Für Insider ist diese scheinbar harmlos klingende Meldung eine kleine Sensation mit weitreichenden Konsequenzen: „Die FinTech Group AG hat sich vertraglich eine Option auf den Erwerb einer 54- prozentigen Mehrheit an der XCOM AG und damit der XCOM Gruppe gesichert.” Worum geht es? Die FinTech Group – das Unternehmen heißt erst seit Anfang August 2014 so – ist ein Zusammenschluss der drei Firmen Flatex, CeFDex und Aktionärsbank. Gemeinsamer Nenner ist die Zugehörigkeit zum Einflussbereich des Kulmbacher Unternehmers und Investors Bernd Förtsch. Die Flatex ist ein seit vielen Jahren erfolgreicher Online-Broker, die CeFDex ein im Firmenkundengeschäft beheimateter Market-Maker für CFD-Geschäfte (CFD = Contracts for Differences). Die Aktionärsbank ist das jüngste Kind der Familie und erblickte erst im Februar 2014 das Licht der Welt. Branchenkenner werteten das Institut allerdings von Beginn an als eine Art Geburtsfehler der FinTech Group. Schließlich befindet sich der Online-Broker-Markt seit Jahren in einer Konsolidierungsphase. Unternehmen wie DAB Bank und CortalConsors fusionieren, um Synergieeffekte zu nutzen. Es hatte von Anfang an den Anschein, als würde der Markt keinen weiteren Discounter benötigen. Dementsprechend weit entfernt ist die mit einer Vollbanklizenz ausgestattete Aktionärsbank von ihren ursprünglich kommunizierten Zielen. Bis Jahresende sollte das Institut auf 20.000 Kunden kommen. Getuschelt wird, dass das Institut gerade einmal ein gutes Viertel davon geschafft hat.
Starke Marke im Konzern und bekannt für günstige Konditionen sowie eine super aktive Klientel ist Flatex. Irritierend: Die Aktionärsbank richtet sich dem Namen nach an langfristig orientierte Investoren, unterbot das Schwesterunternehmen zwischenzeitlich aber sogar mit einer Flat-Fee von 2,95 Euro. Auch wenn die Verantwortlichen es stets leugneten: Letztlich besteht ganz klar die Gefahr, dass sich beide Unternehmen kannibalisieren. Das könnte äußerst unangenehme Folgen in Form eines Klumpenrisikos haben, zumal zwischen Flatex und CeFDex wiederum sehr enge Beziehungen bestehen. Vor diesem Hintergrund hätte es die Aktionärsbank eigentlich gar nicht gebraucht. Sie war jedoch der einzige Weg, um an die begehrte Vollbanklizenz zu kommen. Strategisch bewegte sich Flatex nämlich auf relativ dünnem Eis. Grund: Abgewickelt wurden alle Flatex-Geschäfte über die zur XCOM-Gruppe gehörende biw Bank – ein sogenanntes White-Label-Institut. Und genau diese Konstruktion hat weitreichende Konsequenzen für die Beantwortung der entscheidenden Frage, wem die Kunden der Flatex eigentlich gehören: Flatex oder vielleicht doch der biw Bank? Dem Vernehmen nach soll es hinter den Kulissen genau um diesen Punkt stets hoch her gegangen sein. Dabei trafen mit Bernd Förtsch und Matthias Albrecht, dem damaligen Vorstand von XCOM, auch noch zwei Charaktere aufeinander, die man in der Verhaltensforschung wohl als Alphatiere bezeichnen würde. Entsprechend verzwackt soll die Situation gewesen sein.
