Nach dem Glamour der Börsenrally in der heißen Corona-Phase 2020/21 und der anschließenden Ernüchterung von 2022 steht das Börsenjahr 2023 für flatexDEGIRO im Zeichen von viel Arbeit an regulatorischen Themen, einer noch immer zurückhaltenden Kundschaft sowie dem damit verbundenen Spagat aus Kostendisziplin versus Wachstum. Das alles spiegelt sich im Aktienkurs des Discountbroker-Verbunds wider, der seit vielen Monaten kaum nachhaltig von der Stelle kommt und in einer Bandbreite zwischen 7 und 10 Euro festhängt. Dabei liefert flatexDEGIRO – gemessen am schwierigen Marktumfeld – durchweg robuste Zahlen und kommt auch bei den gestiegenen BaFin-Anforderungen gut voran. Und mit den jetzt vorgelegten Eckdaten für das dritte Quartal 2023 sehen die Ziele für das Gesamtjahr mit einem leichten Anstieg der Umsatzerlöse auf rund 380 Mio. Euro sowie einer adjustierten EBITDA-Marge von mehr als 40 Prozent sogar eher konservativ aus.
Immerhin kommen die Frankfurter per Ende September bereits auf Erlöse von 290,5 Mio. Euro und weisen dabei ein bereinigtes EBITDA von 105 Mio. Euro aus. Um das Ergebnisziel für 2023 an der Untergrenze zu erreichen, wäre im Abschlussquartal ein EBITDA von knapp 50 Mio. Euro nötig. Rein mit Blick auf das EBITDA von Q4 2022 (39 Mio. Euro) und Q3 2021 (31 Mio. Euro) mag das Ziel zwar ambitioniert aussehen, doch die Erlösströme von flatexDEGIRO haben sich im Zuge des veränderten Zinsumfelds signifikant verschoben. So sind die Zinserträge – resultierend aus höheren Einlagenzinsen bei der EZB sowie gestiegenen Zinssätzen für Wertpapierkredite bei flatex und DEGIRO – im dritten Quartal 2023 mit 38,3 Mio. Euro erstmals mehr als doppelt so hoch wie im vergleichbaren Vorjahresquartal mit 14,5 Mio. Euro. Summiert über die ersten neun Monate 2023 ergibt sich nun ein Anstieg der Zinserträge von 49,5 auf 97,3 Mio. Euro. Damit entfallen aktuell rund ein Drittel der Erlöse auf den Bereich Zinseinnahmen. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2022 lag die Quote nur bei 17,5 Prozent, 2021 waren es sogar nur gut 14,2 Prozent. „Die Mischung der Erlöse balanciert sich neu aus“, sagt CFO Benon Janos auf dem Analysten-Call.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Angesichts dieses Umsatztreibers spricht eben viel dafür, dass flatexDEGIRO am Jahresende tatsächlich die avisierten Ziele erreicht, zumal das bereinigte EBITDA des dritten Quartals 2023 mit gut 41 Mio. Euro mindestens im Rahmen der Erwartungen liegt und das Abschlussviertel traditionell nochmals klar besser ist. Unnötig weit will sich CEO Frank Niehage zurzeit aber nicht aus dem Fenster lehnen, dafür ist die aktuelle politische und ökonomische Gemengelage viel zu brisant. „Wir wollen lieber auf der sicheren Seite bleiben“, sagt Niehage. Wie fragil das Umfeld noch immer ist, zeigt sich allein daran, dass flatexDEGIRO im dritten Quartal 2023 Abschreibungen von rund 10 Mio. Euro auf noch im eigenen Portfolio befindliche Immobilien-Fonds vornehmen musste. Ein Belastungsfaktor, über den wir zuletzt etwa auch bei der Q3-Zahlenpräsentation der DFV Deutsche Familienversicherung geschrieben haben (HIER).
Ähnliche Risiken soll es dem Vernehmen nach bei flatexDEGIRO nicht mehr geben, gleichwohl gab es viele Nachfragen von Analysten zu dem Komplex. Interessant auch die Aussagen zu den geplanten Marketingausgaben für das kommende Jahr: Frank Niehage taxiert das Budget auf eine Bandbreite zwischen 20 und 35 Mio. Euro – mit hoher Wahrscheinlichkeit also nochmals spürbar weniger als 2023 und deutlich entfernt von den 2022er-Spendings von fast 49 Mio. Euro. „Wir sind da sehr flexibel, je nach Marktentwicklung“, sagt Niehage. So hat flatexDEGIRO das Werbebudget im laufenden Jahr schwerpunktmäßig in Q1 mit 17,2 Mio. Euro eingesetzt, auf das dritte Quartal 2023 entfielen nur noch 4,4 Mio. Euro. Nun: Wenn alle Broker ihre Marketingausgaben signifikant kürzen, wirkt sich die eigene Zurückhaltung nicht unmittelbar nachteilig auf das Kundenwachstum aus. Die eigentlich wichtige Botschaft an dieser Stelle ist aber, dass flatexDEGIRO über die nötige Finanzpower verfügt, um die Marketingausgaben bei Bedarf schnell hochzufahren. Die Zahl der Broker, die dazu ebenfalls problemlos in der Lage sind, dürfte eher kleiner werden.
Zudem haben die diversen Zins-Offerten von Neo-Brokern längst ihren medialen Reiz verloren und die Frankfurter tun gut daran, sich hier weiter in Abstinenz zu üben. So betont auch Neu-CFO Benon Janos, dass die Kundschaft von flatexDEGIRO eher aktive Anleger und keine Zinshopper sind. „Wir sehen keine wesentliche Abwanderung von Kunden hin zu Neo-Brokern.“ Und sogar ein von boersengefluester.de beinahe schon ad acta gelegtes Investor Relations-Thema spricht CEO Frank Niehage auf dem Analysten-Call nochmals an: Aktienrückkäufe beziehungsweise Dividenden. Konkrete Planungen dazu gibt es zwar nicht, aber grundsätzlich werden auch solche Dinge mit der BaFin besprochen. Möglicherweise bekommt die flatexDEGIRO-Aktie ja von dieser Seite doch noch einen unverhofften Kurstrigger. Die guten Q3-Daten könnten also erst der Anfang sein.
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