Ziemlich genau 1,5 Stunden hat der von Montega organsierte Investorencall mit flatexDEGIRO-Finanzvorstand Muhamad Chahrour gedauert. Und am Ende steht für boersengefluester.de die Erkenntnis, dass die Wachstumsstory auch bei einer Marktkapitalisierung von mittlerweile 2,30 Mrd. Euro noch nicht am Ende ist, vielleicht sogar gerade erst richtig aufgerollt wird. Gar nicht so sehr, weil auch der Start ins laufende Jahr – zumindest mit Blick auf die sprunghaft steigenden Kundenzahlen und abgewickelten Transaktionen – kaum besser hätte sein können. Die momentane Ausnahmesituation rund um den Handel mit Aktien und anderen börsennotierten Anlageprodukten dürfte im Kurs des SDAX-Titels tatsächlich weitgehend eingepreist sein. Und bestimmt wird der Hype um die neue Börsenlust auch wieder Dämpfer bekommen und in normalere Bahnen zurückkehren.
Das hemmt flatexDEGIRO aber nicht. Dafür ist einfach noch zu viel Potenzial auf europäischer Ebene vorhanden, denn momentan ist Online-Brokerage kein Markt, auf dem sich die große Masse an Kunden tummelt – zumindest nicht in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien oder auch der Schweiz. Tendenziell werden sich aber auch in diesen Ländern die Penetrationsraten an die Zahlen hochentwickelter Brokerage-Märkte wie UK, die nordischen Länder oder auch den Niederlanden annähern. Mit anderen Worten: Die Zeit spielt für flatexDEGIRO. „Wir sind unglaublich überzeugt von unserem Geschäftsmodell“, sagt Chahrour. Immerhin gibt es zurzeit keine andere Company, die derart präsent auf internationalem Terrain agiert und nicht nur ein lokaler Held ist. Jedenfalls scheint die Vision, bis 2025 auf mehr als drei Millionen Kunden und über 100 Millionen abgewickelte Trades zu kommen, aus heutiger Sicht eher zu tief gestapelt.
Dabei zielen die Frankfurter längst nicht mehr ausschließlich auf die ehemalige Kernklientel von überdurchschnittlich aktiven Privatanlegern ab, sondern nehmen verstärkt auch klassische Kunden von Brokern wie comdirect, ING oder Consors ins Visier. Ein Vehikel dafür ist unter anderem die noch vergleichsweise neue Plattform flatex next. Am Ende muss sich aus Investorensicht freilich alles in barer Münze auszahlen, um den Aktienkurs der Frankfurter weiter zu befeuern. Aber auch hier sieht es gut aus: „Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als 30 Mio. Euro in die IT investiert und sind zu 100 Prozent autark“, sagt Chahrour. Soll heißen: Die wesentlichen Kostenblöcke sind fixer Natur, entsprechend skalierbar ist das Geschäft. Bei 100 Millionen Trades hält Finanzchef Chahrour jedenfalls eine EBITDA-Marge von 50 Prozent für realistisch. Das wiederum ist noch nicht einmal sonderlich weit von den Analystenprognosen für das laufende Jahr entfernt.
Aber sicherlich ist es nicht unbedingt sinnvoll, die aktuelle Entwicklung einfach fortzuschreiben – insbesondere was die transaktionstreibende Volatilität an den Finanzmärkten angeht. Konkrete Ergebniszahlen stehen offiziell erst für Ende April an. Normalerweise veröffentlicht flatexDEGIRO aber Vorabdaten. So gesehen ist es schon wieder erstaunlich, wieviel Story Muhamad Chahrour auf der Montega-Veranstaltung bereits jetztzu erzählen hat. Überall greifbar ist auch das – verglichen mit den Anfangsjahren – massiv gestiegene Interesse von Investorenseite. Neben den vielen Fragen auf dem Round Table von Montega braucht es dafür nur einen Blick auf den Investor Relations-Bereich der Homepage von flatexDEGIRO. Mit Blick auf die breite Öffentlichkeit sieht das allerdings schon wieder ganz anders aus – trotz Trikotsponsorung von Borussia Mönchengladbach: „Wir sind wahrscheinlich der unbekannteste europäische Marktführer”, sagt CFO Muhamad Chahrour.
Gänzlich verschwunden aus dem offiziellen Präsentationsteil ist derweil das früher stets prominent vorgestellte B2B-Geschäft – also die Aktivitäten mit deutschen und österreichischen Privat- und Spezialbanken. Klare Botschaft hier: Das Bestandsgeschäft wird weiter geführt, hat aber keine strategische Bedeutung mehr und wird entsprechend nicht mehr aktiv forciert. Wo liegen die wesentlichen Risikofaktoren für die weitere Entwicklung der Aktie? Am schädlichsten wäre eine lang anhaltende Baisse, wie etwa nach dem Platzen der Neuer Markt-Blase von 2000 bis 2003. In diesem Fall dürfte das jetzige „Blue-Sky-Szenario“ um die neue Börsengeneration, die noch gar keinen Crash erlebt hat, deutlich eingetrübter aussehen. Momentan hat flatexDEGIRO aber alle Trümpfe in der Hand – muss man wohl so sagen. Entsprechend scheint uns auch der Aktienkurs weiter Luft nach oben zu haben.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Foto: Clipdealer