Das ist auch eine Form von Vertrauensbeweis: Statt auf eine klassische – aber immerhin „steuerfreie“ – Bardividende zu bestehen, haben sich nach der Hauptversammlung von Ernst Russ am 10. Mai 2023 rund 71 Prozent des Kapitals für eine Aktiendividende entschieden. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Annahmequote für Aktiendividenden bei deutschen Unternehmen, die diese Mischform der Ausschüttung anbieten, im Schnitt sonst eher im Bereich um 45 Prozent liegt. Die Aktionäre von Ernst Russ sind also mit besonders viel Engagement an Bord. Für das Hamburger Reederei-Unternehmen bleiben so jedenfalls knapp 4,6 Mio. Euro mehr an Cash in den Kassen, als es bei einer vollständigen Barauszahlung der Dividendensumme von 6,486 Mio. Euro der Fall gewesen wäre. Auf der anderen Seite ist die Verwässerung der bisherigen Aktienzahl um rund 3,3 Prozent überschaubar, so dass es für alle Beteiligten ein guter Deal sein sollte.
Die Zuversicht der Anleger ist freilich nicht unbegründet: Nach den Ausnahmejahren 2021 und 2022 war zwar klar, dass die Geschäftszahlen im Schiffs- und Transportsektor wieder Richtung Normalmaß zurückkommen. Doch bei Ernst Russ ist das aus aktueller Sicht noch immer ein beachtliches Niveau. So rechnet die Gesellschaft auch nach Vorlage des Q1-Berichts für das Gesamtjahr 2023 mit Erlösen zwischen 180 und 200 Mio. Euro sowie einem EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) in einer Bandbreite von 57 bis 77 Mio. Euro. Zum Vergleich: 2022 kam das im Frankfurter Freiverkehrs-Segment Scale gelistete Unternehmen bei Umsätzen von 191,7 Mio. Euro auf ein EBIT von 90,1 Mio. Euro.
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Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 44,04 | 52,71 | 58,79 | 55,57 | 92,29 | 191,74 | 202,67 | |
EBITDA1,2 | 10,71 | 8,60 | 9,00 | 9,70 | 40,13 | 122,29 | 116,60 | |
EBITDA-Marge3 | 24,32 | 16,32 | 15,31 | 17,46 | 43,48 | 63,78 | 57,53 | |
EBIT1,4 | 3,90 | 3,80 | 4,00 | 2,30 | 30,80 | 90,10 | 86,60 | |
EBIT-Marge5 | 8,86 | 7,21 | 6,80 | 4,14 | 33,37 | 46,99 | 42,73 | |
Jahresüberschuss1 | 6,35 | 6,38 | 1,77 | 4,74 | 26,29 | 83,90 | 81,61 | |
Netto-Marge6 | 14,42 | 12,10 | 3,01 | 8,53 | 28,49 | 43,76 | 40,27 | |
Cashflow1,7 | -4,03 | -0,98 | 12,25 | 8,03 | 39,72 | 98,75 | 90,18 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,17 | 0,19 | 0,05 | 0,12 | 0,49 | 1,46 | 1,66 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,20 | 1,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Nun sind 20 Mio. Euro EBIT-Prognosebandbreite bei Ernst Russ definitiv ein Ausdruck von Konjunkturunsicherheit, zumindest bezogen auf den Mittelwert hat das Unternehmen nach dem Auftaktquartal 2023 mit 13,7 Mio. Euro aber immerhin schon 20 Prozent der Gesamtjahreszielsetzung eingefahren. Sollten die Hamburger Ende Dezember also ein Betriebsergebnis im Bereich um knapp 70 Mio. Euro einfahren, wäre das sicher ein solides Resultat und sollte auch zur HV 2024 eine stabile Dividende ermöglichen. Dass der Markt grundsätzlich weiter funktioniert, zeigt sich derweil auch daran, dass Ernst Russ seine Containerschiff-Flotte zuletzt um ein weiteres Containerschiff auf nun 32 aufgestockt hat und die avisierte Erweiterung und Modernisierung der Flotte in die Tat umsetzt.
Die Bilanz ist nach den Rekordjahren derweil extrem komfortabel und nahezu frei von Bandverbindlichkeiten – bei einer stattlichen Liquidität von zum Jahresende 2022 fast 58 Mio. Euro. Das relativiert den auf den ersten Blick womöglich sportlich anmutenden Börsenwert von 170 Mio. Euro. Abzüglich Netto-Cash wird das Unternehmen am Kapitalmarkt nur etwa mit dem 1,25fachen des für dieses Jahr zu erwartenden EBITDA gehandelt. Kein Wunder, dass so viele Aktionäre auf steigende Kurse bei Ernst Russ setzen. Der guten Ordnung halber sei jedoch gesagt, dass die hohe Quote bei der Aktiendividende maßgeblich auch damit zusammenhängt, dass die Döhle Gruppe für ihren kompletten Bestand von 38,2 Prozent die Aktiendividende der Cash-Ausschüttung vorgezogen hat. Das zeigen jedenfalls die jüngsten Insidertransaktionen um Aufsichtsrat Jochen Thomas Döhle.
Foto: Unsplash+
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