Ziemlich genau 1 Stunde 20 Minuten dauerte der Analysten-Call von flatexDEGIRO zu den vorläufigen Halbjahresresultaten – den Großteil davon beanspruchte die Frage-Antwort-Runde. Rein mit Blick auf die Zahl der Analysten-Wortmeldungen ist das Interesse an der Aktie des Discountbroker-Verbunds sogar so groß wie lange nicht. Und natürlich versucht momentan nahezu jeder Finanzexperte aus CEO Frank Niehage und CFO Muhamad Chahrour herauszukitzeln, wie sich der SDAX-Konzern in einer möglicherweise länger anhaltenden Baisse mit entsprechend dauerhaft abnehmender Ordertätigkeit der Kunden aufgestellt sieht. Immerhin sind die Zahlen für das zweite Quartal 2022 mit einem Zuwachs der Neukunden von nur noch 97.300 eher ernüchternd – wenngleich aufgrund der zum Teil taumelnden Börsen nicht sonderlich überraschend.
Entsprechend wiederholt auch Finanzvorstand Chahrour sein Mantra: „Entscheidend ist nicht die Anzahl der Kunden, sondern deren Qualität.“ Und hier kann sich flatexDEGIRO darauf verlassen, dass das eigene Stammklientel der Börse auch nach einem allgemein desaströsen Halbjahr eben nicht den Rücken zuwendet. Das heißt: 30 bis 35 Trades pro Kunde und Jahr sind das langjährige Mittel bei flatexDEGIRO – und da befindet sich das Unternehmen zurzeit wieder. Der Vergleich mit dem Auftaktviertel 2021, als die Kunden im Schnitt etwas mehr als 20 Trades – wohlgemerkt innerhalb von drei Monaten – gemacht haben, ist sozusagen ein Ausreißer wie er nur alle Jubeljahre vorkommt. Wichtig in diesem Zusammenhang, dass es die Frankfurter kontinuierlich schaffen, die Kundenaktivitäten besser zu „monetarisieren“ – wie es im Finanzsprech heißt. Einfach ausgedrückt: Pro Order bleibt mehr Geld bei flatexDEGIRO hängen. Konkret klettert der Umsatz je Trade im ersten Halbjahr 2022 bereits von 4,27 auf 5,31 Euro.
„Wir sind hoch profitabel“, lautet denn auch eine der Kernbotschaften von Frank Niehage auf dem Analysten-Call. Umso mehr wurmt es den CEO, dass der Aktienkurs von flatexDEGIRO derart tief in die Knie geht. Gemessen an dem vor etwas mehr als einem Jahr erreichten All-Time-High bei 29,70 Euro hat die Notiz nun um fast 70 Prozent an Wert verloren und die Marktkapitalisierung bis ziemlich genau an die Marke von 1 Mrd. Euro gedrückt. Nur unwesentlich tiefer siedeln die Analysten von Morgan Stanley übrigens den fairen Wert des Unternehmens an und sind damit die mit Abstand skeptischsten Beobachter. Andere Coverage-Häuser äußern sich deutlich zuversichtlicher und sehen in der Aktie mittlerweile weit mehr als einen potenziellen Verdoppler.
Um dem Titel neuen Schwung zu verleihen, denkt das Vorstandsteam sogar über Instrumente wie einen Aktienrückkauf und/oder eine Dividende nach. Auf rund 300 Mio. Euro dürfte sich die Cashposition bis zum Jahresende türmen. Wie hoch ein sinnvoller Rahmen für bspw. einen Aktienrückkauf konkret ist, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Das hängt auch von den regulatorischen Vorgaben ab. Wenn wir CEO Frank Niehage richtig verstehen, würde er sich aber gegebenenfalls sogar für eine außerordentliche Hauptversammlung stark machen, auf der solch eine Maßnahme zügig auf die Schiene gesetzt werden könnte.
Und auch zum Getuschel über angebliche Übernahmepläne von flatexDEGIRO äußert sich Niehage: „Momentan sind wir nicht interessiert an M&A, da wir auch organisch wachsen. Sollte sich etwas ergeben, würden wir aber natürlich schauen. Zurzeit ist da jedoch nichts.“ Ansonsten bleibt es bei den zuletzt erst angepassten Zielen für 2022 (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER): Die sehen Erlöse zwischen 400 und 440 Mio. Euro sowie eine adjustierte EBITDA-Marge auf Vorjahresniveau von knapp 42,5 Prozent vor. Das würde auf ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 180 Mio. Euro hinauslaufen.
Analytisch teuer ist die SDAX-Aktie also keineswegs, aber das ist ja bekannt. Und gegen das allgemein schlechte Marktsentiment anzukommen, ist einfach unglaublich schwer. Das gilt in beide Richtungen. Immerhin floss das Wasser bei flatexDEGIRO in der Hypephase 2020/21 ja scheinbar auch bergauf.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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