Symbolträchtig ist es schon: Mit dem neuerlichen Kursrückgang unter die Marke von 9,10 Euro ist auch der Börsenwert von flatexDEGIRO auf weniger als 1 Mrd. Euro geschrumpft. Eine Größenordnung, auf die der Discountbrokerverbund aus den beiden Marken flatex und DEGIRO so lange hingearbeitet hatte und die Ende Juni 2021 bei einer bisherigen Rekordkapitalisierung von knapp 3,26 Mrd. Euro mündete. Nun muss auf einer Plattform wie boersengefluester.de nicht mehr über die Gründe der heftigen Baisse bei zuvor so hoch gehandelten und in Anlegerkreisen entsprechend beliebten Aktien aus dem Brokerage- oder auch E-Commerce-Umfeld geschrieben werden. Daher steigen wir direkt mit den jetzt vorgelegten Eckdaten für das dritte Quartal sowie den weiteren Aussichten ein. Auf der virtuellen Presse-Konferenz spricht CEO Frank Niehage von einer gemessen am schwierigen Marktumfeld „soliden operativen Entwicklung“, auch wenn das Kundenwachstum längst nicht so stark ist, wie ursprünglich einmal erwartet.
Von dem im Sommer 2022 bereits auf 600.000 bis 700.000 reduzierten Neukundenziel für 2022, haben sich Frankfurter daher nun auch offiziell verabschiedet. Schließlich stehen nach Ablauf der ersten neun Monate brutto „erst“ 376.200 Neukundeneinträge in den Büchern. Damit nicht genug: So kündigt Vorstand Frank Niehage jetzt an, dass flatexDEGIRO zwar weiterhin ganz normal über Performancekennzahlen wie das Kundenwachstum berichten wird, es diesbezüglich aber keine Prognosen mehr geben wird. Vielmehr will sich das Unternehmen auf die harten operativen Daten zum Umsatz und EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) im Ausblick fokussieren. Normalerweise sollte der Kapitalmarkt mit dieser Entscheidung gut leben können, zumal es früher ohnehin eher so war, dass die Kunden- und Tradingaktivitäten was für die Fachblätter waren, während an der Börse Umsatz und vor allen Dingen Gewinn die entscheidenden Währungen sind.
„Bei den Erlösen werden wir definitiv im Zielkorridor landen“, betont Frank Niehage. Zur Einordnung: Für 2022 stellt flatexDEGIRO Konzernumsätze von mindestens 400 Mio. Euro in Aussicht. Die insbesondere um Sondereffekte aus dem Aktienoptionsprogramm bereinigte EBITDA-Marge soll dabei auf dem Vorjahresniveau von gut 42 Prozent liegen. Das würde auf ein adjustiertes EBITDA von Untergrenze 170 Mio. Euro hinauslaufen. Nach neun Monaten 2022 kommt das Unternehmen hier allerdings erst auf einen Wert von 106 Mio. Euro – bei Erlösen von 301,6 Mio. Euro. Für das Abschlussquartal braucht es also nochmal ordentlich Rückenwind, um die EBITDA-Guidance zu erfüllen.
Die Börsenstimmung kann flatexDEGIRO zwar nicht beeinflussen, dafür aber umso mehr die Strategie, möglichst viel Geld mit jedem einzelnen Trade zu verdienen. Trigger sind dabei die zuletzt bei DEGIRO eingeführte Gebührenerhöhung um 0,50 Euro je abgewickelter Transaktion sowie die positiven Effekte aus dem veränderten Zinsumfeld. Allein für Q4 bedeutet der aktuelle EZB-Einlagensatz einen zusätzlichen Zinsertrag im vierten Quartal von rund 5 Mio. Euro. Darüber hinaus will DEGIRO einer deutlich größeren Gruppe von Kunden als bislang den Zugang zu Wertpapierkrediten einräumen, was ebenfalls gut 3 Mio. Euro pro Quartal an zusätzlichem Ergebniseffekt bringen kann. Hinzu kommt bei DEGIRO eine Ausweitung der Produktpartnerschaften mit namhaften Wertpapieremittenten auf die Länder Italien, Schweiz, Spanien und Portugal.
Der SDAX-Konzern zieht also alle Register rund um das Thema Profitabilität. Dem Vernehmen nach haben allein die jetzt angestoßenen kommerziellen Maßnahmen das Potenzial, den Gewinn vor Steuern im kommenden Jahr um mehr als 50 Mio. Euro zu verbessern. Das ist auf jeden Fall eine Ansage, die sich im Kurs noch gar nicht widerspiegelt. Unterm Strich halten wir die flatexDEGIRO-Aktie damit für deutlich unterbewertet. Zudem hatte das Management zuletzt verraten, sich auch mit IR-Themen wie Dividenden oder Aktienrückkäufen zu beschäftigen. Last but not least sehen wir das Unternehmen dank seiner bilanziellen Stärke auch in einer aktiven Rolle als möglicher Konsolidierer in dem Brokeragesektor.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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