Schlechter hätte das Börsenjahr 2021 für die DFV Deutsche Familienversicherung nun wirklich nicht anfangen können. Um knapp 133 Mio. Euro – das entspricht einem Minus von rund 40 Prozent – knickte die Marktkapitalisierung Anfang Januar ein, als das Unternehmen völlig überraschend den Ausstieg aus dem Careflex-Konsortium für die Chemiebranche einräumen musste (siehe dazu unseren Beitrag HIER). Klar, dass so ein Hammer vorerst das überlagernde Gesprächsthema bei den Investoren bleibt. Dabei zeigt sich CEO und Großaktionär Dr. Stefan Knoll jetzt – zur Vorlage der Eckdaten für 2020 und eines ersten Ausblicks – überrascht vom Ausmaß des Kursrutsches: „Wir waren davon ausgegangen, dass uns der Markt weniger abstraft.“ Insbesondere die neue Rolle als Rückversicherer innerhalb des Konstrukts mit einem Bestandszuwachs von insgesamt rund 40 Mio. Euro wurde nach Auffassung von Knoll bislang am Markt überhaupt nicht goutiert. Und er bleibt auch dabei, dass der Ausstieg „ärgerlich und im Ergebnis unbegründet“ ist. Letztlich sieht sich Knoll sogar als Opfer in der Gemengelage um Finanzaufsicht und Careflex-Konsortium.
Formal ist das Kapitel für das Versicherungsunternehmen zwar abgehakt, trotzdem hat Knoll die Dramaturgie der vergangenen Monate auf der jetzigen Video-Konferenz nochmals minutiös nachgezeichnet. Und es braucht wohl keine prophetische Gabe um zu erahnen, dass das letzte Wort in dieser Sache vermutlich noch nicht gesprochen ist. Fakt ist allerdings auch, dass es für die DFV Deutsche Familienversicherung vermutlich auf Jahre keinen ähnlich konzipierten Deal auf Branchenebene geben wird. Freilich spielen hier auch übergeordnete Hemmnisse wie Corona oder Tarifverträge mit rein. „Wir bleiben da dran. Aber wenn überhaupt, konzentrieren wir uns eher auf einzelne Unternehmen“, sagt Knoll. Die Careflex-Ausgaben für IT, Beratung etc. taxieren die Frankfurter derweil auf rund 3,5 Mio. Euro für 2020. Gänzlich umsonst waren die Investitionen allerdings nicht, insbesondere die – zurzeit wenn auch überdimensionierte – IT-Infrastruktur ist ein wichtiger Baustein für die Umsetzung der künftigen Wachstumsinvestitionen. „Wir haben einen 10-Tonner bestellt und brauchen zurzeit nur einen 5-Tonner“, sagt Knoll in Anlehnung an gängige Lkw-Größen.
Für das zweite Quartal 2021 steht zunächst einmal der Start der schon länger angekündigten Europaexpansion auf der Agenda: Los geht es in Österreich mit vorerst einem Produkt. Als Testmarkt ist Österreich ideal, schon allein wegen der fehlenden sprachlichen Barriere. Eher unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Deutsche Familienversicherung noch im laufenden Jahr die Präsenz in einem weiteren europäischen Land angeht. „Hierzu könnte es vermutlich frühestens im Dezember eine Ankündigungs-Pressemitteilung geben“, sagt Knoll. Ansonsten bleibt es bei der bisherigen Vorschau, wonach die im Prime Standard notierte Gesellschaft ab dem kommenden Jahr in die Gewinnzone vorstoßen will. Für das laufende Jahr rechnet das Unternehmen mit einem operativen Verlust auf EBIT-Ebene von rund 4 Mio. Euro. Zum Vergleich: Für 2020 weist die DFV einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 9,95 Mio. Euro aus – was in der Mitte der avisierten Spanne von minus 9 bis minus 11 Mio. Euro liegt.
Weit mehr als diese Zahlen bewegt die Börse allerdings die Frage, wie lange es dauern wird, bis die Investoren wieder volles Vertrauen in das Unternehmen fassen. Erfahrungsgemäß dauert so etwas länger, als man vermuten möchte. Entsprechend ist es auch eher wahrscheinlich, dass sich der Aktienkurs nach dem Neujahrs-Crash noch eine Weile im Seitwärtsmodus befinden wird. Dabei ist die Aktie der DFV Deutsche Familienversicherung im Grunde super günstig, von der Bewertung des amerikanischen Insurtech-Pendants Lemonade ganz zu schweigen. Nur liefern müssen die Frankfurter eben auch in den kommenden Quartalen. Da wird auf die erschwerten Bedingungen durch Corona vermutlich wenig Rücksicht genommen. Die Kursziele der Analysten bewegen sich zurzeit zwischen 16 und 24 Euro. Im besten Fall entspricht das einem Potenzial von 50 Prozent.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 70,66 | 66,52 | 90,92 | 114,74 | 155,22 | 183,51 | 119,50 | |
EBITDA1,2 | 2,12 | -2,88 | -2,71 | -7,52 | 2,42 | 4,03 | 7,33 | |
EBITDA-Marge3 | 3,00 | -4,33 | -2,98 | -6,55 | 1,56 | 2,20 | 6,13 | |
EBIT1,4 | 2,12 | -4,10 | -5,20 | -10,56 | -0,81 | 1,67 | 5,72 | |
EBIT-Marge5 | 3,00 | -6,16 | -5,72 | -9,20 | -0,52 | 0,91 | 4,79 | |
Jahresüberschuss1 | 1,48 | -3,34 | -2,10 | -7,43 | -1,70 | 0,99 | 4,16 | |
Netto-Marge6 | 2,09 | -5,02 | -2,31 | -6,48 | -1,10 | 0,54 | 3,48 | |
Cashflow1,7 | 16,62 | 6,63 | 14,33 | 17,67 | 14,62 | 46,35 | 23,40 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,25 | -0,37 | -0,53 | -0,12 | 0,26 | 0,28 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
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