Was für ein Mist! Schon wieder eine Gewinnwarnung von Drägerwerk. Nachdem der Medizintechnikkonzern seine Prognosen erst Mitte Juli einstampfte, kommt nun der Nachschlag: Demnach werden die Lübecker im laufenden Jahr wohl nur noch auf ein währungsbereinigtes Erlösplus von 1,0 bis 3,0 Prozent sowie eine EBIT-Marge zwischen 2,5 und 4,5 Prozent kommen. Zuvor stellte Vorstandschef Stefan Dräger ein um Währungseffekte korrigiertes Umsatzwachstum von 2,0 bis 5,0 Prozent und eine operative Rendite zwischen 5,0 und 7,0 Prozent in Aussicht. Ins Jahr gestartet war das TecDAX-Unternehmen mit einem Margenziel von 6,0 bis 8,0 Prozent. Als Gründe für die Misere führt Dräger die schwache Entwicklung in China und den Vereinigten Staaten an. Zudem leidet der Bereich Sicherheitstechnik (Personenschutz, Gasmesstechnik und Gefahrenmanagement) unter den Auswirkungen des niedrigen Ölpreises, weil die Kunden aus der Petrochemie ihre Investitionen kürzen. Zu allem Überfluss gab es im dritten Quartal noch eine Sonderabschreibung von 20 Mio. Euro auf Forderungen und Vorratsbestände. Damit nicht genug: Das endgültige Ergebnis könnte noch deutlich schlechter ausfallen, denn mögliche Zusatzaufwendungen für das Restrukturierungsprogramm „Fit for Growth” sind in der aktualisierten Prognose noch gar nicht enthalten. Zudem handelt es sich offenbar um mehr als eine temporäre Schwächephase. „ Es wird erwartet, dass die aktuell schwache Entwicklung mehrerer für Dräger wichtiger Wachstumsmärkte außerhalb Europas weiter anhält. Daher wird die mittelfristige Prognose überprüft”, heißt es offiziell. Bislang standen diese Ziele, die unter anderem ab 2019 eine EBIT-Marge von mehr als zehn Prozent vorsahen, nicht zur Disposition.
Dementsprechend rabiat ist die Reaktion der Börsianer auf die neueste Entwicklung. Die im TecDAX notierten Vorzüge von Drägerwerk rauschten um 20 Prozent auf 60 Euro in die Tiefe. Die überwiegend im Familienbesitz befindlichen Stämme verloren um knapp 17 Prozent auf 51 Euro an Wert. Damit beträgt die Marktkapitalisierung des Unternehmens nur noch gut 974 Mio. Euro. Das ist der tiefste Stand seit fast fünf Jahren. Und gemessen an dem Ende April 2015 erreichten All-Time-High von 123,70 Euro hat die Vorzugsaktie nun um mehr als 50 Prozent an Terrain eingebüßt. Anleger, die den Titel im Depot haben, werden entsprechend verärgert sein. „Aussitzen oder doch besser verkaufen?”, lautet hier die Frage. Wer das Spiel bislang an der Seitenlinie verfolgte, könnte dagegen möglicherweise auf ein Schnäppchen hoffen. Um es klar zu sagen: Boersengefluester.de geht derzeit davon aus, dass die Notiz noch nicht ihren Tiefpunkt gesehen hat, dafür ist die Bewertung auf Basis der neuen Planungen einfach noch zu hoch. Selbst im günstigsten Fall dürfte Drägerwerk im laufenden Jahr wohl nur auf ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern von knapp 113 Mio. Euro kommen. Inklusive der Nettofinanzverbindlichkeiten von knapp 190 Mio. Euro kommt die Gesellschaft damit auf ein Bewertungsmultipel von gut zehn. Tatsächlich dürfte die Relation von Marktkapitalisierung plus Nettofinanzschulden zum EBIT aber eher im Bereich um gut 14 anzusiedeln sein. Super günstig ist das nicht.
Die Erwartungen an die Dividende sollten ebenfalls nicht zu hoch gesteckt werden. Zwar wollen die Lübecker ab einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent im Normalfall rund 30 Prozent des Gewinns an die Aktionäre weiterreichen. Aber die Kombination aus Restrukturierung – was in der Regel mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden ist – und großzügigen Ausschüttungen passt einfach nicht zusammen. Das wirkt sich entsprechend negativ auf die Performance der Genussscheine aus, deren Ausschüttung mit dem Faktor 10 an die Dividende der Aktie gekoppelt ist. Eine gewisse Hoffnung für die Aktie verbreitet der Buchwert von zurzeit knapp 53 Euro. Möglicherweise kann sich die Notiz in diesem Bereich fangen. Interessanterweise siedeln die Experten von Hauck & Aufhäuser auch genau hier ihr Kursziel für die Vorzüge an – allerdings mit Blick auf andere Bewertungsparameter. Am interessantesten sehen derzeit fast noch die Stammaktien von Drägerwerk aus. Sie kommen auf ein 2016er-KGV von rund 14,5 – verglichen mit gut 17 für die im TecDAX notierten Vorzüge.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 2.572,26 | 2.595,01 | 2.780,82 | 3.406,28 | 3.328,42 | 3.045,23 | 3.375,50 | |
EBITDA1,2 | 240,00 | 147,91 | 193,71 | 521,07 | 421,00 | 55,80 | 315,00 | |
EBITDA-Marge3 | 9,33 | 5,70 | 6,97 | 15,30 | 12,65 | 1,83 | 9,33 | |
EBIT1,4 | 155,74 | 62,65 | 66,58 | 396,60 | 271,68 | -88,61 | 166,43 | |
EBIT-Marge5 | 6,05 | 2,41 | 2,39 | 11,64 | 8,16 | -2,91 | 4,93 | |
Jahresüberschuss1 | 98,50 | 34,90 | 33,79 | 249,89 | 154,27 | -63,64 | 111,99 | |
Netto-Marge6 | 3,83 | 1,34 | 1,22 | 7,34 | 4,64 | -2,09 | 3,32 | |
Cashflow1,7 | 143,34 | 4,09 | 164,42 | 459,98 | 384,89 | -144,23 | 189,68 | |
Ergebnis je Aktie8 | 4,18 | 1,48 | 1,44 | 10,25 | 7,19 | -3,47 | 5,92 | |
Dividende8 | 0,46 | 0,19 | 0,19 | 0,19 | 0,19 | 0,19 | 1,80 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Bild: Draegerwerk AG