Zu Essanelle geht man normalerweise, wenn man sich die Haare schneiden lassen will. Nebenwertekenner schätzen die Aktie der Friseurkette aber auch als verlässlichen Dividendenwert. Die Gewinne (vor Steuern) des Unternehmens bewegen sich seit Jahren in einer überschaubaren Range zwischen 5 und 6 Mio. Euro. Seit 2007 zahlt das Unternehmen eine stabile Dividende von 0,50 Euro pro Aktie. Bezogen auf den aktuellen Kurs von 11,77 Euro entspricht das einer Rendite von gut 4,1 Prozent. Hauptprofiteur ist die Saxonia Holding GmbH – den meisten wohl eher durch die Friseurkette Klier bekannt. Die Gesellschaft hält 89,77 Prozent der Essanelle-Anteilscheine.
Auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt überzeugte Essanelle-Vorstandschef Achim Mansen mit einer angenehm offenen Präsentation. Leider war das Auditorium mit nur rund 25 Teilnehmern nicht sonderlich gut besucht. Dreh- und Angelpunkt bei Essanelle ist derzeit die seit Anfang August 2013 geltende erste Stufe des Mindestlohns im Friseurhandwerk. Vorerst wurden die Löhne im Osten auf 6,50 Euro pro Stunde angehoben. Bis 2015 soll der Lohnsatz im gesamten Bundesgebiet auf 8,50 Euro steigen. „Grundsätzlich ist das der richtige Schritt. Friseure verdienen viel zu wenig“, sagt Mansen. Als Verantwortlicher für die Finanzen von Essanelle weiß er aber auch, dass sich die neuen Lohngrenzen nur dann tragen lassen, wenn die Kunden auch bereit sind, einen höheren Preis für ihren Haarschnitt zu zahlen. „Durch den Mindestlohn erhöhen sich unsere Lohnkosten um rund 4 Millionen Euro“, rechnet Mansen vor. Bei einer Gesellschaft aus der Liga Essanelle, kann so der bisherige Gewinn zu einem Großteil aufgefressen werden.
Zu Kompensation hat Essanelle in rund ein Viertel der Salons auf Preiserhöhungen gesetzt – um zwischen zehn bis 40 Prozent wurde der Haarschnitt teurer. „Wir benötigen ein Umsatzplus von 4,5 bis 5 Prozent, um die höheren Personalkosten aufzufangen“, sagt Mansen. Umso gespannter war das Essanelle-Management, wie die Kunden auf die neuen Preistafeln reagieren würden. Zunächst einmal ging es gut los: Im August stiegen die Erlöse um 4,6 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert. Im September lag die Umsatzsteigerung mit 2,3 Prozent dann aber bereits deutlich unterhalb der notwendigen Expansionsmarke. Doch bereits im Oktober entwickelte es sich wieder um 5,7 Prozent nach oben. „Da lief es bei uns wie geschnitten Brot“, so Mansen. Der November ist bislang mit einem Plus von 4,5 bis fünf Prozent anständig gelaufen. Ein verlässlicher Trend lässt sich daraus allerdings noch nicht ableiten, selbst wenn der Dezember üblicherweise ein guter Monat ist. Zum Weihnachtsfest wollen die meisten Menschen schließlich einen gepflegten Kopfschmuck tragen.
Angesichts der immer noch unsicheren Ausgangslage, hat Essanelle mit der Veröffentlichung des Neun-Monats-Berichts die Bandbreite für den zu erwartenden Gewinn vor Steuern auf 5,0 bis 6,0 Mio. Euro ausgeweitet. Bislang erstreckte sich die Range auf 5,5 bis 6,0 Mio. Euro. Als Gewinnwarnung im „klassischen Sinne“ ist diese Vorsichtsmaßnahme eher nicht zu interpretieren. Auf dem Eigenkapitalforum ließ sich Firmenchef Mansen – ein wenig scherzhaft – sogar zu einer konkreten Prognose hinreißen: „Ein Tipp vor mir – wir landen bei 5,5 Millionen Euro.“ Da Essanelle für eher konservative Vorhersagen bekannt ist, dürfte damit einer Dividende von erneut 0,50 Euro pro Aktie nichts im Weg stehen. Bei 4,6 Millionen Anteilscheinen beträgt die Ausschüttungssumme 2,3 Mio. Euro. Interessant wird, wie sich die deutschen Kunden mit den noch zu erwartenden Preiserhöhungen arrangieren werden. Bis zur Einführung des einheitlichen Tariflohns von 8,50 Euro, gäbe es für die Friseurkunden schließlich drei Preisrunden – vorausgesetzt, die höheren Löhne lassen sich tatsächlich abwälzen.
Für die Aktie der Essanelle Hair Group ist die Einführung des Mindestlohns auf den ersten Blick also eine Bürde. Andererseits scheint das Unternehmen mit der neuen Ausgangslage durchaus klar zu kommen. Und mit Großaktionär Klier ist Essanelle bei dem Thema auf einer Linie. Die Analysten von Close Brothers Seydler haben den Titel dennoch von „Kaufen“ auf „Halten“ heruntergestuft, ihr Kursziel gleichwohl bei 12,75 Euro gelassen. Großes Potenzial nach oben hätte der Small Cap demnach nicht. Andererseits scheint das Risiko nach unten ebenfalls begrenzt zu sein. Die Aktionärsstruktur sollte stabil bleiben. Für Klier ist Essanelle ein solider Dividendenzahler. Und auch der Streubesitz von 10,23 Prozent dürfte an Essanelle in erster Linie die ansehnliche Gewinnbeteiligung schätzen. Und so lange der – allerdings recht marktende – Small Cap den Dividendenabschlag im Laufe eines Jahres wieder aufholt, ist er eine pfiffige Renditealternative zu Anleihen.
Foto: Essanelle Hair Group AG