Natürlich ist es keine gute Nachricht für die Aktionäre und das gesamte Team von flatexDEGIRO, dass Co-CEO Muhamad Chahrour mit Wirkung zum Jahresende 2023 das Unternehmen verlässt. Immerhin war Muhamad Chahrour in den vergangenen Jahren durch seine Präsentationen auf Earnings Calls und sonstigen Börsenkonferenzen zunehmend auch zum Gesicht von flatexDEGIRO gegenüber dem Kapitalmarkt geworden. Wer sich die Ausführungen von Muhamad Chahrour und CEO Frank Niehage anlässlich der Vorlage der vorläufigen Halbjahreszahlen 2023 angehört hat, wird jedoch definitiv Verständnis für seine persönlichen Beweggründe, die nichts mit flatexDEGIRO zu tun haben, aufbringen. Entsprechend waren es durchaus emotionale Momente am Ende der virtuellen Presseveranstaltung am 25. Juli 2023. An dieser Stelle nur so viel: Muhamad Chahrour wechselt nicht zu einem Wettbewerber und will nach einem privaten Sabbatical ein neues berufliches Kapitel aufschlagen. Muhamad Chahrour selbst bezeichnet flatexDEGIRO dabei als „außergewöhnliche Organisation“ mit starken Zukunftsperspektiven.
Aus Investorensicht nicht ganz unwichtig sein Hinweis, dass er den weiteren Weg von flatexDEGIRO als Aktionär begleiten wird, immerhin hatte Muhamad Chahrour in den vergangenen Jahren über die ihm zurechenbare Dinar Capital GmbH regelmäßig Anteilscheine des SDAX-Unternehmens gekauft. Nun: Den Verantwortungsbereich Investor Relations (IR) übernimmt künftig CFO Benon Janos, Frank Niehage bleibt als CEO an der Spitze des Discountbroker-Verbunds. Losgelöst von der überraschenden Personalie gilt der Blick der Investoren den operativen Kennzahlen: Mit Erlösen von knapp 91 Mio. Euro im zweiten Quartal 2023 hat die Gesellschaft die Erwartungen von boersengefluester.de trotz des schwierigen Umfelds sogar leicht getoppt.
Bei dem um Rückstellungen für langfristig variable Vergütungen bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (adjustiertes EBITDA) liegt flatexDEGIRO mit 34 Mio. Euro zwar um knapp 25 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahreswert von 2022, mit Blick auf den Sechs-Monats-Zeitraum des laufenden Jahres aber um knapp 22 Prozent hinten gegenüber 2022. Dabei hat die Gesellschaft ihre Marketingausgaben im zweiten Quartal 2023 sowohl gegenüber Q1 2023 als auch Q2 2022 spürbar zurückgefahren. Gemessen daran hätte es nach dem Geschmack der Börsianer im zweiten Quartal 2023 gern noch ein wenig mehr EBITDA sein dürfen. Allerdings wirkten sich Sondereffekte wie etwa die Europa League-Gewinn-Prämie an den FC Sevilla sowie die Vorauszahlung eines Bußgelds an die italienischen Wettbewerbsbehörde nachteilig aus. Entscheidend für das Gesamtjahresresultat wird traditionell aber ohnehin der Verlauf des Abschlussviertels sein.
Und hier rechnet CEO Frank Niehage mit einer weiteren Belebung und hält entsprechend an seiner Prognose für das Gesamtjahr mit Umsätzen von rund 380 Mio. Euro sowie einer adjustierten EBITDA-Marge von voraussichtlich mehr als 40 Prozent fest. Demnach müssten die Frankfurter im zweiten Halbjahr 2023 auf ein bereinigtes EBITDA von Untergrenze rund 88 Mio. Euro kommen – nach gut 63 Mio. Euro im Vorjahr. Unterstützend wirkt dabei unter anderem, dass bereits rund 70 Prozent des gesamten Marketingbudgets in den ersten sechs Monaten ausgegeben wurde. Zudem profitiert das Unternehmen vom deutlich verbesserten Zinsergebnis, zumal auch künftig nicht geplant ist, die Sichteinlagen der Kunden zu verzinsen. „Wir sind eine Transaktionsbank, keine Sparerbank“, sagt Co-CEO Muhamad Chahrour unmissverständlich. „Es gibt auch keinen Punkt, ab dem sich das ändert.“
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Derweil hat das kürzlich von Brüssel aus bis 2026 beschlossene Payment For Orderflow-Verbot keine direkten Konsequenzen für flatexDEGIRO, da die Gesellschaft dieses vor allem für Neo-Broker typische Geschäftsmodell um die Rückvergütung von Handelsaufträgen quasi nicht betreibt. Welche Effekte sich mittelbar daraus für flatexDEGIRO ergeben, bleibt indes abzuwarten. Der Konsolidierungsdruck in der Branche dürfte grundsätzlich nochmals zunehmen. Da auch flatexDEGIRO das eigene BaFin-Thema um die ordnungsgemäße Aufstellung der Bank weitgehend abgeschlossen hat, gibt sich CEO Frank Niehage kämpferisch: „Wir sind bereit für den nächsten großen Schritt und schauen uns immer nach organischem und anorganischem Wachstum um.“
Im Aktienkurs spiegeln sich diese Potenziale derweil kaum wider. Die Notiz pendelt seit Wochen in einem Band zwischen 8 und 10 Euro hin und her – nach dem Doppelpack um Vorstandswechsel und Q2-Zahlen sogar am unteren Ende dieser Spanne, womit das Unternehmen gerade einmal mit etwas mehr als dem Faktor 6 auf das für 2023 mindestens avisierte bereinigte EBITDA von mindestens 152 Mio. Euro kommt. Gemessen an den Kurszielen der meisten Analysten müsste die Aktie eher im zweistelligen Bereich notieren.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Fotos: Clipdealer, flatexDEGIRO AG