Stefan Knoll, den CEO der DFV Deutsche Familienversicherung, muss man erlebt haben. Die erste Bilanzkonferenz als börsennotiertes Unternehmen am 4. April 2019 konnte er jedenfalls kaum abwarten. Vermutlich hat er sich auch deshalb ein Programm von fast zwei Stunden vorgenommen – während die meisten Pressekonferenzen – wenn sie denn überhaupt noch stattfinden – nach spätestens einer Stunde vorbei sind. Mindestens genauso bemerkenswert findet boersengefluester.de, wie voll der Konferenzraum am Firmensitz im Frankfurter Reuterweg unweit der Alten Oper war. Wir haben nicht nachgezählt, vermuten aber, dass so um die 20 Journalisten anwesend waren. Das schaffen sonst nur die wenigsten SDAX-Unternehmen. Dabei hat die Aktie der DFV bislang noch keine Bäume ausgerissen. Anfang Dezember 2018 unter Mühen und nur mit erheblichem Preisnachlass zu 12 Euro platziert, kostet der Anteilschein des auf den digitalen Vertrieb von Zahn-, Kranken- und Pflegezusatzversicherungen spezialisierten Unternehmens zurzeit etwas mehr als 11 Euro.
Auf diesem Niveau bringt es die Deutsche Familienversicherung auf einen Börsenwert von knapp 148 Mio. Euro, wovon allerdings nur knapp 12,3 Prozent dem Streubesitz zuzurechnen sind. Die größten Aktionäre mit jeweils etwas mehr als 21 Prozent sind die Firmenchef Knoll zurechenbare SK Beteiligungen, die Erbengemeinschaft des 2015 verstorbenen DFV-Mitgründers Philipp J.N. Vogel sowie der umtriebige Fondsmanager Luca Pesarini. Dass der Freefloat – insbesondere für größere institutionelle Investoren – gegenwärtig zu niedrig ist, weiß auch Knoll. Eine nachgelagerte kleinere Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts, sonst ein probates Mittel, um neue Aktionäre zu gewinnen, kommt für ihn derzeit allerdings nicht in Frage. Und selbst wenn die Stücke der wesentlichen Anteilseigner noch eine Weile mit einer Lock-up-Vereinbarung geblockt sind: Dem Vernehmen nach gäbe es wohl einige Altaktionäre, die einer Umplatzierung gegenüber nicht kategorisch abgeneigt sind. Jedenfalls musste das Management auf seiner jüngsten Roadshow durch New York und Boston potenzielle Interessenten nicht komplett abblocken.
Und dann gibt es ja auch noch den normalen Börsenhandel, der an den meisten Handelstagen allerdings nicht unbedingt super liquide ist. Zumindest aus Investor Relations-Sicht gibt es hier also noch einiges zu tun. Ein weiterer Grund für die vorerst abwartende Haltung der Investoren dürfte sein, dass das Insurtech-Unternehmen – also eine Mischung aus Versicherung (Insurance) und Technologie – erst im Jahr 2021 mit dem Wechsel in die Gewinnzone rechnet. Für das laufende Jahr kalkuliert Finanzvorstand Michael Morgenstern derweil mit einem Verlust vor Steuern zwischen 9 und 11 Mio. Euro. Immerhin erklärt das Management in Frankfurt plausibel, warum es für ein junges und stark wachsendes Unternehmen aus der Versicherungsbranche quasi unmöglich sei, profitabel zu wachsen. Zu unterschiedliche Muster weisen die Zahlungsströme aus den Beiträgen der Kunden auf der einen, und die Provisionszahlungen an den Vertrieb auf der anderen Seite auf. Das fällt bei etablierten Gesellschaften nicht so sehr ins Gewicht, da der Bestand an Policen einfach sehr viel höher ist. So beträgt die Relation von Bestandsbeiträgen zu Neugeschäftsinvestitionen bei der DFV gerade einmal 2:1. Gewinne lassen sich nach Aussagen von Knoll aber erst ab einem Verhältnis von 5:1 erwirtschaften.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 70,66 | 66,52 | 90,92 | 114,74 | 155,22 | 183,51 | 119,50 | |
EBITDA1,2 | 2,12 | -2,88 | -2,71 | -7,52 | 2,42 | 4,03 | 7,33 | |
EBITDA-Marge3 | 3,00 | -4,33 | -2,98 | -6,55 | 1,56 | 2,20 | 6,13 | |
EBIT1,4 | 2,12 | -4,10 | -5,20 | -10,56 | -0,81 | 1,67 | 5,72 | |
EBIT-Marge5 | 3,00 | -6,16 | -5,72 | -9,20 | -0,52 | 0,91 | 4,79 | |
Jahresüberschuss1 | 1,48 | -3,34 | -2,10 | -7,43 | -1,70 | 0,99 | 4,16 | |
Netto-Marge6 | 2,09 | -5,02 | -2,31 | -6,48 | -1,10 | 0,54 | 3,48 | |
Cashflow1,7 | 16,62 | 6,63 | 14,33 | 17,67 | 14,62 | 46,35 | 23,40 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,25 | -0,37 | -0,53 | -0,12 | 0,26 | 0,28 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Um die Zahlungsströme zu glätten bzw. um die Provisionsleistungen überhaupt bedienen zu können, bindet die DFV bislang Rückversicherungen zur Vorfinanzierung ein. Das wiederum nagt an der langfristigen Marge. Auch daher wollen die Frankfurter einen Teil des Emissionserlöses von netto knapp 50 Mio. Euro zur Reduzierung des Rückversicherungsgeschäfts verwenden. Das Wachstumstempo ist schließlich enorm. Für 2019 hat sich die im Prime Standard gelistete Gesellschaft 100.000 Neuverträge vorgenommen. Und Vorstandschef Knoll hat keinen Zweifel, dieses Ziel zu erreichen: „Wir werden liefern.“ Freilich werden sich die Vertriebskosten 2019 damit vermutlich auf rund 30 Mio. Euro verdoppeln. Derweil könnte die Aktie der Deutschen Familienversicherung – so sie von institutionellen Investoren entdeckt wird – schnell ein gutes Stück höher notieren. Gemessen am zwischenzeitlichen Hype um das New Yorker Versicherungs-Start-up Lemonade, an dem unter anderem auch die Allianz beteiligt ist, hat die DFV bislang jedenfalls noch so gut wie keine Blicke auf sich gezogen. Vielleicht liegt es auch ein Stück weit am Namen. Denn so cool wie Lemonade klingt Deutsche Familienversicherung für eine Insurtech-Company natürlich nicht.
Foto: Deutsche Familienversicherung AG