Hintergrundgespräch mit Wolfgang Boyé, dem CEO der Elumeo SE: Hauptthema sollten die Halbjahreszahlen des auf Schmuck spezialisierten TV- und Onlinehändlers sein. Die sind mit einem Erlösplus von gut 30 Prozent auf 26,05 Mio. Euro sowie einem Ergebnisswing von minus 1,20 auf plus 1,24 Mio. Euro – bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) durchaus ansehnlich. Dabei lieferte insbesondere der eigene Webshop hohe Zuwächse, aber auch der TV-Kanal Juwelo kommt voran. Wie bei anderen Online-Anbietern auch, ist die Multiplikatorwirkung der eingesetzten Marketingbudgets – im mittlerweile fünften bzw. sechsten Corona-Quartal – freilich nicht mehr ganz so extrem wie zu Beginn der Pandemie. Gleichwohl hat Elumeo den operativen Cashflow nochmals deutlich auf 1,62 Mio. Euro ausgebaut, verfügt also über eine erkleckliche Innenfinanzierungskraft. Und selbst das zwischenzeitlich auf nur gut 4 Mio. Euro geschmolzene Eigenkapital hat sich zumindest wieder auf 5,53 Mio. Euro – das entspricht einem Viertel der Bilanzsumme – erhöht.
Nach den mitunter arg turbulenten und hochdefizitären Zeiten ist die Gesellschaft also nicht nur stabilisiert, sondern nachhaltig zurück auf dem Wachstumspfad. Das wiederum zeigt sich auch im Aktienkurs, der sich aus dem Penny Stock-Terrain vom Herbst 2019 auf mittlerweile 7,50 Euro – entsprechend einem Börsenwert von mehr als 40 Mio. Euro – emporgeschwungen hat. Mal abgesehen von den weiter schwelenden Differenzen mit Ankeraktionär Ottoman Strategy Holdings (OSH) und der Tatsache, dass der 2015er-Emissionskurs von 25 Euro trotz der jüngsten Rally noch immer Lichtjahre entfernt ist: Wolfgang Boyé hat allen Grund wieder entspannter nach vorn zu blicken. Bis hierhin also ein ganz normaler Zoom-Call mit dem Vorstand, wäre da nicht diese, wie Boyé sie bezeichnet, „Lockdown-Idee“.
Konkret geht es um die kürzlich zumindest an den Start gegangene Shopping-Center-App jooli. Hierbei handelt es sich um eine auch für andere Anbieter offene Plattform, auf der die verschiedensten Produkte – von der Kochbox, über Handtaschen, bis hin zu Schmuck, Whiskey oder auch Kosmetik – via Kurzvideos zum Kauf angeboten werden. Gegenwärtig sind zwar erst elf Kanäle in der App abrufbar, doch bis Ende März 2022 will Boyé hier bereits in dreistellige Regionen vordringen. „jooli hat ein gigantisches Potenzial“, sagt Boyé. „Das hat der Kapitalmarkt so noch gar nicht reflektiert.“ Das Geschäftsmodell dahinter sieht für den Plattformbetreiber einen Mix aus fixen Vergütungen und umsatzabhängigen Provisionen vor. Sprich: Je bekannter die Plattform und je mehr Anbieter dort ihre Produkte vorstellen, desto lukrativer für Elumeo als 100-Prozent-Eigentümer. Bislang haben die Berliner rund 300.000 Euro in die Entwicklung von jooli gesteckt, was ein überschaubares Investment ist.
„Wir werden nicht die ganze Firma auf jooli wetten. Wir machen das mit Bedacht“, beruhigt Boyé. Definitiv soll jooli in den kommenden Monaten aber sehr offensiv vermarktet werden, um die sich bietenden Chancen zu nutzen. Interessant ist das Geschäftsmodell für die teilnehmenden Händler insbesondere auch deshalb, weil die Kunden für den eigentlichen Bezahlvorgang am Ende auf die jeweilige Homepage des Händlers weitergeleitet werden und somit auch unmittelbar Kunden des Anbieters sind – im Gegensatz zum gängigen Amazon-Modell. Spätestens ab 2023 sollen sich die Effekte von jooli dann auch merklich in den Konzernzahlen von Elumeo ablesen lassen. Sollte der Plan voll aufgehen, könnte jooli am Ende jedenfalls ungleich größer werden als Juwelo. Damit wiederum wäre die Shopping-Center-App definitiv der neue Kern der Aktienstory von Elumeo.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 67,56 | 51,12 | 44,09 | 42,42 | 50,68 | 45,84 | 45,39 | |
EBITDA1,2 | -0,01 | -17,49 | -2,13 | 1,22 | 2,93 | -0,46 | -1,97 | |
EBITDA-Marge3 | -0,01 | -34,21 | -4,83 | 2,88 | 5,78 | -1,00 | -4,34 | |
EBIT1,4 | -1,60 | -18,43 | -2,35 | 0,29 | 1,98 | -1,40 | -2,85 | |
EBIT-Marge5 | -2,37 | -36,05 | -5,33 | 0,68 | 3,91 | -3,05 | -6,28 | |
Jahresüberschuss1 | -6,04 | -27,40 | -2,60 | 0,15 | 9,24 | -3,33 | -3,26 | |
Netto-Marge6 | -8,94 | -53,60 | -5,90 | 0,35 | 18,23 | -7,26 | -7,18 | |
Cashflow1,7 | -4,70 | -6,29 | 0,78 | 2,43 | 1,19 | -1,42 | -0,09 | |
Ergebnis je Aktie8 | -1,10 | -4,98 | -0,47 | 0,03 | 1,68 | -0,60 | -0,20 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
Um das Gesamtbild richtig rund zu machen, wäre freilich auch eine finale Lösung bezüglich der zwischenzeitlichen Schlammschlacht mit OSH hilfreich. Von den Gerichten wurden zwar bislang alle Klagen von OSH bzw. der SWM Treuhand bezüglich der Schließung der ehemaligen Produktionsstätten in Thailand abgeschmettert. Aus Vorsichtsgründen hat Elumeo die noch in der Bilanz stehende Rückstellung über knapp 4 Mio. Euro aber noch nicht aufgelöst. Am besten wäre es natürlich, wenn OSH seinen Anteil von gut 25 Prozent bei anderen Investoren platziert, damit endlich Ruhe einkehrt. Gerüchte, dass bereits einzelne Pakete angedient wurden gibt es zwar. Allerdings lässt sich das anhand von Stimmrechtsmitteilungen noch nicht valide nachvollziehen.
Insgesamt ist die Elumeo-Aktie jedenfalls längst aus der Turnaround-Spekulation entwachsen und bietet mit jooli einen spannenden neuen Trigger. Die Analysten von Warburg Research taxieren den fairen Wert des Spezialwerts mittlerweile auf 11,50 Euro. Demnach hätte der Titel also noch ein Potenzial von mehr als 50 Prozent. Geeignet ist das Papier allerdings nur für risikobereite Investoren. Schließlich ist längst nicht sicher, dass das jooli-Konzept auch tatsächlich aufgeht. Im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de kam CEO Wolfgang Boyé aber sehr überzeugend rüber. Insofern war das ein richtig guter Video-Termin, der am Ende doch ganz anders lief als gedacht. Die jooli-App haben wir uns jedenfalls aufs Smartphone geladen und werden in den kommenden Monaten regelmäßig überprüfen, ob sich die Shopping-Center-App wie erhofft weiterentwickelt.
Foto: Clipdealer