Eigentlich sah alles nach dem kugelsichersten Investmentdeal des Jahres aus. Anfang Juli gab die flatex AG – damals noch als FinTech Group firmierend – bekannt, dass sie gemeinsam mit der Investmentbank Lazard „strategische Optionen bezüglich der zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens prüfe, um die erheblichen Wachstumschancen optimal nutzen zu können“. Was sich etwas sperrig anhört, hieß im Prinzip nichts anderes, als dass ein Verkaufsprozess in Gang gesetzt wurde, an dessen Ende eine Übernahmeofferte zu mindestens 30 Euro je Aktie sowie ein anschließendes Delisting stehen sollte. Abseits des meist im Quartalsrhythmus tickenden Kapitalmarkts sollte aus der flatex AG dann in Ruhe ein europäischer Milliarden-Player im Brokeragebereich aufgebaut werden – mit der Perspektive eines Relistings in ein paar Jahren. Soweit der Plan.
Nun ist jedoch alles ganz anders gekommen. Statt eines neuen Großaktionärs, präsentieren die Frankfurter einen Zusammenschluss mit dem holländischen Wettbewerber DeGiro. Demnach übernimmt flatex DeGiro (Netto-Schuldenfrei) für 250 Mio. Euro, was ungefähr 60 Prozent des bisherigen Börsenwerts von flatex entspricht. Von dem Gesamtpreis fließen 60 Mio. Euro als Barkomponente an DeGiro, den restlichen Teil bezahlt die Gesellschaft mit bis zu 7,5 Millionen neuen flatex-Aktien – bewertet zu jeweils 25,33 Euro. Abgewickelt werden soll der Deal voraussichtlich im zweiten Quartal 2020. Schon jetzt hat sich das im Freiverkehrssegment Scale gelistete Unternehmen aber rund 9,4 Prozent an DeGiro gegen einen Cashpreis von 23,6 Mio. Euro gesichert.
Soweit die Eckdaten des Deals, an dessen Ende ein Online-Broker und Finanzdienstleister mit addiert rund 193 Mio. Euro Umsatz, 54 Mio. Euro Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) sowie ein Überschuss von 28 Mio. Euro für 2019 stehen würde. Zum Vergleich: Beim aktuellen Aktienkurs von 20,95 Euro und auf Basis der erhöhten Aktienzahl käme flatex/DeGiro auf einen Börsenwert von knapp 567 Mio. Euro. Das wiederum entspricht etwa dem Niveau vom September 2019. Bleibt zum jetzigen Zeitpunkt die Frage, was eigentlich aus den angeblich so vielen Kaufangeboten geworden ist, die auf dem Tisch lagen. Gab es einfach keine Einigung oder haben die Preise und die Chemie am Ende nicht gestimmt?
Frank Niehage, CEO der flatex AG, bleibt hier etwas kryptisch: „Während des Prozesses und aufgrund der jüngsten Entwicklungen in unserer Industrie, siehe die Konsolidierungen in den USA, ist uns nochmals bewusst geworden, dass Größe, Skalierung, Kundenorientierung und Internationalität wesentliche Erfolgsfaktoren sind. Wir wollen diese Entwicklungen aufgrund unserer Finanzkraft und Plattform aktiv begleiten und weiterhin im Driver Seat sitzen. Für unsere Stakeholder erachten wir das anorganische Wachstum für sehr wertstiftend.“ Auf jeden Fall ist das Evaluierungsprojekt mit Lazard nun offiziell beendet – dem Vernehmen nach „im besten Sinne für alle Anteilseigner, Mitarbeiter und Kunden.”
Nun: Was das Thema Anteilseigner angeht, war die Erwartungshaltung (zumindest unter den freien Investoren) eine komplett andere. Da schließt sich boersengefluester.de gern mit ein. Was nun tun mit der flatex-Aktie? Kurzfristig wird wohl kaum im Fokus stehen, dass das Duo flatex/DeGiro auf die mittlere Sicht ein EBITDA von etwa 150 Mio. Euro – beziehungsweise ein Ergebnis je Aktie von 3,00 Euro – erzielen will. Zudem bleibt es dabei, dass mit den Paketen von Heliad Equity Partners (Anteil: 9,85 Prozent) und Österreichische Post (6,26 Prozent) ein potenzieller Aktienüberhang im Raum steht. Nicht minder spannend wird, wie sich Shortseller Petrus Advisers verhalten wird. Die Briten haben mit ihrer Strategie, auf fallende flatex-Kurse zu setzen, ein feines Näschen bewiesen. Last but not least wird es darauf ankommen, wie das Team um CEO Frank Niehage die neue Sachlage den Analysten und Investoren gegenüber kommuniziert. Ein Drahtseilakt, denn hier haben alle Beteiligten wohl noch die zu pushige Darstellung im Zuge der noch vor dem eigentlichen Start gescheiterten Kooperation mit der Österreichischen Post im Hinterkopf. Dem Vernehmen nach verliefen die ersten Gespräche mit Analysten jedenfalls positiv, wie das Handelsblatt nach einem Gespräch mit CEO Frank Niehage berichtet.
Quelle: boersengefluester.de und Firmenangaben
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick
2017
2018
2019
2020
2021
2022
2023
Umsatzerlöse1
107,01
125,10
131,95
261,49
417,58
406,96
390,73
EBITDA1,2
32,07
42,37
37,58
98,43
112,09
183,28
140,35
EBITDA-Marge3
29,97
33,87
28,48
37,64
26,84
45,04
35,92
EBIT1,4
26,48
30,62
24,75
73,79
80,26
151,28
104,35
EBIT-Marge5
24,75
24,48
18,76
28,22
19,22
37,17
26,71
Jahresüberschuss1
16,80
17,47
14,91
49,92
51,55
106,19
71,86
Netto-Marge6
15,70
13,96
11,30
19,09
12,35
26,09
18,39
Cashflow1,7
0,11
250,07
-157,25
141,45
125,03
113,32
63,08
Ergebnis je Aktie8
0,15
0,16
0,14
0,55
0,47
0,97
0,65
Dividende8
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,04
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de
Wirtschaftsprüfer: BDO
Hinweis: Investieren beinhaltet Verlustrisiken.