Das war wohl die schnellste Rolle rückwärts, die boersengefluester.de je erlebt hat. Gerade einmal fünf Tage nach dem Kapitalmarkttag 2024 der DFV Deutsche Familienversicherung (siehe dazu unseren Beitrag HIER) überrascht das Versicherungsunternehmen aus Frankfurt mit einem Delisting-Plan – übermittelt durch die Haron Holding um Aufsichtsrat Luca Pesarini, dem insgesamt 25 Prozent der Aktien zuzurechnen sind. Höhe der Offerte: voraussichtlich 6,60 Euro je Aktie. „Die DFV Deutsche Familienversicherung AG möchte in Zukunft strategisch flexibler und freier in unternehmerisch wichtigen Entscheidungen agieren können und zugleich durch den Widerruf der Börsenzulassung jährlich rund 2,5 Mio. Euro einsparen“, heißt es offiziell. Zudem will sich die DFV durch das Delisting von den „erheblichen Berichtspflichten, die keinen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit leisten“, lösen.
Auch auf dem Kapitalmarkttag ging es in den Ausführungen von CEO Stefan Knoll viel um Regulierung und ausufernde Bürokratie. Zudem hadert der Vorstand schon lange mit dem Aktienkurs, an dem die operativen Verbesserungen der vergangenen Quartale weitgehend abperlen. Indizien für ein nahendes Delisting aus dem streg regulierten Prime Standard-Segment waren das aber alles nicht, zumal Knoll noch im Frühjahr (HIER) betonte: „Das IPO war eine der klügsten Entscheidungen.“ Unmittelbar gibt es für Aktionäre der DFV keinen Handlungsbedarf. Zunächst einmal gilt es, die offiziellen Angebotsunterlagen abzuwarten. Dem Streubesitz sind zurzeit rund 22 Prozent der Aktien zuzurechnen. Welchen Umfang davon Fonds und andere institutionelle Adressen einnehmen, die laut ihren Statuten keine offiziell delisteten Aktien ihrem Bestand halten dürfen, bleibt abzuwarten.
Ansonsten kann boersengefluester.de nur immer wieder betonen, dass die allermeisten delisteten Aktien im regionalen Freiverkehr – insbesondere in Hamburg – einigermaßen normal weiter gehandelt werden. Abzuwarten bleibt freilich, wie es die Deutsche Familienversicherung dann künftig mit der Veröffentlichung von aktuellen Zahlen handhaben wird. Aber das ist Schnee von Morgen. Für 6,60 Euro – also etwa dem halben Emissionspreis von Ende 2018 – sollten Anleger die Aktie jedenfalls nicht andienen. Dafür scheinen uns die mittelfristigen Perspektiven des Unternehmens viel zu gut. „Halten“ ist also erstmal angesagt. Wirklich bitter ist jedoch, dass die Delisting-Absichten der Familienversicherung sich in einen großen Trend an steigenden Börsenrückzügen einreihen.
So haben im laufenden Jahr bereits 16 Unternehmen aus der Datenbank von boersengefluester.de ein Delisting auf die Schiene gesetzt. Darunter sind so bekannte Namen wie New Work, USU Software oder auch CropEnergies. Die Begründungen der Unternehmer sind dabei regelmäßig gleich: Kosten und Nutzen der Börsennotiz stehen in keinem gesunden Verhältnis mehr. Ein Ende des Trends ist kaum absehbar, zumal die Regulierungswut durch den Gesetzgeber immer groteskere Züge annimmt. Hinzu kommt, dass die BaFin saftige Strafen schon bei kleinsten Verstößen verhängt und von der Deutschen Börse AG aber auch rein gar nichts zur Delisting-Welle zu hören ist. Wundern braucht man sich da nicht, dass es hierzulande seit Jahren so wenige Neuemissionen (IPOs) gibt.
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