Vor fast genau einem Monat sorgte die Kaufofferte von Deutsche Wohnen an die Aktionäre von GSW Immobilien für mächtig Wirbel an der Börse. Seit dem haben sich die Wogen geglättet. Die mitunter prognostizierte Übernahmewelle ist über den Immobiliensektor noch nicht geschwappt. Und – zumindest bislang – haben sich auch keine anderen Unternehmen gegen den Deal positioniert. Relativ ernüchternd ist allerdings die Performance der beiden Papiere: Seit dem Tag nach der Bekanntgabe der Liaison hat die GSW-Aktie um rund drei Prozent an Wert verloren, der Anteilschein von Deutsche Wohnen hat sogar um fast vier Prozent eingebüßt. Im gleichen Zeitraum hat der MDAX immerhin um fast 2,5 Prozent zugelegt. Aus Fairnessgründen muss man natürlich sagen, dass die Aktie der Berliner Wohnungsgesellschaft am Tag bevor die Katze aus dem Sack gelassen wurde, noch zu 31,47 Euro gehandelt wurde. Die GSW-Anteilseigner haben also mit dem MDAX Schritt zumindest gehalten. Unabhängig von dieser Zahlenschieberei: Letzt hatten wohl alle Beteiligten und Beobachter eine bessere Performance erwartet.
Das Angebot sieht vor, dass Anleger für je 20 eingereichte Aktien von GSW Immobilien, 51 Anteilscheine von Deutsche Wohnen erhalten. Das entspricht einem Verhältnis von 1:2,55. Auf Basis der aktuellen Kurse würden GSW-Anleger, die auf die Offerte eingehen, sich einen Kursvorteil von knapp 3,6 Prozent verschaffen. Grund: 20 GSW-Aktien haben einen Gegenwert von zurzeit 647,50 Euro. Der Gegenpart in Form der 51 Anteilscheine von Deutsche Wohnen würde hingegen 670,65 Euro kosten. Zumindest aus dieser Perspektive lohnt es sich momentan – unter sonst gleichbleibenden Bedingungen – auf die Aktien von GSW Immobilien zu setzen.
Wie erklärt sich nun der Spread von 3,6 Prozent? Zunächst einmal ist das Vorhaben an bestimmte Bedingungen, wie zum Beispiel die Mindestannahmeschwelle von 75 Prozent, gekoppelt. Zudem müssen die „Tausch-Aktien“ der Deutschen Wohnen erst einmal geschaffen werden – dabei geht es um immerhin fast 129 Millionen Papiere. Formal abgesegnet werden, soll der Plan auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 30. September 2013 in Frankfurt. Eine erste Hürde ist bereits genommen: Das Bundeskartellamt erteilte Ende 2013 seine Freigabe für den Deal. Da kein Geld fließt, sondern Aktien gegen Aktien getauscht werden, handelt es sich um eine sogenannte Sachkapitalerhöhung.
Eine zusätzliche Barkapitalerhöhung hat sich der Vorstand der Deutschen Wohnen für den Fall vorbehalten, dass mehr als 94,9 Prozent aller GSW-Aktien eingereicht werden. Hintergrund sind steuerrechtliche Überlegungen. Ab einer Übernahmequote von 95 Prozent müsste die Deutsche Wohnen nämlich Grundwerbsteuer auf die in Deutschland befindlichen Immobilien der GSW zahlen. Dem Vernehmen nach würde es sich um einen Betrag von immerhin rund 130 Mio. Euro handeln. Dieses Geld wollen sich die Frankfurter sparen. Da man die „letzten“ 5,1 Prozent umtauschwilliger GSW-Aktionäre nicht ausgrenzen darf, ist für diesen Teil eine spezielle Transaktion mit der Deutschen Bank geplant. Nach jetzigem Ermessen ist das aber wohl eher ein theoretischer Fall.
Zu berücksichtigen sind außerdem die Inhaber von Wandelanleihen der GSW Immobilien. Hierbei handelt es sich um ein Nominalvolumen von fast 183 Mio. Euro mit Endfälligkeit November 2019. Beim momentanen Wandlungspreis von 35,085 Euro würde sich die Anzahl der GSW-Aktien nochmals um etwa 5,2 Millionen Stück erhöhen. Da sich die Ausgangslage durch das Übernahmeangebot wesentlich verändert hat, erhalten die Gläubiger des „Convertibles“ das Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Bonds oder die Wandlung in Aktie zu einem angepassten Preis.
Allzu schnell schießen die Preußen allerdings nicht. Nach der außerordentlichen Hauptversammlung am 30. September werden die Angebotsunterlagen innerhalb einer vier- bis achtwöchigen Frist an die BaFin geschickt. Wenn die Finanzaufsicht ihr Plazet gibt, wird die Offerte veröffentlicht. Anschließend beginnt die vier bis maximal zehn Wochen dauernde Annahmefrist, welche nach dem Ablauf in der Regel nochmals um zwei Wochen verlängert wird. Soll heißen: In diesem Jahr geht die Transaktion nicht mehr über die Bühne – selbst wenn alles glatt geht. Offiziell wird mit einem Abschluss der Transaktion „im ersten Halbjahr 2014“ gerechnet. Noch keine abschließende Meinung zu dem Vorhaben hat sich derweil das Vorstandsteam von GSW Immobilien gebildet. Zwar kann ihrer Meinung nach „ein Zusammenschluss der GSW mit der Deutschen Wohnen operativ und industrielogisch grundsätzlich sinnvoll sein“. Bei wichtigen Aspekten wie der Angemessenheit des Tauschangebots bedarf es aber noch „weiterer Klärung“. Man darf also gespannt sein.
Querfeuer von anderen Immobilienkonzernen oder Finanzinvestoren ist derzeit nicht zu sehen. Für wichtige Entscheidungen, wie sie auf dem Aktionärstreffen Ende September gefällt werden, schreibt das Aktiengesetz aber eine Zustimmung von mindestens 75 Prozent des bei der Beschlussfassung anwesenden Kapitals vor. Laut den Statuten der Deutschen Börse befinden sich 100 Prozent der Anteilscheine im Streubesitz. De facto halten elf Investoren – darunter Adressen wie Sun Life Financial, Blackstone, BlackRock oder Credit Suisse – gut 42 Prozent an Deutsche Wohnen. Bestimmt laufen im Hintergrund längst Gespräche mit den Finanzprofis. Gegenanträge für das Aktionärstreffen finden sich auf der Homepage von Deutsche Wohnen derzeit nicht.
Foto: GSW Immobilien AG