Kurseinbruch um 25 Prozent auf 34 Euro bei Dialog Semiconductor: Grund sind die Übernahmepläne von Vorstandschef Jalal Bagherli. Er will den kleineren Konkurrenten Atmel aus den USA für horrende 4,6 Mrd. Dollar aufkaufen. Das ist ein Kursaufschlag von 43 Prozent gegenüber dem Schlusskurs vom Freitag. Finanziert werden soll der Deal durch Barmittel, neue Schulden von 2,1 Mrd. Dollar und der Ausgabe von 49 Mio. Aktien von Dialog Semiconductor, die künftig als „American Depository Shares“ (ADS) in den USA gelistet werden sollen. Die Aktionäre von Atmel würden nach der Transaktion rund 38 Prozent des Anteils an der neuen Firma besitzen. „Der Deal führt zu einer massiven Verwässerung für die bisherigen Investoren von Dialog“, sagte Thomas Becker, Analyst bei der Commerzbank.
Bagherli will das Geschäft von Dialog, das stark am Smartphone- und Tablet-Bereich hängt, mit den Chips von Atmel kombinieren, die in Industriemaschinen oder Autos zum Einsatz kommen und damit im Zukunftsmarkt „Internet of Things“ (IoT) expandieren. Dabei geht es darum, dass Häuser, Autos und andere Geräte über das Internet verbunden sind und miteinander kommunizieren können. „Die Ära des Computers liegt hinter uns, wir sind auf dem Höhepunkt der mobilen Ära und wir stehen vor der IoT-Ära“, sagt Bagherli. „Die Unternehmen positionieren sich dafür.“ Mit dem Deal verringert Dialog die Abhängigkeit vom mobilen Bereich, vor allem von Apple. Die Transaktion soll im ersten Quartal 2016 abgeschlossen werden und ab 2017 einen positiven Beitrag zum bereinigten Gewinn von Dialog liefern. Innerhalb von zwei Jahren sollen jährliche Kosteneinsparungen von 150 Mio. Dollar erzielt werden. „„Wir sehen zwar die langfristig positiven Auswirkungen. Allerdings gibt es eine Menge Integrationsarbeit für die nächsten zwei bis drei Jahre und das ist nicht ohne Risiken“, so Commerzbank-Profi Becker.
Analysten kritisieren den hohen Übernahmepreis von Atmel, zumal das Geschäft bei der US-Firma schwach ist. So prognostizieren Analysten für das September-Quartal einen Umsatzrückgang von 20 Prozent. Im Dezember-Quartal soll das Minus auf 14 Prozent zurückgehen. Nach einer Übernahme müsste Dialog also den negativen Umsatztrend bei Atmel umdrehen – kein leichtes Unterfangen. Nachdem der Umsatz von Atmel zwischen 2012 und 2014 jeweils bei rund 1,4 Mrd. Dollar stagniert hat, soll er in diesem Jahr um 14 Prozent auf 1,22 Mrd. Dollar sinken. Weil es bei Atmel nicht gerade rund läuft, war der Konzern monatelang auf der Suche nach einem Käufer. Derweil soll der Umsatz von Dialog nach dem rasanten Wachstumskurs der vergangenen Jahre im Jahr 2015 um 25 Prozent auf 1,44 Mrd. Dollar nach oben schießen, womit Dialog erstmals größer wäre als Atmel. Der Deal kommt zudem zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, schwächt sich doch die Wirtschaft in den Emerging Markets, vor allem in China, spürbar ab.
Das Risiko ist groß, dass die Schwäche mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Monaten auf die Wirtschaft in den USA und Europa überschwappt. Das ist eigentlich nicht die richtige Zeit, um kräftig neue Schulden zu machen. Laut Bagherli sollen sich die Nettoschulden nach dem Deal auf das Dreifache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (EBITDA) der vergangenen zwölf Monate belaufen. Derzeit prognostizieren Analysten für Dialog für 2015 ein EBITDA von 358 Mio. Dollar und von lediglich 174 Mio. Dollar für Atmel. Bagherli will die neuen Schulden innerhalb von drei Jahren nach dem Abschluss der Transaktion abgestottert haben.
Fazit: Die Dialog-Aktie könnte in den nächsten Wochen weiter an Wert verlieren, womit die Investoren noch größeren Druck auf Bagherli ausüben. Vor dem Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Firmenlenker ein zweites Mal darüber nachdenkt, ob er die Transaktion wirklich durchziehen will.
Foto: Splitshire.com