Börsenkenner berichten, dass vor exakt diesem Hintergrund die Idee geboren wurde, über ein eigenes Institut mit Vollbanklizenz – genau die besitzt Flatex nämlich nicht – für juristische Klarheit zu sorgen. Nach einer Kurvenfahrt mit einigen aus heutiger Sicht wohl unnötigen Umwegen, etwa dem Kauf der mittlerweile auf die CeFDex verschmolzenen KochBank, wurde Anfang 2014 die Aktionärsbank aus der Taufe gehoben. Hinter den Kulissen dürfte es dabei allerdings mächtig gebrodelt haben, wie die vielen Personalrochaden der jüngsten Vergangenheit zeigen. Bei der CeFDex verließ CFD-Urgestein René Diehl das Haus. Bei der Aktionärsbank mussten Anfang September die beiden Geschäftsführer Thomas Schmidt und Dirk Piethe ihren Hut nehmen. Schmidt war ehemaliger biw-Vorstand und galt als Mann hinter der Erfolgsgeschichte der biw Bank (alt) und wurde von Förtsch gerufen, um die „Flatex-Bank” (heute Aktionärsbank) aufzubauen. An die Spitze der neu formierten FinTech Group wurde Frank Niehage, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker, gerufen. Wie boersengefluester.de aus Firmenkreisen hört, genießt Niehage im Unternehmen einen guten Ruf und gilt als Machertyp. Allem Anschein nach gewährt ihm Großaktionär Förtsch allerdings auch die nötige Beinfreiheit. Letztlich geht es um die anspruchsvolle Aufgabe, eine schlagkräftige Finanzgruppe in Frankfurt mit einem echten „Wir-Gefühl” aufzubauen. Dabei muss Niehage einen Spagat zwischen den Kulturen hinlegen. Die Wurzeln der FinTech Group befinden sich schließlich in der Kulmbacher Provinz. Die Musiker der Börsenkapelle spielen allerdings ganz klar in Frankfurt – zumindest aus deutscher Sicht.
Um die aktuelle Entwicklung zu verstehen, besitzt allerdings auch eine ganz andere Personalie entscheidende Bedeutung. In aller Stille meldete XCOM Anfang September nämlich, dass Matthias Albrecht nicht mehr dem Vorstand der in Willich angesiedelten Gesellschaft angehört. Das könnte insofern zu einer Wende geführt haben, weil sich damit auch die Verhandlungspartner bei der biw bank für Förtsch geändert haben. Immerhin prallten die beiden Alphatiere jetzt nicht mehr frontal zusammen. Da sich ein mehrheitlicher Einstieg von 54 Prozent nicht über Nacht bewerkstelligen lässt, spricht viel dafür, dass Förtsch bzw. Niehage schon rasch nach dem Abgang von Albrecht die Verhandlungen mit der biw aufgenommen haben. Noch fehlt zwar die Zustimmung der Regulierungsbehörden, den finalen Vollzug erwartet die FinTech Group allerdings schon für Januar 2015. Insgesamt ein extrem rasantes Tempo, mit dem Niehage zurzeit unterwegs ist und dabei die Weichen neu stellt.
Wie ist der Deal nun also für die Aktionäre der FinTech-Group zu werten? An der Börse wurde die Transaktion mit einem Kursgewinn von zeitweise 13 Prozent auf zuletzt 9,30 Euro beklatscht. Das entspricht einem Zugewinn an Marktkapitalisierung um gut 10 Mio. Euro auf 130 Mio. Euro. Klingt nach einer gelungenen Transaktion. Eine reine Jubelmeldung ist die Nachricht für boersengefluester.de allerdings nicht. Zugespitzt bedeutet sie nämlich nichts anderes, als dass die Zukunft der Aktionärsbank vermutlich schon wieder auf der Kippe steht. Denkbar ist zwar auch eine dualistische Weiterführung. Für wahrscheinlicher hält boersengefluester.de jedoch die Variante, dass biw Bank und Aktionärsbank zusammenrücken. Das würde dann