Natürlich gab es seit dem Börsenstart im Dezember 2018 mitunter heftige operative Rückschläge für die DFV Deutsche Familienversicherung und auch einige personelle Rochaden auf Vorstandsebene, doch die Frankfurter haben auch vieles richtig gemacht und wichtige Weichen neu gestellt – etwa was den Vertrieb, die Produktgestaltung und die Kostendisziplin angeht. „Wir haben die Branche verändert“, sagt CEO und Mitgründer Stefan Knoll selbstbewusst auf dem Kapitalmarkttag am 14. September 2023 in der komplett neugestalteten Firmenzentrale. Einzig an der Börse kommt das alles nicht an und der Aktienkurs bewegt sich mit 7 Euro auf einem historischen Tiefstand. Auf diesem Niveau bringt es das auf Krankenzusatzversicherungen spezialisierte Unternehmen auf einen Börsenwert von nur noch etwas mehr als 100 Mio. Euro.
Eine brenzlige Situation, denn erfahrungsgemäß schauen sich viele institutionelle Investoren Aktien ab dieser Größenordnung überhaupt erst nachhaltig an. Zum Vergleich: Beim IPO zu 12 Euro betrug die Marktkapitalisierung der Familienversicherung (auf Basis der damals noch etwas niedrigeren Aktienstückzahl) 153 Mio. Euro. Auf dem bisherigen Rekordhoch im Juli 2020 waren es – angetrieben von der damaligen Euphorie um das betriebliche Pflegezusatzprojekt CareFlex – beachtliche 416 Mio. Euro. Eine enorme Spannweite für ein Versicherungsunternehmen, was sich längst nicht mehr als poppiges InsurTech – also dem Versicherungspendant zu einem FinTech – sieht, sondern als unabhängiger digitaler Direktversicherer positioniert und zudem wieder schwarze Zahlen schreibt. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die für 2023 von uns angepeilten 3 bis 5 Mio. Euro Gewinn vor Steuern erreichen“, sagt CFO Karsten Paetzmann. Auf eine nähere Einordnung der relativ großen Bandbreite will sich Paetzmann zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht einlassen.
Tatsächlich liegt die Gesellschaft mit einem Ergebnis vor Steuern von 1,71 Mio. Euro zum Halbjahr eher im unteren Bereich des avisierten Korridors, das zweite Quartal 2023 steuerte dabei sogar nur eine rote Null zum Zwischenergebnis per Ende Juni bei. Der deutliche Rückgang von fast 4 Mio. Euro gegenüber dem Halbjahresergebnis von 5,65 Mio. Euro zum Halbjahr 2022 hängt indes wesentlich am deutlich schlechteren Finanzergebnis. So hat das Unternehmen bei einigen Anleihen Verluste realisiert bzw. bei einem Immobilienfonds eine Wertberichtigung vorgenommen. „Wir haben uns neu aufgestellt“, beschreibt Finanzvorstand Paetzmann die geänderte Allokation des Portfolios. Mit Blick auf die Neuanlage gibt es im Bondsbereich derzeit sicher lukrative Opportunitäten, so dass ein relativ junges Unternehmen wie die Deutsche Familienversicherung perspektivisch eher profitieren sollte von der geänderten Gemengelage im Zinsumfeld.
Im regulatorisch besonders geschützten Sicherungsvermögen will die DFV die Aktienquote sogar minimieren, „wenn nicht auf Null fahren“, wie Paetzmann auf dem Kapitalmarkttag betont. Insgesamt steht die Deutsche Familienversicherung jedenfalls auf einem stabilen Fundament. Die in der Branche viel beachtete Kennzahl Combined Ratio – also das Verhältnis von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb zu den abgegrenzten Prämien – beträgt zum Halbjahr 96,8 Prozent und zeigt, dass das eigentliche Stammgeschäft profitabel ist. Und auch die Solvabilität liegt deutlich oberhalb der gesetzlichen Anforderungen. „Wir sind gut kapitalisiert“, sagt Paetzmann.
Im Rahmen der Planungen liegen dabei auch die aus dem Careflex-Projekt erwirtschafteten Rückversicherungserlöse aus der Vereinbarung mit dem Partner Barmenia Krankenversicherung. Selbst wenn die DFV mittlerweile ihren Frieden mit den Umständen des damaligen Ausschlusses aus dem Careflex-Konsortium als Erstversicherer geschlossen haben sollte. CEO Stefan Knoll sieht im Bereich der Pflegezusatzversicherung nicht nur eine enorme gesellschaftliche Verantwortung, sondern auch erhebliches wirtschaftliches Potenzial: „Es ist Zeit, dass wir da wieder angreifen.“ Zum All-Time-Low des Aktienkurses passt das jedenfalls alles nicht, zumal auch Finanzvorstand Karsten Paetzmann positiv nach vorn blickt, ohne jedoch eine konkrete Mittelfristprognose zu formulieren: „Wir wollen die Gewinnsituation deutlich steigern und relativ zeitnah dividendenfähig werden.“
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 70,66 | 66,52 | 90,92 | 114,74 | 155,22 | 183,51 | 119,50 | |
EBITDA1,2 | 2,12 | -2,88 | -2,71 | -7,52 | 2,42 | 4,03 | 7,33 | |
EBITDA-Marge3 | 3,00 | -4,33 | -2,98 | -6,55 | 1,56 | 2,20 | 6,13 | |
EBIT1,4 | 2,12 | -4,10 | -5,20 | -10,56 | -0,81 | 1,67 | 5,72 | |
EBIT-Marge5 | 3,00 | -6,16 | -5,72 | -9,20 | -0,52 | 0,91 | 4,79 | |
Jahresüberschuss1 | 1,48 | -3,34 | -2,10 | -7,43 | -1,70 | 0,99 | 4,16 | |
Netto-Marge6 | 2,09 | -5,02 | -2,31 | -6,48 | -1,10 | 0,54 | 3,48 | |
Cashflow1,7 | 16,62 | 6,63 | 14,33 | 17,67 | 14,62 | 46,35 | 23,40 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,25 | -0,37 | -0,53 | -0,12 | 0,26 | 0,28 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Foto: boersengefluester.de
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