Immerhin: Den jüngsten Kursknick im Zuge der BaFin-Meldung um ein von der Finanzaufsicht angeordnetes Maßnahmenpaket hat der Aktienkurs von flatexDEGIRO schon wieder ausgeglichen. Ein Sturm im Wasserglas ist die BaFin-Rüge gleichwohl nicht, dafür sind die angestoßenen personellen und organisatorischen Veränderungen bei dem Discountbrokerverbund einfach zu umfangreich udn auch kostenintensiv. „Die Situation ist so, wie man sie von uns erwarten kann. Wir sind mit den Maßnahmen gut im Zeitplan“, sagt CEO Frank Niehage auf dem Presse-Call anlässlich der Vorlage der vorläufigen Zahlen für 2022 – inklusive Ausblick auf das laufende Jahr. Die eigentliche Kernbotschaft ist aber auch, dass sich durch das BaFin-Thema keine Lähmungen im operativen Geschäft ergeben und flatexDEGIRO seinen Wachstumskurs auch im allgemein schwierigen Börsenumfeld fortsetzt.
Noch mehr setzen die Frankfurter dabei auf eine möglichst hohe Profitabilität. Das Mitte 2022 gestartete Sponsoring-Intermezzo von DEGIRO beim spanischen Fußballclub FC Sevilla läuft im kommenden Sommer komplett aus. Bei Borussia Mönchengladbach wechselt flatex ab Mitte 2024 vom Hauptsponsor in die Rolle des Co-Sponsors – in dieser Position allerdings bis mindestens 2027. „Unsere Strategie der Ausweitung der Markenbekanntheit ist aufgegangen“, sagt Frank Niehage. „Jetzt konzentrieren wir uns stärker auf eine Konversionsstrategie.“ Es geht also darum, dass am Ende auch möglichst viele Kunden aus dem Sponsoring entstehen. Die Einsparungen aus der Drosselung des Fußball-Engagements beziffert Niehage auf einen „hohen einstelligen“ Millionen-Euro-Betrag. In diesen Kontext passt auch, dass der SDAX-Konzern seine Bilanz weiter entschlackt und alternative Aktivitäten im Bereich Factoring und Fußball-Finanzierung reduziert bzw. einstellt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Eine klare Ansage gibt es von Vorstand Frank Niehage auch in Richtung Guthaben-Angebote der Neobroker: „Wir führen keine Zinszahlungen ein.“ Ein Themenkreis, denn das Vorstandsteam auch bereits im wenige Stunden zuvor veranstalteten Analysten-Call ausführlich thematisierte. Demnach dürfte ein attraktiver Guthaben-Zins als Instrument der Kundengewinnung schon allein deshalb verpuffen, weil der typische flatex-Kunde in erster Linie Aktien-getrieben ist und nicht als Zinshopper Konten anlegt. Eine Botschaft, die Großaktionär Bernd Förtsch gern vernehmen dürfte. Immerhin hat der Kulmbacher Unternehmer seine Position in dieser Thematik im Interview auf boersengefluester.de (HIER) sehr deutlich geäußert. Eher eine Marginalie ist derweil, dass DEGIRO seine nie so recht vom Fleck gekommenen Aktivitäten in Norwegen und Ungarn einstellt und sich der Broker damit künftig auf 16 Länder konzentriert. Weitere Reduzierungen in geographischer Sicht stehen dem Vernehmen nach aber nicht auf der Agenda.
Für das laufende Jahr peilt die Gesellschaft eine leichte Steigerung des um Sonderfaktoren aus Optionsprogrammen adjustierten Umsatzes sowie eine bereinigte EBITDA-Marge nördlich von 40 Prozent an – nach 39,3 Prozent für 2022. Das ist jetzt keine rasante Wachstumsprognose, aber wo soll die auch herkommen in diesem Umfeld? Um für zusätzliche Transparenz zu sorgen, werden die Frankfurter zudem auf monatlicher Basis bestimmte nicht-finanzielle Leistungsindikatoren veröffentlichen. Ein Vorstoß, der von den Analysten sehr gut aufgenommen wurde. Dafür bleibt es dabei, dass keine Prognosen mehr für Kennzahlen wie das Neukundenwachstum mehr veröffentlicht werden. Eine Entscheidung, mit der der Kapitalmarkt keine größeren Probleme haben sollte.
Angesichts der enormen Ausschläge an den Börsen ist die Treffergenauigkeit solcher Vorhersagen ohnehin recht begrenzt. Deutlich an Gewicht gewinnen dürfte künftig indes das Zinsergebnis von flatexDEGIRO. Immerhin liegen zurzeit allein rund 3,5 Mrd. Euro Cash auf den Konten der Kunden. Selbst wenn diese Zahl im Jahresmittel womöglich deutlich niedriger sein wird, mit Blick auf einen unterstellten Einlagenzins von 2,5 Prozent bei der EZB ergeben sich hier deutliche Potenziale mindestens im mittleren bis oberen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. An der Börse ist die Gesellschaft zurzeit knapp 880 Mio. Euro wert. Nach Auffassung von Frank Niehage ist das offensichtlich viel zu wenig, denn der Vorstand hat mit Vorlage der Vorabzahlen 2022 ein regelrechtes Feuerwerk an Insiderkäufen losgetreten – und zwar mit eher großen Tickets.