allerdings auch bedeuten, dass die vielen Millionen Euro, die das Projekt bislang bereits gekostet hat, versanden würden. Ohnehin gibt es viele Themen, die nun gelöst werden müssen. So wird die technische Seite der Aktionärsbank von Elaxy aus Coburg betreut, die biw Bank wird über XCOM gehostet. Letztlich zahlen Förtsch – bzw. die Anteilseigner der FinTech Group – hier doppelt. Ähnlich dürfte es sich bei anderen Posten betreffend der Infrastruktur beider Institute verhalten. Das heißt: Hätte der Deal mit der biw früher geklappt, wäre es für alle Beteiligten deutlich günstiger gekommen. Dennoch ist er so etwas wie der zweite Startschuss für die FinTech Group.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 107,01 | 125,10 | 131,95 | 261,49 | 417,58 | 406,96 | 390,73 | |
EBITDA1,2 | 32,07 | 42,37 | 37,58 | 98,43 | 112,09 | 183,28 | 140,35 | |
EBITDA-Marge3 | 29,97 | 33,87 | 28,48 | 37,64 | 26,84 | 45,04 | 35,92 | |
EBIT1,4 | 26,48 | 30,62 | 24,75 | 73,79 | 80,26 | 151,28 | 104,35 | |
EBIT-Marge5 | 24,75 | 24,48 | 18,76 | 28,22 | 19,22 | 37,17 | 26,71 | |
Jahresüberschuss1 | 16,80 | 17,47 | 14,91 | 49,92 | 51,55 | 106,19 | 71,86 | |
Netto-Marge6 | 15,70 | 13,96 | 11,30 | 19,09 | 12,35 | 26,09 | 18,39 | |
Cashflow1,7 | 0,11 | 250,07 | -157,25 | 141,45 | 125,03 | 113,32 | 63,08 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,15 | 0,16 | 0,14 | 0,55 | 0,47 | 0,97 | 0,65 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Noch keine Informationen gibt es zum Kaufpreis des 54-Prozent-Anteils. Finanziert werden soll er über ein Darlehen sowie eine „zeitnahe Stärkung des Eigenkapitals“. Mit anderen Worten: Auf die Aktionäre der FinTech Group kommt demnächst eine Kapitalerhöhung zu. Bei knapp 14 Millionen umlaufenden Aktien verfügt die Gesellschaft über einen Ermächtigungsrahmen für die Ausgabe von rund 7 Millionen Anteilscheinen. Damit könnte das Unternehmen rund 60 Mio. Euro mobilisieren. Interessant wird, ob Förtsch mitzieht oder sich verwässern lässt. Für die zweite Variante spricht, dass die Fintech Group erwägt, 2015 vom Entry Standard in den Prime Standard zu wechseln und das mit einem Zweitlisting an der Londoner AIM (Alternative Investment Market) zu kombinieren gedenkt. Ein höherer Streubesitz als die gegenwärtig 19,5 Prozent kann da nicht schaden. Ohnehin warten auf die Gesellschaft noch ganz viele Aufgaben, um den verführerischen Namen Fintech Group auch wirklich zu rechtfertigen. Zwei Banken und ein CFD-Spezialist reichen sicher nicht aus für ein attraktives Gesamtpaket.
Themenfelder gibt mehr als genug: Mobile Payment, Binäre Optionen, Social Trading, E-Commerce und Crowd Funding sind nur Beispiele. Abzuwarten bleibt auch, ob Niehage es tatsächlich schafft, aus der momentan noch defizitären FinTech Group bereits im kommenden Jahr eine Gesellschaft mit einem Gewinn vor Steuern von mindestens 15 Mio. Euro zu formen. Und diese Zielvorgabe soll erst der Anfang der Ertragswende sein. In Frankfurter Finanzkreisen heißt es: Der Auftrag lautet, den Börsenwert innerhalb von zwölf Monaten zu verdoppeln. Ein stattlicher Teil davon wird auf das Konto der Kapitalerhöhung gehen. Dennoch: Sehr risikobereite Investoren setzen darauf, dass auch der Aktienkurs der FinTech Group einen stattlichen Teil zu dem Wertzuwachs beiträgt und aus der FinTech Group möglichst rasch eine echte FinTech Group wird.