Ein tieferer Blick in den Halbjahresreport gehört zum Standard von boersengefluester.de. Das halten wir auch bei flatex so, selbst wenn der Zwischenbericht der Frankfurter diesmal nur die halbe Wahrheit widerspiegelt, denn die Erstkonsolidierung des zugekauften Discountbrokers Degiro findet erst zum 1. August 2020 statt. Kein Wunder, dass das Team um CEO Frank Niehage in der begleitenden Pressemitteilung stark auf die Pro-forma Resultate – das sind die Zahlen, die sich ergeben würden, wenn Degiro bereits seit Jahresanfang zum Konzern gehört hätte – abzielt. Also: Zunächst einmal entsprechen die jetzt vorgelegten reinen flatex-Zahlen ziemlich genau den bereits Mitte Juli präsentierten Vorabdaten. Konkret kommt das Unternehmen – in erster Linie getrieben durch die rasante Entwicklung der Provisionserträge – auf ein Umsatzplus von 55 Prozent auf 99,78 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) macht derweil einen Satz von 19,74 auf 42,70 Mio. Euro. Nochmal überproportional dazu zieht der Gewinn nach Steuern von 8,55 auf 22,37 Mio. Euro an.
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Wichtig aus Investorensicht ist, dass sich die Ergebnisqualität insofern verbessert hat, weil im (deutlich erhöhten) Personalaufwand – neben den Aufwendungen von 2,71 Mio. Euro für den Aktienoptionsplan indirekt auch Produktentwicklungen in Höhe von 1,86 Mio. Euro enthalten sind, die nicht aktiviert wurden – also direkt durch die GuV gelaufen sind. Kurzfristig geht das zwar zu Lasten der Rentabilität, sorgt aber in Zukunft für weniger Abschreibungen. Markanter Aufwandsposten sind ansonsten die von 3,24 auf knapp 8,45 Mio. Euro gestiegenen Marketing- und Werbeaufwendungen – etwa für Kampagnen zur Neukundenakquise – für flatex. Inklusive Degiro sieht das Zahlenwerk dann nochmals deutlich größer aus: So käme der vor dem Uplisting vom Scale in den Prime Standard stehende Finanzkonzern bei einem Umsatz von 169 Mio. Euro auf ein EBITDA von 75 Mio. Euro.
Würde man diese Zahlen auf das Gesamtjahr hochschreiben – so wie es CFO Muhamad Chahrour zur Anschauung getan hat – käme die Gesellschaft auf Erlöse von 340 Mio. Euro sowie ein EBITDA von 150 Mio. Euro. Dieses Zahlenspiel ist deshalb so interessant, weil die Ergebnisse schon jetzt den eigentlich erst für 2022/23 geplanten Mittelfristzielen entsprechen. Das zeigt, was im Brokeragemarkt derzeit abgeht. „Wir spüren die Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells mit jedem zusätzlichen Trade“, sagt Chahrour. Da passt es ins Bild, dass Vorstandschef Niehage für das laufende nun mit 70 Millionen Transaktionen – bei weiterhin 1,2 Millionen Kunden – rechnet. Die bisherige Vorschau für das laufende Jahr sah 50 Millionen Trades vor. Ins Jahr gestartet waren die Frankfurter mit einer Erwartungshaltung von 1 Million Kunden und 35 Millionen Transaktionen.
Summa summarum könnte es also nicht viel besser laufen als momentan. Dabei hat Frank Niehage noch eine Menge vor. Bis spätestens 2025 will er auf mindestens 3 Millionen Kunden kommen – und zwar durch rein organisches Wachstum. „Die Akquisition von Degiro war goldrichtig und markiert für uns den Anfang einer neuen Zeitrechnung.“ Was den Börsenwert angeht, hat die freilich schon längst begonnen: Die Kombination aus allgemein starken Kursen – zurzeit kostet der Anteilschein 41,50 Euro – und der durch die Degiro-Einbringung deutlich erhöhten Aktienzahl hat die Marktkapitalisierung auf fast 1.130 Mio. Euro gehievt.
Zum Vergleich: Vor exakt fünf Jahren waren es gerade einmal 215 Mio. Euro Börsenwert. Dabei befinden sich mittlerweile offiziell 77,8 Prozent der Aktien im Streubesitz (inklusive der Stücke die zuletzt an die Degiro-Gründer gegangen sind). Für die erhoffte Platzierung im SDAX würde das locker reichen. Die Story geht also weiter. Das jüngste Kursziel der Commerzbank-Analysten liegt bei immerhin 52 Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
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