Welchen Erfolg Unternehmen in Deutschland mit preiswerten Produkten haben, zeigt kaum eine Firma so eindrucksvoll wie Fielmann. Inzwischen stammt hierzulande jede zweite Brille von dem MDAX-Konzern. Entsprechend hat sich die Aktie seit dem Jahr 2000 mehr als verfünffacht. Zuletzt hat sich das Wachstumstempo bei den Hamburgern zwar ein wenig verlangsamt. Das könnte den langfristigen Erfolg des hiesigen Branchenprimus jedoch nur kurz bremsen.
Am heutigen 3. Juli findet die Hauptversammlung von Fielmann in Hamburg statt: Die vorläufigen Zahlen zum zweiten Quartal, die der Konzern zeitgleich veröffentlicht hat, stoßen bei Anlegern jedoch auf wenig Begeisterung, weshalb die Aktie mit einem Kursverlust von zwei Prozent das Schlusslicht im MDAX ist. Allerdings hat sich das Minus im Tagesverlauf schon deutlich verringert. Fielmann hat im zweiten Quartal den Brillenabsatz um lediglich vier Prozent auf rund 1,9 Millionen Brillen gesteigert. Wegen des warmen Wetters und der starken Nachfrage nach Sonnenbrillen hatte im ersten Quartal aber noch ein Plus von neun Prozent zu Buche gestanden. Der Umsatzanstieg hat sich im zweiten Quartal auf fünf Prozent halbiert.
Trotz der aktuellen Wachstumsverlangsamung könnte das Geschäft von Fielmann jedoch weiter florieren. Jede zweite Brille in Deutschland stammt von dem MDAX-Konzern. Der Umsatzanteil liegt allerdings nur bei 20 Prozent. „Die Preise sind bei uns nur halb so hoch; deshalb fallen die Marktanteile bei Absatz und Umsatz auseinander“, hatte Vorstandschef Günther Fielmann bei der Bilanzpressekonferenz Ende April erklärt. Der Firmenlenker will den sehr erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre weitergehen und weiterhin keine Brillen über das Internet verkaufen. „Wenn ich eine optimal eingestellte und gut sitzende Brille verkaufen will, dann kann ich das nur im Kontakt mit dem Kunden“, sagt Fielmann. Damit entzieht sich der Konzern dem Preisdruck im Online-Handel. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen bei einem Umsatz von 1,16 Mrd. Euro einen Gewinn vor Steuern von 199,1 Mio. erwirtschaftet. Das entsprach einer Marge von 17,2 Prozent. Nach Steuern bleiben von 100 Euro Umsatz immer noch 12,3 Euro als Gewinn hängen – beeindruckend.
Statt auf den Online-Handel will der Firmenlenker das Filial-Netz weiter ausbauen, vor allem in Nordrhein-Westfalen und den südlichen Bundesländern. Mittelfristig strebt der Konzern 700 Läden in Deutschland sowie 45 in der Schweiz und 40 in Österreich an. Zudem soll künftig der Absatz von Gleitsichtbrillen deutlich gesteigert wird. Die Brillen mit mehreren Sehstärken sind bis zu viermal so teuer wie herkömmliche Brillen. Mittelfristig soll der Anteil von Gleitsichtbrillen am Absatz um mehr als die Hälfte erhöht werden. Derzeit liegt der Anteil bei 23 Prozent. Damit hinkt Fielmann dem Branchenschnitt von einem Drittel deutlich hinterher.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 1.385,97 | 1.428,00 | 1.520,75 | 1.428,93 | 1.678,15 | 1.759,30 | 1.969,08 | |
EBITDA1,2 | 291,32 | 295,87 | 384,70 | 336,70 | 396,13 | 339,85 | 410,00 | |
EBITDA-Marge3 | 21,02 | 20,72 | 25,30 | 23,56 | 23,61 | 19,32 | 20,82 | |
EBIT1,4 | 249,05 | 250,76 | 253,70 | 176,26 | 308,88 | 160,47 | 213,81 | |
EBIT-Marge5 | 17,97 | 17,56 | 16,68 | 12,34 | 18,41 | 9,12 | 10,86 | |
Jahresüberschuss1 | 172,85 | 173,63 | 177,29 | 120,81 | 144,58 | 109,95 | 130,64 | |
Netto-Marge6 | 12,47 | 12,16 | 11,66 | 8,45 | 8,62 | 6,25 | 6,64 | |
Cashflow1,7 | 287,14 | 205,64 | 301,75 | 278,47 | 346,69 | 268,09 | 282,79 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,00 | 2,01 | 2,05 | 1,39 | 1,63 | 1,24 | 1,52 | |
Dividende8 | 1,85 | 1,90 | 0,00 | 1,20 | 1,50 | 0,75 | 1,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Nach der Hauptversammlung wird das kurzfristige Chartbild der Fielmann-Aktien zwar nochmals belastet. Das liegt jedoch am Dividendenabschlag. Fielmann hat die Ausschüttung von 2,70 Euro je Aktie auf 2,90 Euro erhöht. Das entspricht einer Rendite von 2,8 Prozent. Unter fundamentalen Aspekten kommt die Fielmann-Aktie ansonsten aber alles andere als ein Billigheimer daher. Mit einem KGV von 28 ist die Gesellschaft das Unternehmen aus dem MDAX mit der vierthöchsten Bewertung. Und ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 9,4 ist auch nicht unbedingt alltäglich. Die Erwartungshaltung ist also sportlich, für Enttäuschungen besteht wenig Toleranzraum.
Und wer sich am optisch hohen Aktienkurs von derzeit knapp 105 Euro stört: Auf der Hauptversammlung wird auch über einen Aktiensplit im Verhältnis 1:1 abgestimmt. Nach der Umsetzung wird sich die Zahl der Anteilscheine dann auf 84 Millionen Stück verdoppeln. Dementsprechend müsste sich der Kurs auf gut 50 Euro halbieren. Wertmäßig ändert sich durch den Split nichts, aber vielleicht wird mit der Umsetzung doch der ein oder andere Investor demnächst wieder verstärkt auf Fielmann aufmerksam. Nach dem 1:1-Split vom Jahr 2006 wäre das bereits die zweite Kurskosmetik für die Fielmann-Aktie. Und was kaum noch jemand weiß: Als Fielmann im September 1994 – damals noch mit Vorzugsaktien – an die Börse ging, war der Titel die erste „5-DM-Aktie“.