Ist leider so. Von den Folgen der Ausbootung aus dem Careflex-Konsortium hat sich der Aktienkurs der DFV Deutsche Familienversicherung bis heute nicht nachhaltig erholt. Auf der Videokonferenz zur Vorlage der Eckdaten für 2021 spricht CEO Stefan Knoll nun gar von einer „strukturellen Unterbewertung“ der Aktie des Online-Versicherers und hat eine Prognose parat, die man so auch nicht alle Tage hört: „Meine Zielvorstellung ist, dass der Aktienkurs jeden Tag um 1 Cent steigt. Das können wir 2022 auch erwarten.“ Ein gewisses Augenzwinkern geht mit diesem Kursziel natürlich einher, doch so ganz aus der Luft gegriffen ist es auch nicht. 1 Cent Aktienkurs steht bei den Frankfurtern für einen Börsenwert von annähernd 146.000 Euro. Bei noch verbleibenden 224 Handelstagen im laufenden Jahr würde sich die Marktkapitalisierung der im Prime Standard notierten DFV damit um knapp 33 Mio. Euro auf dann 207 Mio. Euro erhöhen. Das wiederum kommt einem Aktienkurs von 14,20 Euro gleich – entsprechend einem Potenzial von 19 Prozent bezogen auf die aktuelle Notiz.
Zur Einordnung: Die Kursziele der Analysten liegen durchweg ihr viel höher – nämlich zwischen 17 und 24 Euro. Ein Anfang auf der Börsen-Marathonstrecke ist insofern bereits gemacht, weil der Titel seit Ende Januar tatsächlich schon spürbar an Höhe gewonnen hat. Mit ein Treiber hierfür dürften freilich auch die Aktienkäufe von Aufsichtsrat Luca Pesarini gewesen sein. Um die Aufwärtsbewegung in Schwung zu halten, muss die DFV Deutsche Familienversicherung aber kräftig auf die Tube drücken. Und genau das hat das Unternehmen vor. „Wir sind wieder da“, sagt Knoll. Einer der zentralen Punkte wird der Ausbau der Vertriebspower sein. Nachdem das Unternehmen im vergangen Jahr mit einem Neugeschäft in der Erstversicherung von 23 Mio. Euro sogar noch unter der im November von 30 auf 24 Mio. Euro gekürzten Prognose geblieben ist, hat Firmengründen Knoll die Reißleine gezogen. Wie jetzt herauskommt, musste Vertriebsvorstand Stephan Schinnenburg bereits im Januar 2022 seinen Hut nehmen. Spätestens zum 1. Juli soll es einen Nachfolger geben, bis dahin übernimmt Knoll interimsweise den Posten.
Als glückliche Personalie erweist sich hingegen der seit nun gut einem Jahr als Finanzvorstand amtierende Karsten Paetzmann. Jedenfalls hat sich unter seiner Führung das Kapitalanlageergebnis – früher ein Schwachpunkt bei der Familienversicherung – signifikant verbessert. Zudem hat Paetzmann die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb auf ein deutlich günstigeres Niveau gebracht. Ein Optimierungs- und Sparprozess, der auch im laufenden Jahr fortgesetzt wird. Per saldo steht für 2021 jedenfalls nur noch ein Verlust vor Steuern von 0,8 Mio. Euro zu Buche – deutlich weniger als ursprünglich vermutet. Allerdings, und da beißt sich der Hund in den Schwanz, geht der niedrigere Fehlbetrag eben auch einher mit den verfehlten Vertriebszielen. Ungefähr im Rahmen der Erwartungen bewegt sich hingegen das mit der Barmenia vereinbarte Rückversicherungsvolumen aus dem Careflex-Deal mit 17,7 Mio. Euro. Im laufenden Jahr wird sich dieses Geschäft dann auf bis zu 40 Mio. Euro türmen, wie CFO Paetzmann jetzt nochmal bestätigt.
Und ja: So etwas wie Demut schwingt hier ebenfalls mit, denn Stefan Knoll rechnet es der Bardenia-Versicherung hoch an, dass sie sich an die Vereinbarung gehalten haben. Losgelöst davon: Für 2022 rechnet die gegenwärtig in den Bereichen Sach- und Krankenzusatzversicherungen tätige Gesellschaft mit einem zweistelligen Zuwachs des Beitragsvolumens und – sofern sich keine ungeahnten Okkasionen ergeben – auch mit der Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Weitere Details zu den finanziellen Zielen dürfte es am 24. März 2022 mit der Vorlage des Geschäftsberichts geben. Ansonsten sollten sich Anleger schon jetzt auf die für Oktober geplante Gründung eines Lebensversicherers einstellen. Für die DVF wäre das ein wichtiger Schritt auf dem Weg Richtung Vollsortimenter. Insgesamt stehen die Chancen für ein anhaltendes Comeback der DFV-Aktie gar nicht so schlecht.
Und wenn es nach den Analysten geht, hätte der Titel schließlich ein Aufwärtspotenzial von rund 3 Cent pro Tag. So linear läuft es an der Börse (zum Glück) allerdings nicht. Wer sich bei der DVF-Aktie engagiert, wird sich wohl auch im laufenden Jahr auf mitunter markante Kursschwankungen einstellen müssen. Aber wenn der Aktienkurs unterm Strich auf Nordkurs bleibt, wäre ja alles in Ordnung.
Foto: Privat