Vorabdaten für das erste Halbjahr aus Unternehmenssicht aber insbesondere deshalb, weil sich die Chancen auf eine MDAX-Aufnahme dadurch leicht eingetrübt haben.
Entsprechend wundert es auch nicht, dass CEO Frank Niehage und CFO Muhamad Chahrour die Kursdelle sofort für markante Insiderkäufe im Volumen von insgesamt knapp 400.000 Euro genutzt haben und damit das klare Signal senden: Wenn die Aktie bei Kursen um 110 Euro attraktiv war, dann ist sie es bei Notierungen im der Gegend von 85 Euro erst recht. Zudem steht im laufenden Quartal noch die Umsetzung des Aktiensplits 1:4 an, was den Handel in dem Titel nochmals beleben sollte. Derweil haben die Analysten ihre Erwartungen an das Wachstumstempo von flatexDEGIRO ein wenig gestutzt, ohne jedoch die grundsätzliche Story in Frage zu stellen oder gar das Ende des Broker-Booms zu sehen. Jedenfalls signalisieren die aktuellen Kursziele noch immer ein erkleckliches Potenzial. Zudem muss man auch die Kirche im Dorf lassen. Immerhin sind die jetzt vorgelegten Zahlen das beste Halbjahr ever für die Frankfurter. So gesehen plagen die Investoren gerade Luxussorgen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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