Im Prinzip lassen die drei Einschätzungen Kaufen, Halten und Verkaufen klare Aufforderungen. Dennoch tun Anleger gut daran, sich genau mit der üblichen Interpretation der gängigen Analysteneinschätzungen auseinander zu setzen. Bei manchen Empfehlungen sind die Grenzen nämlich fließend. Zudem gibt es eine Flut an Anglizismen. Boersengefluester.de erklärt die wichtigsten Begriffe.
Kaufen: Bei dieser Einschätzung gibt es wenig Interpretationsraum – sollte man meinen. Dennoch sollten Anleger im Kleingedruckten der Analysen schauen, was die jeweilige Bank mit diesem Urteil meint. Häufig meinen Analysten lediglich, dass sich das Papier besser als der Gesamtmarkt entwickeln sollte. Unter Umständen kann das auch eine negative Performance beinhalten. Zudem gibt es jede Menge Anglizismen, die eine vergleichbare Bedeutung haben. So tauchen auf Studien regelmäßig die Begriffe „Overweight“ (Übergewichten), „Outperformer“ (Überdurchschnittlich) oder „Add“ (Aufstocken bzw. Akkumulieren) auf. Mitunter werden Titel auf eine sogenannte „Conviction List“ (Empfehlungsliste) genommen. Auch der Begriff „Priority List“ taucht in diesem Zusammenhang auf und hat etwa die gleiche Bedeutung wie Conviction List. Hellhörig sollten Anleger werden, wenn der Begriff „Strong Buy“ (Starker Kauf) auftaucht. Dann scheint es der jeweilige Experte wirklich ernst mit seiner Empfehlung zu meinen, auch unter Timing-Aspekten. Allerdings lassen sich die nur die wenigsten Analysten zu einer „Strong-Buy-Einschätzung“ hinreißen. Wichtig zu wissen: „Kaufen“ ist die häufigste Einschätzung der Analysten. In der Regel steht unter rund der Hälfte aller Studien dieser Rat. Verkaufsempfehlungen sind wesentlich seltener und machen nur zwischen 15 und 20 Prozent der Tipps aus. Kein Wunder, denn auch die Banken müssen sich mit ihren Studien an die Investoren wenden. Und eine lauwarme „Halten-Empfehlung“ oder ein Verkaufsrat für eine Aktie, die ohnehin kaum jemand im Depot hat, lassen sich nur schwer vermarkten. Wenn Sie also eine Studie mit dem Urteil „Kaufen“ lesen, müssen Sie nicht unbedingt gleich eine entsprechende Order bei ihrem Discount-Broker abgeben. Betrachten Sie es eher als Hinweis, dass eine Aktie grundsätzlich positive Kurschancen hat. Ob der Titel damit auch in Ihr Portfolio passt, ist eine ganz andere Frage. Hier spielen noch weitere Faktoren wie Risikograd, Branchenzugehörigkeit und vor allen Dingen ihre bisherige Depotzusammensetzung eine Rolle.
Halten: Wenn man keine wirkliche Meinung zu einer Aktie hat, enden Analysen oder Beiträge zu Einzelaktien häufig mit der Empfehlung „Halten“. Nicht wenige Experten sehen darin sogar eine verkappte Verkaufen-Einschätzung. Insbesondere dann, wenn ein Titel von „Kaufen“ auf „Halten“ heruntergestuft wird. Vermutlich keine ganz falsche Interpretation. Ursprünglich war der Rat „Halten“ für eine Aktie reserviert, die maximal noch über ein – gemessen am Vergleichsindex – durchschnittliches Kurspotenzial verfügt. Daher verwenden Banker auch gern Begriffe wie „Inline“, „Neutral“ oder „Equalweight“ (Gleichgewichten). In Richtung Watchlist geht die Bezeichnung „Beobachten“. Allerdings wird von den Autoren in der Regel nicht näher darauf eingegangen, wie lange man den Titel eigentlich beobachten soll und wann der Zeitpunkt für einen Einstieg gekommen ist – beziehungsweise ab wann das Papier uninteressant wird und von der Beachachtungsliste verschwinden kann. Intellektuell schwer nachzuvollziehen ist die Anpassung von „Verkaufen“ auf „Halten“. Wie soll ein Investor plötzlich an etwas festhalten, wovon er sich vorher schon getrennt hat? Leidgeprüfte Aktionäre, die sich von einem Verlustbringer nicht trennen können, interpretieren „Halten“ häufig im Sinne von „Durchhalten“.
Verkaufen: In der Praxis kommen Verkaufsempfehlungen eher selten vor. Und bevor die Höchststrafe für eine Aktie in Form eines „Strong-Sell“-Urteils kommt, muss schon viel passieren. Weit weniger dramatisch klingen artverwandte Begriffe wie „Underperformer“ oder „Untergewichten“. Sonderlich populär sind Verkaufsempfehlungen schon aus folgendem Grund nicht: Tritt der befürchtete Kursrückgang ein, geben Anleger gern dem jeweiligen Analysten die Schuld an dem Verfall der eigenen Aktie. Zieht man hingegen die Reißleine, und der Titel entwickelt sich entgegen der Erwartungen nach oben, hat der Analyst ebenfalls den Schwarzen Peter gezogen. Entgangene Gewinne wiegen in der Psyche des Investors schließlich noch schlimmer echte Verluste. Freund macht man sich so nicht. Außerdem lassen sich Verkaufs-Analysen bei den Banken schwerer in klingende Münzen umwandeln. Bei den meisten Titeln, die mit einem Verkaufsurteil versehen sind, handelt es sich in der Tat um Rohrkrepierer. Uninteressant sind Verkaufseinschätzungen aber nicht – im Gegenteil: Mitunter ergeben sich aus dem Pool der Verlierer nämlich super lukrative Einstiegsgelegenheiten. Steht eine Aktie einmal auf Verkaufen, tun sich die meisten Experten nämlich schwer, das Papier wieder herauf zu stufen. Meist reagieren die Kurse bei sich andeutenden Turnarounds wesentlich schneller als es die harten Finanzzahlen erkennen lassen.